Deutlich mehr Fingerabdrücke im Schengener Informationssystem gespeichert

Mit biometrischer Software können Personen anhand ihrer Fingerabdrücke identifiziert werden. Anfangs nutzten EU-Staaten die Technik nur für Asylsuchende und Visa-Antragssteller. Jetzt verfügt auch die größte EU-Polizeidatenbank über ein solches System.

Die Nutzung des AFIS ist für alle Schengen-Staaten verpflichtend, für die Umsetzung haben sie zwei Jahre Zeit. CC-BY-NC-SA 2.0 Dave Rutt

Das Schengener Informationssystem (SIS II) enthält derzeit rund 236.000 durchsuchbare Fingerabdrücke. Vor einem halben Jahr lag die Zahl noch bei rund 135.000. Der Grund für die Zunahme ist die Einführung eines „Fingerabdruckidentifizierungssystem“ (AFIS), das die EU-Kommission am 6. März vergangenen Jahres freigeschaltet hat. Damals enthielt das SIS II rund 97.000 Fingerabdruckblätter. Bis dahin waren Recherchen in vorhandenen Fingerabdruckdaten nur in der Datenbank EURODAC und im Visa-Informationssystem (VIS) möglich.

Mit dem neuen AFIS sollen die allgemeine Kriminalität, aber auch der Missbrauch von Identitäten bekämpft werden. Der Einführung ging eine zweijährige Pilotphase voraus. Das System wird von der Europäischen Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen (eu-LISA) verwaltet, bei der mittlerweile alle großen Datenbanken im Bereich Justiz und Inneres angesiedelt sind.

2.400 Treffer im SIS II

Jeder neu in im Schengener Informationssystem eingespeicherte Abdruck wird mit den zentral gespeicherten Datenblättern abgeglichen. Bei einem Grenzübertritt oder einer Polizeikontrolle können die Fingerabdrücke außerdem von jedem Beamten im SIS II abgefragt werden um festzustellen, ob zu der Person weitere, womöglich gefälschte Dokumente vorhanden sind. Möglich ist auch, Spuren an einem Tatort mit Ausschreibungen aller 30 Schengen-Mitgliedstaaten zu vergleichen.

Mit der zunehmenden Zahl von Datensätzen steigen auch die Abfragen und damit die Trefferquote. Im gesamten Jahr 2018 haben Bundes- und Länderbehörden 2.395 passende Fingerabdrücke im SIS II gefunden. In EURODAC wurden in 2018 nach deutschen Abfragen rund 129.000 Personen ermittelt. Das in etwa ein Fünftel der Gesamttreffer aller europäischen Behörden.

Neue Verordnungen in Kraft

Die Nutzung des AFIS ist mittlerweile verpflichtend. Hierzu hat die Europäische Kommission drei neue Verordnungen zum Schengener Informationssystem veröffentlicht, die mittlerweile von Rat und Parlament verabschiedet und seit dem 27. Dezember 2018 in Kraft sind. Als Verordnung gelten sie sofort, für die Umsetzung der AFIS-Funktion haben die Schengen-Mitgliedstaaten jedoch zwei Jahre Zeit. Derzeit nutzen neben Deutschland die Niederlande, Lettland, Malta, Slowenien und Portugal die Möglichkeit, Personen mithilfe ihrer Fingerabdrücke im SIS II zu identifizieren. Ungarn, Österreich, Schweiz, Liechtenstein und Polen planen die baldige Einführung.

Alle Polizeien des Bundes und der Länder sind zur Nutzung des SIS II-AFIS berechtigt. Eine Abfrage erfolgt dabei über den Polizeilichen Informationsverbund INPOL. Die Behörden informieren zu einem Treffer die deutsche Zentralstelle für den nationalen und internationalen Nachrichtenaustausch, die sich unter dem Namen SIRENE im Bundeskriminalamt (BKA) befindet. Gefundene Treffer werden dann von „Fingerabdruckexperten“ im BKA verifiziert.

Abfrage auch in den USA

Anschließend kann der Mitgliedstaat, in dessen Daten der Treffer gefunden wurde, über SIRENE-Büro benachrichtigt werden. Dabei können auch im Falle gefälschter Dokumente die Alias-Identitäten übermittelt werden. Eine automatisierte Trefferbenachrichtigung gibt es nicht. Werden falsche Treffer gefunden, wird der Datensatz zur Prüfung und Analyse an eu-LISA weitergeleitet. In 2018 ermittelten deutsche Behörden in fünf Fällen falsche Meldungen im SIS II. Für das EURODAC-System wurden elf falsche Treffer gemeldet, davon vier aus Deutschland.

Seit Dezember 2016 fragen deutsche Behörden außerdem US-Datenbanken nach Fingerabdrücken und DNA-Daten ab. Die Kontaktstelle zur Durchführung der Datenübermittlungen im Rahmen des Deutsch-Amerikanischen Sicherheitsabkommens ist ebenfalls das BKA. Im Oktober schrieb das Innenministerium, dass vom FBI 101 Rechercheanfragen nach Deutschland geschickt wurden. Das BKA hat im gleichen Zeitraum 191 Abfragen an das FBI versandt. Dabei wurden fünf Übereinstimmungen gefunden.

3 Ergänzungen

  1. Mir ist noch nicht klar, aus welchen Gründen und unter welchen Bedingungen Fingerabdrücke in AFIS bzw. weiteres in SIS II gespeichert werden. Im speziellen vielleicht, wer füttert und was muss dafür eindeutig belegt sein?
    Auch nicht klar ist mir, ob und unter welchen Bedingungen und in welchen Zeiträumen Daten wieder entfernt werden.
    Gibt es dazu Informationen?

    1. Das SIS ist eine Fahndungsdatenbank, enthält etwa Haftbefehle, Ausreisepflichtige, Vermisste, heimlich nach Artikel 36 Verfolgte. Fingerabdrücke können von einer europäischen Polizeibehörde als Anhang zu einer bekannten Person gespeichert werden, damit gelten die üblichen Fristen zur Löschung. Möglich sind sie aber auch als Speicherung einer unbekannten Person zur Fahndung. Was das für die Löschfristen bedeutet weiß ich nicht.

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