130 Technologieunternehmen aus ganz Europa gegen Urheberrechtsreform

Die Urheberrechtsreform gefährdet europäische Digitalunternehmen. Mehr als 100 Firmen kritisieren in einem offenen Brief vor allem Uploadfilter und Leistungsschutzrecht. Sie fordern die Europaabgeordneten auf, gegen die Richtlinie stimmen.

Die Urheberrechtsreform macht kleine Firmen kaputt. (Symbolbild) – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Simson Petrol

130 Unternehmen aus 16 europäischen Ländern sprechen sich in einem offenen Brief gegen die Artikel 11 und 13 der EU-Urheberrechtsreform aus. Darunter sind Technologiefirmen wie Nextcloud.com, der Messenger Wire oder der schwedische Hoster Bahnhof. Sie kritisieren, dass die EU-Urheberrechtsreform in der vorliegenden Form der europäischen Wirtschaft und Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Internetriesen wie Google schade.

Die Unternehmen unterstützen das Ziel der Reform, die Rechte der Urheber und Verleger zu schützen. Doch die jetzigen Vorschläge sind nicht nur unangemessen, sie würden auch nicht zu einem Ausgleich zwischen den Urhebern und allen anderen Teilen der Gesellschaft führen.

Speziell der Artikel 13 sei ein gefährliches Experiment an den Fundamenten des Internet-Ökosystems. Wenn Unternehmen direkt für die Inhalte ihrer Nutzer verantwortlich seien, müssten sie milliardenfach rechtliche Entscheidungen über die Legalität von Inhalten treffen. Darüber hinaus hätten die Unternehmen weder die Fähigkeiten noch seien sie in der Lage, automatische Filter zu implementieren.

Kritik gibt es auch an Artikel 11. Das Leistungsschutzrecht sei ein komplett neues Recht für Verleger. Die bisherigen Erfahrungen in Deutschland und Spanien nähren Zweifel am Erfolg, während die negativen Effekte schon heute klar seien. Auch hier würden Hürden gegen die Gründung neuer wirtschaftlicher Projekte geschaffen: „Europa verspielt die Chance, eine tragende Rolle auf der Weltbühne zu spielen“ heißt es weiter im offenen Brief.

„Reform stärkt große US-Firmen“

Die Unternehmen sind der Ansicht, dass die EU mit der Reform nicht das Ziel erreicht, die Macht der großen US-Firmen wie Google und Facebook zu begrenzen. Die vorgeschlagene Richtlinie habe den gegenteiligen Effekt. So hätten nur die großen Konzerne die Ressourcen, die geforderten Filtertechnologien zu bauen. Europäische Firmen wären nicht nur gezwungen, diese Technologien bei diesen Firmen zu kaufen, sondern würden dann auch noch die Daten ihrer Nutzer übergeben müssen, was nicht nur die Unabhängigkeit der europäischen Unternehmen, sondern auch die Privatsphäre ihrer Nutzer gefährde.

Die Nachteile der Reform beträfen insbesondere kleine und mittlere Unternehmen. Die Unterzeichner des Briefs befürchten, dass die Urheberrechtsreform dazu führt, dass in Europa weniger Unternehmen gegründet werden und dass existierende Firmen sich mit ihren Firmenzentralen außerhalb Europas ansiedeln werden. Wer von den Abgeordneten für Start-Ups sei, der müsse gegen Artikel 11 und 13 stimmen.

Protest-Höhepunkt am Wochenende

Die Proteste gegen die EU-Urheberrechtsreform steuern nun auf ihren Höhepunkt zu. Schon am Donnerstag ist in Berlin eine neue Demonstration für 9:30 Uhr angemeldet. Dann wird im Europäischen Haus, auf dem Prachtboulevard Unter den Linden, der Hauptverantwortliche für die Reform, Axel Voss von der CDU, erwartet. Er will zusammen mit der grünen Befürworterin Helga Trüpel sowie mit den Gegnern Julia Reda (Piraten/Grüne Fraktion) und Tiemo Wölken von der SPD eine Pressekonferenz geben. Diese Veranstaltung wird vermutlich von lautstarken Protesten begleitet werden.

Am Samstag, den 23. März wird es in ganz Europa Demonstrationen gegen die EU-Urheberrechtsreform geben. Allein in Deutschland sind mehr als 30 Demonstrationen angekündigt. Auch in Lissabon, Prag, Warschau, Wien, Zürich und weiteren europäischen Städten werden Menschen auf die Straße gehen. Die Abstimmung im EU-Parlament ist in der Woche ab dem 25. März angesetzt.

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2 Ergänzungen

  1. Behauptet wird, und die Absicht ist anscheinend, dass es gegen die Großen geht, wie Google etc.
    Die Definitionen sind aber so schwammig, dass es vor Allem auch gegen die Kleinen geht und gegen Urheber zu gehen scheint, die gar keine Vergütung wollen. Plötzlich hängen alle Urheber mit drin.
    Völlig legitim ist es, dass die Urheber geschützt werden und ihr Geld bekommen sollen, die davon leben oder Einkommen erzielen wollen.
    Es betrifft aber bei den vorhandenen Formulierungen auch all die Urheber, die ihr Wissen und ihre Kunst unentgeltlich zur Verfügung stellen. Nur die Wikipedia ist ausgenommen. Es sollten aber auch alle anderen derartigen Foren, Blogs und Veröffentlichungsmöglichkeiten ausgenommen sein.
    Ich bin Urheber zahlreicher frei verfügbarer Texte und Bilder und einiger weniger Musikstücke. Warum sollen die nun weggefiltert werden können?
    Urheber, die ihre Werke nicht verbreitet haben wollen – die sollen ihre Werke auch nicht verbreitet bekommen.
    Nichts steht in der Reform, dass die Werke von Urhebern gegen Verlust geschützt werden. Ich denke, der Urheberschutz sollte auch umfassen, dass Werke nicht massenhaft einfach so gelöscht werden.

    Zusammenfassung:
    1. Es muss genauer erklärt werden, wer gemeint ist.
    2. Der Schutz freier Informationen muss verbessert werden.
    3. Das Zitatrecht muss gewährleistet bleiben.
    4. Man muss in der Lage sein, seine Werke wie in der Wikipedia überall frei zugänglich machen zu können, ohne dass sie gefiltert werden.
    5. Das Urheberrecht sollte in erster Linie den Urheber schützen. Auch wenn er kein Geld verdient.
    Freie Informationen dürfen nicht über die Hintertür plötzlich pauschal kostenpflichtig werden.

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