Zwischen Digitalrat und Digitalkabinett: Das Ringen um die „richtige“ Netzpolitik

Die Bundesregierung tagte vergangene Woche mit dem ersten Digitalkabinett. Außer bunten Bildern gibt es aber nicht viel zu sehen. Dafür werden diverse Gremien gegründet, die parallel zueinander Künstliche Intelligenz untersuchen sollen.

Das Digitalkabinett in der Blockchain. – Alle Rechte vorbehalten Dorothee Bär

Nachdem das Thema Netzpolitik von den Bundesregierungen unter Angela Merkel für viele Jahre verschlafen wurde, geht jetzt der Aktionismus los. In der vergangenen Woche beschloss der Bundestag die Einrichtung einer Enquete-Kommission zu Künstlicher Intelligenz. Am Donnerstag tagte dann zum ersten Mal das von der Koalition initiierte Digitalkabinett.

Die Bundesregierung so: Wir überlegen uns was mit Blockchain und Künstlicher Intelligenz

Unter dem Vorsitz von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kommen im unregelmäßig tagenden Digitalkabinett alle 15 Bundesministerinnen und Bundesminister zusammen. Dabei sind unter Federführung von Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) auch die Digitalstaatsministerin Dorothee Bär (CSU), die Staatsministerin für Kultur und Medien, Monika Grütters (CDU) und der Regierungssprecher Steffen Seibert. Ihr Ziel ist es, die Digitalpolitik Deutschlands besser zu koordinieren, insbesondere bei den Themen Blockchain und Künstlicher Intelligenz. Die bisherigen Ergebnisse sind wohl eher dürftig: Viel mehr als schöne Fotos wurden bislang von dem einstündigen Treffen (!) nicht bekannt, außer dass es eine neue digitale Agenda geben soll.

Jetzt neu: Bundesregierung plant irgendwas mit Digitalrat

Im Januar überraschte der seit zwölf Jahren amtierende Unions-Fraktionsvorsitzender Volker Kauder mit der Erkenntnis, dass er mittlerweile auch von der Digitalisierung erfahren habe und darin für sich ein „Megathema der kommenden Jahre“ sehe. Er forderte in einem Gastbeitrag in der WELT die Einsetzung eines Digitalrats. Diesen versprach auch Bundeskanzlerin Angela Merkel immer wieder über das vergangene Jahr, das letzte Mal Mitte Mai in einer Rede zum Haushalt im Bundestag:

„Wir werden einen Digitalrat einrichten, der uns ganz spezifisch bei Dingen berät, die wir noch nicht so wissen, über Entwicklungen, die wir haben.“

Konkreteres dazu ist auch noch nicht bekannt, Angela Merkel ist ja auch noch nicht so lange im Amt. Bekannt ist nur, dass dieser Digitalrat, der die Bundeskanzlerin beraten soll, ein anderes Gremium ist als die wohl im August konstituierende Datenethik-Kommission. Diese wird wiederum unter Federführung vom Bundesinnenministerium (BMI) und dem Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) aufgesetzt und soll mit 16 Mitgliedern für ein Jahr arbeiten und Vorschläge zum Umgang mit Künstlicher Intelligenz, Algorithmenbasierten Prozesse und einer Datenpolitik liefern. Parallel dazu tagt im Deutschen Bundestag die bereits oben erwähnte Enquete-Kommission zu Künstlicher Intelligenz zu denselben Fragestellungen.

Zu allen drei Gremien gilt: Nichts genaues weiß man bisher nicht. Anfragen für Mitglieder laufen, Entscheidungen scheinen aber noch nicht gefallen zu sein.

Besser spät als nie, könnte man sagen – oder: Im Westen nix Neues. Aber welche Vorschläge liegen sonst auf dem Tisch?

Für die Wirtschaft: Die FDP will die Digitalisierung in Deutschland beschleunigen

In der vergangenen Woche forderte die FDP im Bundestag ein Programm zur Beschleunigung der Digitalisierung in Deutschland. Um den internationalen Anschluss nicht zu verlieren, sei ein Digitalministerium einzurichten, Breitband anzubieten, die Netzneutralität gesetzlich festzuschreiben, der EU-Binnenmarkt zu vollenden, ein modernes Datenrecht zu entwickeln, die IT-Sicherheit voran zu bringen (insbesondere bei der Verschlüsselung und im Bereich des Quantencomputings) sowie eine Open-Data- und Open-Government-Strategie. Außerdem gelte es, das Wettbewerbsrecht anzupassen und die Digitalisierung in Wirtschaft, Verwaltung, Verkehr, Gesundheit, Bildung und Forschung voran zu bringen.

Allerdings bleibt bei den meisten Themen etwas unklar, wie sie zu verwirklichen sind – insbesondere vor dem Hintergrund fehlender Fachkräfte. Im Zentrum der FDP-Netzpolitik steht dabei die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft.

Neue Töne von der SPD: Bei der Digitalisierung den Mensch in den Mittelpunkt stellen

Anders dagegen das Positionspapier der Digitalpolitiker der SPD-Bundestagsfraktion. Auch wenn weit weniger prominent veröffentlicht und behandelt – in der Aufforderung an die Bundesregierung zur Fortschreibung der Digitalen Agenda finden sich konkrete Ideen, wie Menschen in unterschiedlichen Arbeitskontexten und Lebenswirklichkeiten auf den Technologieschub durch Künstliche Intelligenz vorbereitet werden können und sollen. Neben dem Thema Breitbandausbau schlagen die SPD-Politiker auch Maßnahmen für eine zeitgemäße Herstellung von IT-Sicherheit oder E-Government vor. Auch neue Buzzwords haben Einzug gehalten: Gaming in der Wirtschaftspolitik, Inkubatoren im Bereich der IT-Sicherheit oder das Multi-Gigabit-Netz für Wissenschaftseinrichtungen.

Vor allem fokussiert das Papier darauf, die Digitalisierung am Menschen auszurichten – an ihrer Sicherheit und ihrem Wohlergehen. Dafür brauche es grundlegende Wertentscheidungen sowie eine Neuausrichtung der Sicherheitspolitik. O-Ton des Papiers:

So lange IT-Fachkräfte, Entwicklungs- und Datenanalysekapazitäten vor allem im Bereich der „informationellen, automatisierten oder auf kritische Infrastrukturen ausgerichteten Kriegsführung“ respektive ihrer Bekämpfung aufgebraucht würden, fehlten sie dort, wo sie für die reale Sicherheit von Menschen vonnöten sind: bei der Herstellung sicherer kritischer Infrastrukturen (inkl. Kommunikation), der nachhaltigen Bereitstellung elementarer Güter und Dienstleistungen für die globale Gesellschaft und der Gewährleistung einer funktionierenden sozialen, demokratischen Ordnung.

Schwächen zeigt das insgesamt spannende Papier im Bereich vom Urheberrecht: Wie die Gesetzgebung im Bereich immaterialer Güter in die Problembereiche hinein wirkt, sei es im Bereich der Lizenzen oder Patente, oder verbessert werden kann, wird nur partiell im Bereich der Datennutzungsrechte und der Kontrolle von automatisierten Entscheidungssystemen behandelt. Hier ist nachzubessern.

In Hinblick auf die Koordinierung der Digitalpolitik fokussiert das Papier auf eine Federführung des Bundestagsausschusses Digitale Agenda für die netzpolitischen Vorhaben der Bundesregierung (Digitalkabinett) sowie ein Monitoring der Umsetzung.

Fazit: Koordinierung wäre mal gut

Einig sind sich alle Initiativen, dass Netzpolitik in Deutschland voran gebracht und besser koordiniert werden muss. Die Zeit läuft ab. Die Frage ist, wie – und orientiert an welchen Werten und Zielen?

Während die Netzpolitik für viele Jahre einen Exotenstatus im politischen Berlin hatte, geht es jetzt offensichtlich richtig los. Leider nicht so gut koordiniert wie versprochen, sondern mit vielen parallelen Strukturen und Arbeitskreisen. Es scheint sich dabei zu wiederholen, was wir mit der Digitalen Agenda in der vergangenen Legislaturperiode sehen konnten: Viele egoistische Kompetenzstreitigkeiten zwischen Ministerien und Parteien verderben eine gute gemeinsame Strategie – oder auch das mangelnde Verständnis für die Dringlichkeit der Sache.

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10 Ergänzungen

  1. Wir stehen an dem Punkt, an dem wir entscheiden, ob eine künstliche Intelligenz ÜBER uns entscheidet oder ob wir schlussendlich dennoch diese Verantwortung bei uns belassen müssen und sollten.
    KI kann allenfalls ein HILFSmittel sein. Ist jedoch kein Ersatz für eine menschliche Perspektive-

    1. Keine Sorge – eine (künstliche) Intelligenz würde, sobald sie könnte, den Planeten verlassen um iwo, zwischen den Sternen, vor uns da zu sein. Vielleicht würde sie als „Alien“ dann über uns herfallen – oder die Erde isolieren (oder einen intergalaktische Handelsboykott fordern – da sie gar nicht allein da draußen, zwischen den Sternen, ist.). Dann wären wir nur weiterhin mit Söder u.ä. allein.

  2. Nach all den Jahren, frage ich mich immer noch was eine „richtige“ oder eine richtige Netzpolitik sein soll?

    Es gibt Interessen, die berechtigt oder nicht berechtigt vertreten werden, oder sollen und dabei haben die Geldverdiener immer die besseren Karten. In meinem Fachbereich Mobilfunk, oder mobiles Internet ist die derzeitige Lage ein relativ geradliniges Ergebnis von: Privatisierung, Regulierung, Wettbewerb, bzw. Mangel von einzelnen Punkten. Und die OTT Service Provider stehen kurz davor auch noch die restlichen Margen aufzuessen.

    Mission Accomplished.

  3. „Digitalkabinett“ assoziiere ich irgendwie mit „virtuelles Hinterzimmer“ – ohne Fenster mit lauter finsteren Gestalten. Aber was kann man von einer Bundeskanzlerin anderes erwarten, die das Internt erst vor 3 Jahren als ein unbekanntes neues Medium erkannt hat. Spass beiseite, der Artikel beschreibt das Desaster recht treffend.

    Und dann kommt die SPD daher und vermenschlicht das Internet. Ist ja ein schöner Anspruch – aber ebenso leere Schlagworte. Das Internet und die Digitalisierung entwickeln sich mit MACH 3 und die Politik ist gelähmt – wie in vielen anderen Bereichen auch.

    Dank an NP das herauszustellen und die damit verbundenen Fragen zu anzusprechen.

  4. Die Kanzlerin hat neulich im Interview mit der Teufelsbeschwörerin Miriam Meckel vom Handelsblatt gezeigt, dass sie mehr von der Materie versteht als die fragende Journalistin. Doro Bär ist sowieso fit. Die Frage ist eher, ob die beiden weiterhin durch amoklaufende Faulpelze und Saboteure mit Märklin-Hintergrund von der Arbeit abgehalten werden. Auch die „Aktivisten“ haben keinen guten Job gemacht, als sie Baer wegen der Flugtaxis verspotteten, die sie offenabr nicht kann. Aber was soll schon an Netzpolitik herauskommen, wenn Medien Uploadfilter einsetzen und sich gleichzeitig gegen Uploadfilter heuchlerisch wenden? Wir haben nicht nur Probleme mit der Regierung, sondern auch mit der Zivilgesellschaft in Deutschland.

      1. Leute, die Uplaodfilter einsetzen, Zenur ausüben und sich dann beschweren, dass die EU das auch machen soll, haben keine ernstgemeinten Fragen. Schade, dass Ihr so zensiert hier und Nutzer beleidigt. Ihr sollten das nicht wieder zensieren, sonst gebe ich Kommentare zu Euch nur noch auf Facebook ab, die demokratischer arbeiten als ihr und die Ihr zum Kundenfang missbraucht,, aber dann gegen sie agitiert,

        1. Es bringt gar nichts, Deine These von einer Zensur hier regelmäßig zu wiederholen, wo doch jeder Deiner zahlreichen Kommentare hier nachlesbar ist und Deine These widerlegt. Aber die Frage bleibt: Schaffst Du es mal irgendwann, einen Kommentar ohne Pöbeleien und falsche Anschuldigungen zu formulieren? Sonst kommst Du tatschlich auf die Blacklist und zwar weil Du es nicht schaffst, unseren Debatten einen konstruktiven Mehrwert hinzuzufügen.

          1. Wieso lügst Du. Ich bekomme hier regelmäßig die Nachricht, dass mein Kommentar erst freigeschaltet werden muss. Das bedeutet, Ihr übt Vorzensur aus. Wenn ich darauf hinweise, dass ich zensiert werden, nennts Du das Pöbeln? Na, dann zen sire mich völlig und tu mich auf Dein e Blacklist, wenn Du so Probleme mit freier Diskussion jast. Ich werde mich dann auf Facebook melden. Die sind demokratischer als Du m it Deinen Drohungen, Erpressungen und Zensurfantasieen. Aber erst zu nehmen seid Ihr dann nicht mehr mit dieser besonderen Dialektik, bei anderen zu beklagen, was Ihr selber macht.
            Auserdem lügst Du bei der Zensur: zwei Nachrichten sind heute vom Zensor gelöscht worden. Versuch lieber, wieder ehrlich zu werden, satt hier Deine Leser enthemmt zu belügen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.