Wie „DIE ZEIT“ Firmenbotschaften ins Klassenzimmer bringt

Schulunterricht: Mit freundlicher Unterstützung von Google und Facebook. CC-BY-NC-SA 4.0 Montage durch uns. Tafelfoto von stux

Als Richard Gutjahr von einer ZEIT-Tochterfirma gefragt wurde, ob einer seiner Artikel über Hatespeech für Schulmaterial verwertet werden darf, machte ihn ein Detail stutzig: Neben seinem Text sollte das Logo eines großen Rechtsschutzversicherers platziert werden. Der Journalist schaute sich die Broschüre „Medienkunde 2018/2019“ und die dazugehörige Internetseite etwas genauer an. Werbung im Klassenzimmer? In einem Blogeintrag beleuchtet er das trickreiche Konzept von „ZEIT für die Schule“ und dem dort bereitgestellten Unterrichtsmaterial.

Tipps für Schüler*innen über den sicheren Umgang mit Smartphones und Tablets – geschrieben von Google? Tatsächlich. In einer geschickt getarnten „Anzeigenveröffentlichung“ auf der Webseite hebt der US-Konzern hervor, wie „zum Beispiel“ Google-Projekte bei der Medienerziehung helfen können. Ein „Positiv­beispiel für eine besonders gelungene Integration digitaler Medien“ ist laut des Google-Artikels dann der YouTube-Kanal einer Schule. Die Arbeitsblätter zu Fake-News werden „in Zusammenarbeit“ mit Facebook präsentiert. Die Telekom-Stiftung darf ihr Logo über eine Pro- und Kontra-Liste des Smartphone-Einsatzes im Unterricht setzen.

Auf Nachfrage teilt DIE ZEIT Gutjahr mit, die Expertise der Kooperationspartner käme dem Projekt zu Gute und die inhaltliche Hoheit liege ausschließlich bei ZEIT für die Schule. Doch:

Das ist natürlich nur die halbe Wahrheit. Denn auf der Webseite ZEIT für Schule, also jener Anlaufstelle, auf der man sich die ZEIT-Broschüren und -Arbeitsblätter herunterladen soll, stehen die erwähnten ZEIT-Artikel Seite an Seite mit gefärbten PR-Texten der Sponsoren. […] So gesehen lautet die vielleicht wichtigste Lektion, die Kinder und Jugendliche im Zusammenhang mit Gratis-Angeboten lernen sollten – egal ob sie von Google, Facebook oder DIE ZEIT stammen: There is no such thing as a free lunch.

Wer an Schulen wirbt, verfolgt damit klar kalkulierte, kommerzielle Absichten. Sei es direkt durch Verkaufsangebote (wie bei den Schnupper-Abo-Angeboten der ZEIT) oder indirekt durch langfristigen Image-Gewinn bei Kindern, Eltern oder Lehrern.

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5 Ergänzungen

  1. Auf der anderen Seite haben wir dann die Besuche der Bundeswehr, die Inhalte des offiziellen Lehrplans (die natürlich auch halbwegs willkürlich festgelegt wurden) und die eigene Meinung der Lehrer (wobei man alles vom Nazi bis zu Liberalen dabei hat). Das Wichtigste heutzutage wäre, kritisches Denken recht bald und sehr effektiv zu vermitteln, sodass Kinder- und Jugendliche sich gegen Einflüsse wehren können und was Digitaltechnik angeht natürlich die wichtigsten Grundlagen (das ist heute eigentlich so wichtig wie das Wissen über die Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln oder die Bearbeitung einer Steuererklärung).

  2. Naja, WErbung in der Schule, ist das schlimm? Können Kinder und Jugendliche nicht damit umgehen? Dann hätte das weitreichende Folgen, über die Schule hinaus.

    Andererseits: Die ZEIT hat ja durchaus auch eine tendenziöse Richtung. Können Schüler damit besser umgehen als mit WErbung? Werbung ist ja als solche erkennbar, bei einseitigen Presseerzeugnissen ist die Einseitigkeit eher weniger offensichtlich. Müssen wir deshalb Zeitungen an Schulen verbieten?

    1. Wäre es nicht ganz nett, wenn wir uns noch ein paar Nischen bewahren würden, die nicht komplett durchkommerzialisiert sind, in denen es nicht primär ums Geldmachen geht? (Ich weiß, ich weiß, solche Gedanken sind für die Marktreligiösen pure Ketzerei …)

    2. Allgemein zu „Werbung ist ja als solche erkennbar“: Gerade Kinder müssen oft erst lernen Werbung und ihre Intention zu verstehen. So haben sie z.B. Schwierigkeiten als redaktioneller Inhalt getarnte Anzeigen zu erkennen. (siehe Studie in D, Zusammenfassung hier, Studie in den USA)

      Wenn jetzt Unternehmen geschickt ihr Produkt auf Arbeitsblättern platzieren und somit beispielsweise suggerieren ihr gesüßtes Fruchtsaftgetränk sei ähnlich gesund/oft zu konsumieren wie Wasser, finde ich das schon problematisch.

      Bezogen auf den in der Linkschleuder beschrieben Fall: Auf „Zeit für die Schule“ stehen Arbeitsblätter mit Kooperationspartnern und reine „Anzeigenveröffentlichung“ Seite an Seite. Gerade hier bezweifel ich, dass allen Lesenden die Anzeige als solche auffällt.

      „Müssen wir deshalb Zeitungen an Schulen verbieten“: Idealerweise findet eine Quellenkritik natürlich auch beim Lesen von Zeitungsartikeln – wie bei jeder verwendeten Quelle – statt. Wobei ich Werbung vs. Zeitung hier so nicht trennen würde. Sicher wird eine Zeitung nicht ganz uneigennützig Arbeitsblätter entwerfen. Auch sie freut sich über eine Etablierung ihrer Marke. Zeitungen in Schulen ≠ Von Zeitungsverlagen entworfene Arbeitsblätter

      Weiterführende Leseempfehlung zur Thematik: Die Broschüre Lobbyismus an Schulen von Lobbycontrol.

  3. Einverstanden, was Werbung anbelangt.
    Aber was tendenziöse Zeitungen anbelangt, haben Sie das Stchwort geschickt umschifft.

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