Weltwirtschaftsforum: Künstliche Intelligenz ist zu männlich

Im Team Künstliche Intelligenz spielen derzeit wenige Frauen. – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Quino Al

Das Weltwirtschaftsforum (WEF) hat seine jährliche Studie zum weltweiten Stand der Gleichberechtigung veröffentlicht. Neben den üblichen vier Kategorien, die der Bericht vergleicht – ökonomische Teilhabe, Bildung, Gesundheit und politische Ermächtigung -, lag der Fokus diesmal auf dem Hype-Thema Künstliche Intelligenz oder genauer der Frage: Wie viele Frauen und wie viele Männer arbeiten in diesem Bereich? Andere Geschlechter kennt der Index nicht.

Das WEF hat dazu mit dem Berufsnetzwerk LinkedIn zusammengearbeitet und die dort online gestellten Berufsprofile ausgewertet. Als Frauen wurden dabei Profile mit einem weiblich konnotierten Vornamen gewertet, geschlechtsneutrale Namen wurden nicht in die Rechnung mit einbezogen. Das Ergebnis:

Wir machen eine signifikante Geschlechterkluft unter KI-Fachkräften aus. Nur 22 Prozent der KI-Fachkräfte weltweit sind weiblich, verglichen mit 78 Prozent Männern. Das lässt eine Geschlechterkluft von 72 Prozent offen, die geschlossen werden muss. […] Die drei Länder mit dem höchsten Anteil von KI-Talent sind die Vereinigten Staaten, dicht gefolgt von Indien und Deutschland. Zugleich ist Deutschland unter den Ländern mit der weitesten KI-Geschlechterkluft. […] In Deutschland sind lediglich 16 Prozent des KI-Talentpools weiblich.

Das lässt zwei Erklärungen zu: Entweder geben Frauen, die in Deutschland im Bereich Maschinelles Lernen, Deep Learning oder mit anderen Formen von Künstlicher Intelligenz arbeiten, diese Fähigkeiten nicht auf LinkedIn an. Oder aber die Kluft ist in Deutschland tatsächlich wesentlich weiter als im weltweiten Durchschnitt, obwohl hier vergleichsweise viele Menschen über das Wissen und die Ausbildung verfügen.

Nun könnte man sagen: Ist doch schnurz, was Frauen mit ihrer Zeit, Intelligenz und ihren generellen Fähigkeiten anfangen. Gibt ja noch viele andere schöne, wichtige und gesellschaftlich gewinnbringende Berufe. Sollen Männer doch vorwiegend für maschinelles Lernen zuständig sein. Allerdings, darauf weist der Bericht hin, würden damit in einem zukunftsweisenden Bereich auf Dauer wichtige Perspektiven fehlen.

„Die Vielfalt – dazu zählt auch die Geschlechtervielfalt – der Perspektiven von Innovator*innen ist vital, damit die durch KI geschaffenen ökonomischen Chancen die derzeitigen Geschlechterungleichheiten nicht verstärken und damit neue KI-Systeme den Bedürfnissen der gesamten Gesellschaft dienen.“ Auf Dauer werde die Kluft dazu führen, dass in einem Bereich, in dem es ohnehin schon an qualifizierten Menschen fehlt, Möglichkeiten ungenutzt bleiben werden.

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12 Ergänzungen

  1. „Andere Geschlechter kennt der Index nicht.“

    Das liegt daran, dass sich andere Geschlechter nicht aus einem Vornamen ableiten lassen. Selbst wenn dem so wäre: Aufgrund des Anteils der Dritten an der Gesamtgesellschaft, wäre deren Anteil 0.

    Zitate zu übersetzen, dann die persönlichen Genderkennzeichnungsvorlieben einzubauen und das ganze dann unkommentiert als Zitat auszuzeichen – das hat was.

    1. Danke, das finde ich auch. Da zum Beispiel „innovator“ im Englischen sowohl männliche als auch weibliche Personen bezeichnet, wäre es eher irreführend, in der Übersetzung das generische Maskulinum zu nutzen.

      „Andere Geschlechter kennt der Index nicht.“: Das liegt nicht daran, dass sich andere Geschlechter nicht aus Vornamen auf LinkedIn ableiten ließen, sondern dass der gesamte Bericht auf Daten basiert, die nur die beiden Kategorien männlich oder weiblich kennen. Die wenigsten Länder führen ja überhaupt „drittes“, „divers“ oder was auch immer als Option der Geschlechtseintragung. Das könnte der Bericht aber benennen.

      1. > Kategorien männlich oder weiblich kennen.

        Es sind eben die einzigen Kategorien, die wir kennen weil es die einzigen Kategorien sind, die es tatsächlich gibt. Alles andere ist nämlich ausgemachter Schwachsinn.

  2. > Nur 22 Prozent der KI-Fachkräfte weltweit sind weiblich, verglichen mit
    > 78 Prozent Männern. Das lässt eine Geschlechterkluft von 72 Prozent offen
    Hier steige ich aus. Da bleiben also 100-72-22=6% unzugeordnet. Ok, vermutlich uneindeutige Namen. Der Unterschied zwischen Männlein und Weiblein ist 78-22=56%-Punkte. Woher kommt aber die genannte 72?

    Moment…

    Bezogen auf die 78%-Punkte Männeranteil wären die 56%-Punkte Unterschied 71,79%. Wow, das ist mal Jonglieren mit Statistik :)

    1. Ach, es ist noch einfacher!

      Wäre die „KI“ „weiblich“, könnte man dieser „KI“ die Schuld an allem geben, z.B. an Fahr- oder anderer Verhaltensweisen!
      Doch „KI“ soll ein globaler Erfolg werden, deshalb kann und darf eine „KI“ nicht „weiblich“ sein!

      Apropos Statistik, wo sind die Zeiten hin, als 20% der Autofahrer*innen 80% der Bagatellschäden verursacht wurden?

        1. Das „wir“ alle chauvinistisch Veranlagt sind!
          „Wir“ geben lieber den „Anderen“ die „Schuld“, als die Ursachen für z.B. „Fehler/Fehlverhalten“ bei uns selbst zu suchen.

          In Anlehnung zu meinem Beispiel, würden die männlichen Vertreter, ihre Frauen das Fahrzeug öfter zur „Verfügung“ zu stellen, so würde sich die Fahrpraxis verbessern und dadurch die Menge der Bagatellunfälle verringern!

          Solches Verhalten habe ich schon Live an einer Tanke erlebt, wo ein „Herrlicher“ seine Frau „Rund“ machte, da sie mit der Falsche Seite des Fahrzeugs (Tankdeckel nicht auf der Seite der Zapfsäule) an die Zapfsäule fuhr!

          Wir haben ihm dann mal erklärt, das würde er sie öfter mal fahren lassen, sie dann schon aus Gewohnheit (ohne Nachdenken quasi) mit der richtigen Seite an die Säule fahren würde!

          In Sachen KI wäre es dann ähnlich!
          Frauen Denken anders, machen andere Fehler als wir.
          Sie gehen anders vor als wir, aber in den Grundroutinen könnten wir (männlich&weiblich) einen gemeinsamen Nenner finden, so Mann es so möchte!
          Leider ist unter den weiblichen Vertretern das chauvinistische Verhalten manifestierter, so das sie zumeist eigene Fehler auf ihre Kollegen*innen abwälzen, so wie sie es in ihrer Schulclique gelernt haben!
          Das ist zwar Hart, aber eine leidige Erfahrung, die ich schon „genießen“ durfte!
          Es gibt auch löbliche Ausnahmen, mit denen man gern auf Augenhöhe zusammenarbeitet!

  3. Das ist ja mal ne aussagekräftige Datenbasis. Ein ganzes Portal.

    Wie eindeutig können Vornamen das Geschlecht bestimmen? Wie werden Andrea oder Chris eingeordnet?

    Gibt es eine Erhebung, wie viele der mit KI Befassten sich dort tummeln? Sind die KI-Mädels womöglich so schlau, daß sie auf diese Plattform nicht angewiesen sind?

    Angeblich ist China in KI derzeit ganz groß. Davon seh ich hier nix.

    Gibt es Erhebungen, inwieweit sich das Geschlecht auf die Fähigkeiten für KI-Krempel auswirkt?

    Ich als Mädchen würde mich auch lieber mit echter Intellenz befassen. :-)

    Disclaimer Ich habe einem Handwerksberuf gelernt, der eher geschlechtsneutral ist. Da zählt nicht Quote, sondern Können und ich wüsste auch nicht, daß sich da jemand nen Kopf um den Proporz machen würde.
    Selbständig in dem Beruf machen sich allerdings deutlich mehr männliche Menschen.
    Den Grund dafür kenn ich nicht und ich wär mir nicht sicher, ob ein feministischer Aktivismus daran etwas ändern könnte und ob sich die so beglückten weiblichen Menschen darüber besonders freuen würden.

  4. Schade, dass der Bericht nicht die zu Grunde liegende Ausbildungen mitberichtet. Bei zu wenig Frauen in IT-Studiengängen wird es auch kaum mehr „KI“-Personen geben.
    Machine Learning wäre korrekter, obgleich „Learning“ da auch wieder etwas falsch ist.

    Probleme nicht von der Wurzel her zu berichten ist da wenig sinnvoll. Und die Wurzel liegt neben biologischen Faktoren (und daher anderer Verhaltensstrategie mit besseren Konzepten) auf einer vermehrten Konflikt- und Durchsetzungsfähigkeit.
    Wer in der Schule auf „artig und brav sein“ als Mädchen konditioniert wird und eher alles hinterhergetragen bekommt, der wird sich im Leben da auch nicht groß ändern.
    [Von der häufigen gesellschaftlichen Verlachung für Mathe mal abgesehen]

    Ich finde es mehr als bedauerlich, dass die „sogenannten Feministen*Innen“ sich ihre abhängigen Lämmer selber großziehen, statt diese ökonomisch zu emanzipieren durch entsprechende Erziehung.

    1. Äh, eine der vier untersuchten Kategorien ist „Bildung“. Und das Weltwirtschaftsforum als „sogenannte Feministen*Innen“ zu bezeichnen ist … erheiternd.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.