Returning from Germany: 500.000 Euro für Plakat-Kampagne des Innenministeriums eingeplant

„Dein Land. Deine Zukunft. Jetzt!“ Mit diesem Spruch will das Innenministerium derzeit ausreisepflichtige Asylbewerber*innen zur freiwilligen Rückkehr in ihre Heimatländer bewegen. Rund 300.000 Euro hat die Plakataktion bisher gekostet – und trotzdem rechnet sie sich am Ende für die Regierung.

Die Rückkehr des Odysseus, gemalt von Romare Howard Bearden
Die Rückkehr des Odysseus, gemalt von Romare Howard Bearden – CC0 Romare Howard Bearden

„Dein Land. Deine Zukunft. Jetzt!“ Mit diesem Slogan wirbt das Innenministerium derzeit großflächig auf Plakatwänden in ganz Deutschland. Und mit „dein Land“ ist hier keineswegs Deutschland gemeint. Die Kampagne richtet sich an ausreisepflichtige Asylbewerber*innen. Entsprechend stehen die relevanten Informationen mal auf Deutsch, mal auf Englisch, Französisch, Arabisch, Russisch, Paschtu oder Farsi auf den Plakaten. „Freiwillige Rückkehr: Bis zum 31.12.2018 bis zu zwölf Monate zusätzlich Wohnkosten sichern.“ Daneben schlängelt sich ein Zug aus Flaggen der gemeinten Nationen: Afghanistan, Ägypten, Indien, Russland, dem Libanon, der Türkei oder Eritrea.

Die Plakataktion sorgt für Irritation und Wut, auf Facebook und Twitter, aber auch auf den Straßen. In Berlin-Neukölln wurden die Plakate mit Farbbeuteln beworfen. Besonders in Deutschland lebende Menschen, die aus den genannten Ländern stammen, sind wütend und brüskiert.

So genannte Unterstützungsprogramme für freiwillige Rückkehrer*innen gibt es in Deutschland schon seit Ende der siebziger Jahre. Auch das auf den Plakaten beworbene Programm „Starthilfe Plus“ wurde bereits im Februar 2017 eingeführt. Bis zu 1.200 Euro bekommt seither, wer schon während des laufenden Asylverfahrens freiwillig in sein Herkunftsland ausreist. Neu ist allerdings der auf den Plakaten beworbene Zuschuss für die Wohnkosten, der im Schlussverkaufsduktus beworben wird: Von Mitte September bis Ende Dezember legt das Innenministerium noch mal 1.000 Euro für die Miete drauf.

500.000 Euro für die freiwillige Ausreise

Bekannt sind jetzt die Kosten der Kampagne: 301.000 Euro hat das Innenministerium bis Ende November ausgegeben. Bis Ende des Jahres ist ein Budget von 500.000 Euro eingeplant. Das offenbart die Antwort der Regierung auf eine Frage der Grünen.

Die Grünen-Abgeordnete Luise Amtsberg wollte auch wissen, wie die Regierung mit der Enttäuschung der in Deutschland lebenden Migrant*innen umgeht. Die Antwort darauf beschränkt sich auf das gleiche Statement, das ein Sprecher des Innenministeriums auch bislang schon auf Anfrage von Journalist*innen gab: „Eine Schwierigkeit bei solchen Informationsangeboten besteht darin, dass die Kommunikation nur in sehr komprimierter Form erfolgen kann. Dabei kann es naturgemäß nicht ausgeschlossen werden, dass es individuell zu unterschiedlichen Bewertungen und fehlgehenden Interpretationen kommen kann.“ Die Kampagne richte sich aber nur an „ausreisepflichtige Menschen mit geringer Bleibeperspektive“, also Asylbewerber*innen, deren Antrag abgelehnt wurde oder voraussichtlich abgelehnt wird.

Freiwillige Ausreise rechnet sich – für den Staat

Viele offiziell Ausreisepflichtige dürfen sich weiterhin in Deutschland aufhalten. Rund 75 Prozent der im Ausländerzentralregister (AZR) als ausreisepflichtig geführten Menschen haben zum Beispiel eine Duldung. Sie können nicht abgeschoben werden, weil Papiere fehlen oder andere gesetzliche Schutzregeln für sie gelten.

Für die Regierung lohnt es sich finanziell, wenn Menschen freiwillig ausreisen. Auf 670 Euro im Monat schätzen Bund und Länder die Kosten für den Aufenthalt eines ausreisepflichtigen Menschen in Deutschland. Eine Abschiebung kostet im Schnitt 1.500 Euro. Die freiwillige Ausreise ist mit 700 Euro geschätzten Kosten vergleichsweise günstig. Hinzu kommen die Ersparnisse für jeden Monat weniger Unterbringung.

Kein Wunder also, dass Politiker*innen der Großen Koalition die Zahl derer, die freiwillig ausreisen, erhöhen wollen. Im Haushaltsjahr 2018 sind insgesamt 83.709.000 Euro für Programme zur Förderung der freiwilligen Ausreise eingeplant, davon eine Summe von 500.000 Euro für die Kampagne. Luise Amtsberg, Sprecherin für Flüchtlingspolitik der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, sagt dazu:

„Schlimm genug, dass die Bundesregierung knapp eine halbe Million Euro für diese peinliche Kampagne ansetzt – Geld, das so viel sinnvoller eingesetzt werden könnte und müsste. Aber das Schäbige an der ganzen Aktion ist vor allem, dass sie sich mitnichten an „ausreisepflichtige Menschen und solche mit geringer Bleibeperspektive“ richtet. Dass sich bei dem plumpen Plakat-Fahnenmeer irgendwie alle hier lebenden Migrantinnen und Migranten angesprochen und verunsichert fühlen, wird in Kauf genommen.“

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20 Ergänzungen

  1. Wenn die Asylbewerber diese Worte in deutsch nicht lesen können:
    „ausreisepflichtige Menschen und solche mit geringer Bleibeperspektive“
    dann haben sie auch kein Recht hier zu bleiben.
    Wer das lesen kann erkennt doch, das nicht alle hier lebenden Migranten gemeint sind.

    1. Das ist inhaltlich nicht richtig. Selbst nach den neuen verschärften Asylregelungen ab 2015 ist die Beherrschung der deutschen Sprache keine Voraussetzung für das Recht aus Asyl in Deutschland.

    2. Wenn Rolf Wächter lesen könnte, hätte er gelesen, dass „ausreisepflichtig“ eben NICHT bedeutet, kein Bleiberecht zu haben. Auch geduldete oder anderweitig gesetzlich geschützte Menschen fallen unter die Kategorie „ausreisepflichtig“. Nicht auszuschließen also, dass diese Menschen die deutsche Sprache besser beherrschen als Rolf Wächter.
      Außerdem sollte Herr Wächter an seinen Grammatikkenntnissen arbeiten.

    3. Ich würde meinen, daß sich die Plakate nicht an Migranten richten, sondern an den schlichteren Teil der Bevölkerung.

    4. 99% der Molukken dürften gar nicht in DE sein weil die aus sicheren Drittstaaten kommen wie EU Ländern. Zumal Asylrecht INDIVIDUALrecht ist. Es reicht nicht zu sagen man kommt aus dem und em Land – ohne es beweisen zu können – jeder Fall muss individuell geprüft werden.

  2. Und der Bezug zu Netzpolitik ist welcher?

  3. Was sagt man dazu: Unsere Bundesregierung entdeckt plötzlich den Patriotismus für sich. Da werden sich die Rechten aber freuen.

  4. Als ich die Dinger zuerst gesehen hab, musste mehrmals hingucken, um mich von der Echtheit zu überzeugen. Das sah zuerst wie eine super gemachte Satire aus und ich wollte herausfinden, von wem die ist (Titanic? ZPS? Postillon?).

  5. Bin ich die einzige, die das Plakat im Kopf automatisch in Alltagssprache übersetzt?

    „Haut ab! Weg hier! Wir werfen euch sogar Geld nach.“

    Und bin ich die einzige, die das im nächsten Schritt automatisch in ein noch kürzeres „Ausländer raus!“ übersetzt?

  6. 500.000 Euro, höchst sinnvoll investiert. Zumindest aus Sicht der ausführenden Werbeagentur und der Plakatanbieter.

  7. Ich habe eher das Gefühl, dass die Gegner dieser Kampagne Dinge überinterpretieren. Dabei ist mir noch kein einziges Argument begegnet, dass über „Jemand könnte es falsch verstehen“ hinausgeht.

    Wäre es den Kommentatoren lieber, die Bundesregierung würde jeden, der das Programm zur freiwilligen Rückkehr in Anspruch nimmt, stattdessen unter Inanspruchnahme der härtest legal möglichen Vollzugsmaßnahmen außer Landes bringen?

    Das würde selbstverständlich nochmal deutlich mehr Geld kosten, als die „Prämien“ für freiwillige Rückkehrer. Und allen hier lebenden Migranten würde das weniger unangenehme Gefühle verursachen (was weiterhin reine Mutmaßung ist), als diese Plakatkampagne? Blödsinn.

    1. Der Bezug zur Netzpolitik – abseits der hier leider öfter durchscheinenden Sympathie für linken „Aktivismus“ – ist mir im Übrigen auch nicht ersichtlich.

          1. Forscher fanden heraus, dass funktionsuntüchtige Hirnareale einem die Linkspolitik schmackhaft macht.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.