Österreichs rechte Regierung schlägt gegen die freie Presse [Update]

Das Innenministerium in Wien drängt die Polizei, den Kontakt mit „kritischen Medien“ aufs Nötigste zu beschränken. Es ist nicht die erste Attacke der mitregierenden Rechtsaußen-Partei FPÖ auf die Medien. Kanzler Sebastian Kurz lehnt sich inzwischen entspannt zurück: Sein Plan geht auf.

Sebastian Kurz
Österreichs Kanzler Sebastian Kurz liebt mediale Aufmerksamkeit. Sein Koalitionspartner FPÖ sorgt dafür, dass sie nicht negativ für ihn ausfällt. – Alle Rechte vorbehalten European Union

Österreichs rechte Regierung folgt dem Vorbild von Ungarn und Polen und setzt beharrlich kleine, aber bedeutende Schritte zur Einschränkung der unabhängigen und  kritischen Berichterstattung. Seit ihrem Amtsantritt vor zehn Monaten schüchtert die Rechtsaußen-Partei FPÖ Journalisten ein und gängelt den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Der Koalitionspartner ÖVP von Kanzler Sebastian Kurz übt sich inzwischen in Schweigen – und erntet die Früchte der autoritären Taktiken.

Für Aufregung sorgt in Wien diese Woche eine E-Mail des von FPÖ-Minister Herbert Kickl geführten Innenministeriums an die Polizeidirektionen der Bundesländer. Darin weist das Ministerium die Polizeien an, die Kommunikation mit „kritischen Medien“ auf das Nötigste zu beschränken. Explizit genannt werden die linksliberalen Medien Standard und Falter sowie das Massenblatt Kurier. Das Innenministerium gesteht die Echtheit des E-Mails ein, betont aber, es habe sich bei dem Schreiben bloß um eine „Anregung“ an die Polizeistellen gehandelt.

Nicht der erste Übergriff

Die FPÖ steht seit Jahren mit ihr kritisch gegenüberstehenden Medien auf Kriegsfuß. 2007 machten Boulevardmedien frühere Verbindungen von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache in die Neonazi-Szene bekannt. Das veranlasste Straches Pressesprecher Karl Heinz Grünsteidl zu einer legendär-skurrilen Pressemeldung, doch die Sache blieb seither für die FPÖ todernst: Journalisten sind der Gegner.

Inzwischen haben FPÖ-Politiker in Ministerämtern Platz genommen und nutzen ihre Bühne für harte Machtpolitik. Zuletzt wurde bekannt, dass Kickls Innenministerium in rechten Fake-News-Medien nach neuen Polizeischülern inseriert. Im Zuge der BVT-Affäre um eine unrechtmäßige Hausdurchsuchung beim Inlands-Nachrichtendienst drohte der Innenminister kritischen Medien sogar indirekt mit Hausdurchsuchungen. Die Chefredakteure verschiedener Medien richteten daraufhin mahnende Worte an die Regierung. Geholfen hat das offenkundig wenig.

ORF im Visier

Harte Attacken mit konkreten Auswirkungen gibt es vor allem gegen den öffentlich-rechtlichen Sender ORF. Der von der FPÖ in den Stiftungsrat des ORF nominierte Altpolitiker Norbert Steger verlautete, die Ungarn-Berichterstattung des Senders sei zu einseitig. Man werde ein Drittel der Auslandskorrespondenten des ORF streichen, „wenn diese sich nicht korrekt verhalten“.

Auf Druck der Regierung kündigte ORF-Chef Alexander Wrabetz eine neue Social-Media-Richtlinie für Redakteure an, die kritische Äußerungen über die Regierung praktisch verbietet. Gemünzt war das unter anderem auf Armin Wolf, einem bekannten Anchorman des ORF-Fernsehens, der mit seinen 400.000 Followern auf Twitter ein Stachel im Fleisch der Regierung ist. FPÖ-Chef Strache hatte Wolf zu Jahresanfang in einem Facebook-Posting unterstellt, Lügen zu verbreiten. Wolf drohte daraufhin mit Klage. Aus der Zivilgesellschaft werden Befürchtungen laut, mit diesen und anderen Schritten werde der ORF langsam in Richtung Staatsfernsehen gedrängt.

Während der Koalitionspartner FPÖ durch sein forsches Vorgehen Fakten schafft, fallen Bundeskanzler Kurz und sein Vertrauter, Medien- und Kulturminister Gernot Blümel, vor allem durch beredtes Schweigen auf. Auch wenn Kurz „Einschränkungen der Pressefreiheit“ im Grundsatz verurteilt, ließ er die FPÖ bisher weitestgehend gewähren. Bisher erreichte Österreich im Pressefreiheit-Ranking von Reporter ohne Grenzen mit Platz 11 einen hohen Rang. In Zukunft könnte das deutlich anders aussehen.

Sorge um das Redaktionsgeheimnis

Problematische Schritte setzt die Regierung auch an anderer Front. In einem Paket an Ausweitungen der Polizeibefugnisse, von Opposition und Presse „Überwachungspaket“ genannt, sehen Journalistenverbände eine mögliche Aufweichung des Redaktionsgeheimnisses. Die Einführung von Trojaner-Spähattacken und das Verbot von anonymen SIM-Karten machten es leichter, investigative Journalisten ins Visier zu nehmen, warnte Astrid Zimmermann, Generalsekretärin des Presseclub Concordia. „Mit dieser Regierung hat die Zahl der Whistleblower zugenommen. Das wollen sie mit solchen Bestimmungen stärker kontrollieren.“

Die Vorstöße der neuen Regierung treffen Medien, die durch konzentrierte Eigentumsverhältnisse und dubiose Geldgeschenke an Boulevardmedien in Form von Regierungsinseraten schon immer anfällig für politische Einflussnahme waren. Den Zusammenhang macht ein führender Journalist des dominanten Boulevardblatts „Krone“ deutlich, der damalige Online-Chef Richard Schmitt. In einem offenherzigen Interview mit dem Magazin „Fleisch“ gestand Schmitt ein, dass sein Blatt die FPÖ als strategischen Partner bei der Gewinnung von Lesern sieht. Umgekehrt bezahlt die FPÖ aus eigener Tasche gesponserte Facebook-Posts, die Inhalte der „Krone“ bewerben. Zuletzt verräumte die Krone ihren der Regierung nicht genügend nahestehenden Innenpolitik-Chef zur Regionalausgabe nach Salzburg. Mit ihrer engen Bindung zur mächtigen Krone und gestrafften Zügeln beim ORF kann die Regierung auf die medial wichtigsten Stimmen zählen.

Kurz lehnt sich zurück

Österreichs Konservative genießen das Schauspiel um die FPÖ und die Medien bisher aus der ersten Reihe fußfrei. Kanzler Kurz setzt inzwischen unbeirrt seine Agenda durch und spricht in Interviews im Inland wie in der ausländischen Presse vor allem über sein Lieblingsthema: Migration, Migration, Migration. Die Ministerien ziehen mit und üben sich in PR-geilen Selbstinszenierungen, etwa einer gemeinsamen Grenzübung von Militär und Polizei zur Flüchtlingsabwehr.

Zugleich verhallen harte sozialpolitische Einschnitte wie die Einführung des 12-Stunden-Arbeitstages in den österreichischen Medien mit nur leisem Echo, obwohl das neue Arbeitsgesetz in Wien die größte Demonstration seit Jahren auf die Straße brachte. Österreich macht der neuen Regierung mit ihren Schlägen gegen die Pressefreiheit bisher leichtes Spiel. Der Weg nach Budapest und Warschau, scheint es, ist von Wien nicht weit.

Update am 25. September, später Nachmittag: Inzwischen haben sich auch Österreichs Bundespräsident Alexander van der Bellen und der OSZE-Beauftragte für Medienfreiheit, Harlem Desir, zu Wort gemeldet und das Schreiben des Innenministeriums verurteilt. Es müsse für alle Medien gleichen Zugang zu Informationen geben, unabhängig von ihrer redaktionellen Haltung, sagte Desir.

Korrektur: In einer früheren Version hieß es fälschlicherweise, Strache habe Wolf mit Klage gedroht. Tatsächlich drohte Wolf mit Klage.

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14 Ergänzungen

    1. Ich glaube nicht, dass die Darstellung in meinem Bericht als überholt anzusehen ist. Die Opposition hat eine Sondersitzung des Nationalrats einberufen, schön und gut. Von Konsequenzen für Kickl sind wir weit entfernt.

  1. Das ganze Diffamieren der FPÖ führt nur zu mehr Zuspruch für diese Partei. Das geht aus den vergangenen Wahlen eindeutig hervor. Und das wir auch in Zukunft so sein. Macht weiter so, ihr seid die besten Wahlhelfer für die FPÖ.

    1. @Benno Trebo
      Meinung/Vermutung: Es kommt mir tatsächlich so vor, als ob genau das immer (wieder) passiert, Trump, FPÖ, AfD, Ungarn, Schweden etc.
      (Es = „Diffamieren“, oder besser neutral „Beschuldigen“ mit dem Gegenteiligen Ergebnis.)

      Hypothese:
      Mal angenommen, es kommt uns nicht nur so vor, sondern dies passiert wirklich immer wieder, so wie du es sagst.

      Fragestellung:
      Was wäre denn nun die „richtige“ Reaktion darauf:
      1) Weiter machen, wie bisher, sich empören und andere Beschuldigen, sich moralisch unangreifbar/sauber darstellen, obwohl es realistisch den gegenteiligen Effekt hat?
      2) Eigene Position anpassen, damit es wieder zu einem Mehrheitskonsens kommen könnte(Konjunktiv!!)?
      3) eure Meinung…?

      Mich würde wirklich interessieren, was es jenseits des täglichen 1) oder des kategorisch abgelehnten 2) für Alternativen oder Ideen für 3) gibt.

      1. Ich werde meine liberalen (nicht neoliberalen!) Ansichten nicht anpassen, nur weil ich damit nicht dem Mainstream entspreche. Ich werde auch weiterhin zu meinen Ansichten und Werten stehen und gegen Unmenschlichkeit und faschistischen Tendenzen Stellung beziehen. Ich möchte mich auch weiterhin in den Spiegel sehen können ohne mich dabei anzukotzen. Ich werde zu keinem medizinischen Wunder, der ohne Rückgrat aufrecht stehen kann. Wer damit ein Problem hat, muss selbst damit fertig werden.

        1. Absolut verständlich deine Position und Haltung, kann ich vollends nachvollziehen.

          Es würde mich dennoch interessieren, wie andere Leute (pragmatisch motiviert oder eben nicht) darüber denken, dass dieses Verhalten den offensichtlich gegenteiligen Effekt hat.

          Dabei möchte ich anmerken, dass das keine moralische Schuldzuweisung sein soll, ebenso soll es keine Ursache-Wirkung Schuldzuweisung sein. Ich bin mir über die Ursachen ja auch nicht wirklich im klaren.

    2. Das sind keine Diffamierungen. Die FPÖ wurde seinerzeit von Altnazis gegründet und hat dieses Erbe bis heute gezielt erhalten. Sie ist mit der deutschen FDP in keiner Weise vergleichbar. Die FPÖ war auch schon vor Haider ein brauner Sumpf.

      Ich schäme mich jedenfalls für mein Geburtsland. Als Heimat bezeichne ich Österreich schon lange nicht mehr.

    3. Das sind keine Diffamierungen. Die FPÖ wurde seinerzeit von Altnazis gegründet und hat sich dieses Erbe bis heute erhalten und das nicht erst seit Jörg Haider. Die FPÖ ist in keiner Weise mit der deutschen FDP zu vergleichen.

      Ich jedenfalls schäme mich für mein Geburtsland Österreich. Als Heimat bezeichne ich Österreich schon lange nicht mehr.

  2. „Das ganze Diffamieren der FPÖ …“

    Dann wäre ich mal gespannt, worin nach Deiner Ansicht das Diffamieren besteht. Insofern bitte mal erläutern.

    1. Wie wäre es stattdessen mit „Beschuldigen“, als neutrales Wort?

      Und dann zurück zu Bennos Kommentar und der mMn. wichtigen Aussage über den Effekt, das dieses „Verhalten“ (Beschuldigen) nunmal praktisch genau den gegenteiligen Effekt hat, als das – hoffentlich – Gewollte, dass weniger für die FPÖ sind.

      Was wäre (d)ein praktikabler Vorschlag diesbezüglich?

  3. Schreck laß nach. „Freie Presse“ das ist für mich wochenblick.at. Die genannten: Standard, Flalter, Kurier und ORF sind alle offensichtlich mehr links als erlaubt. In der Vergangenheit gab es mit denen auch ordentlich Zoff, weil sie nicht neutral berichtet hatten.

  4. Ja, das ist echt erschreckend wie die Pressefreiheit von ultra-rechten bis naziaffinen Menschen und Regierungen mit Füssen getreten wird. Und natürlich muss dagegen gehalten werden- in dem schwachsinnigen Facebook bringt das aber nichts. Facebook lässt quasi per Geschäftsmodell am Ende die Hetze, den Hass gewinnen, denn diese Atrribute fesseln die Menschen länger an das Internet- und nur darum geht es Facebook, um Werbung schalten zu können!
    @Rainer Datenschutz: Die gute alte Mail sollte wieder benutz werden. Die Menschen sollten die Politiker in Ihren Wahlkreisen direkt anschreiben, die Regierungen, Ministerien sollten angeschrieben werden. Widerspruch direkt an die Übeltäter und nicht über Facebook, da ist der Kampf verloren.
    Und natürlich auf Demos gehen- auf der Straße wird es bunter. Klar dagegen sein!

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