Neues aus dem Fernsehrat (20): Drohende Löschwelle öffentlich-rechtlicher Inhalte bei YouTube

Auch nach dem Ende der 7-Tages-Frist werden ARD, ZDF und Co weiterhin depublizieren, weil Rechte für längere Verweildauern fehlen. Aber selbst wo die Rechte vorhanden wären, drohen Löschungen in Mediatheken und YouTube-Kanälen solange die grundsätzliche Depublizierungspflicht fortbesteht.

Wenn der Fernsehrat in Hotelballrooms tagt, sind die Steckdosen voller Glitzer CC-BY 4.0 Leonhard Dobusch

Seit Juli 2016 darf ich den Bereich „Internet“ im ZDF-Fernsehrat vertreten. Was liegt da näher, als im Internet mehr oder weniger regelmäßig über Neues aus dem Fernsehrat zu berichten? Eine Serie.

Zu Gast im letzten Plenum des Fernsehrats im Dezember 2017 war auch Malu Dreyer, SPD-Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz und Vorsitzende des ZDF-Verwaltungsrats. Letzterer wird zu zwei Dritteln vom Fernsehrat gewählt und erfüllt eine Funktion ähnlich eines Aufsichtsrats in einem Unternehmen. In ihrer Rede betonte sie neuerlich ihr Bekenntnis zur Abschaffung der 7-Tage-Depublizierungsfrist in Mediatheken. Diese Forderung geht jedoch an den eigentlichen Problemen vorbei.

Erstens gibt es diese 7-Tage-Frist in der Praxis kaum noch. In den Telemedienkonzepten der Sender sind für Eigen- und Auftragsproduktionen in der Regel viel längere Verweildauern von mehreren Monaten vereinbart – bis hin zu fünf Jahren bei Bildungs- und Wissensinhalten. Umgekehrt können Inhalte trotzdem bereits nach wenigen Tagen aus den Mediatheken verschwinden, wenn ARD und ZDF keine Rechte für längere Verweildauern erworben haben. Zugekaufte Serien und Filme wiederum dürfen gar nicht in Mediatheken vorgehalten werden.

Depublizierungspflicht muss fallen

Viel wichtiger als das Ende einer fiktiven 7-Tage-Frist wäre deshalb das Ende einer grundsätzlichen Depublizierungspflicht ganz generell, zumindest aber für Eigen- und Auftragsproduktionen. Heute ist es den öffentlich-rechtlichen Anbietern abgesehen von einer eng gefassten Ausnahme für „zeit- und kulturgeschichtliche Inhalte“ nicht möglich, Inhalte dauerhaft online verfügbar zu halten. Diese Depublizierungspflicht gilt für die eigenen Mediatheken genauso wie für Drittplattformen wie YouTube und unabhängig davon, ob Rechte für dauerhafte Zugänglichmachung vorhanden wären. Das bedeutet, dass auch beliebte, vielkommentierte und in andere Webseiten eingebettete Youtube-Clips von Sendungen wie der Heute Show oder Neo Magazin Royal letztlich wieder gelöscht werden müssen – auch wenn alle Beteiligten das nicht wollen.

Eine zeitgemäßere Lösung wäre, dass für alle öffentlich-rechtlichen Online-Angebote flexible Regelungen wie beim Jugendangebot FUNK gelten. FUNK verbreitet seine Inhalte vor allem über Drittplattformen wie YouTube und muss zwar auch regelmäßig ein Verweildauerkonzept vorlegen, es gibt aber keinen generellen Depublizierungszwang. In der Tat spricht gerade bei Inhalten auf YouTube viel dafür, bestimmte Inhalte unbefristet online verfügbar zu halten:

  • Sicht- und Auffindbarkeit des Channels: Mehr Inhalte bedeute häufigeres Auftauchen in Suchanfragen und Empfehlungsalgorithmen. Durch den Löschzwang haben es öffentlich-rechtliche Kanäle schwerer als private Mitbewerber, gut sichtbar zu sein.
  • Long-Tail-Hits: Immer wieder passiert es, dass Videos erst mit Verspätung zu Hits werden. Die Gründe dafür lassen sich vorab kaum erahnen. Damit es funktionieren kann, müssen sie aber online gefunden werden können.
  • Embeds: YouTube-Videos werden in unzählige Webseiten eingebettet, wo sie besprochen oder sonstwie kontextualisiert werden. All diese Artikel und Blogeinträge sind von YouTube-Depublizierungen betroffen.
  • Kommentare und Likes: Mit der Löschung eines Videos verschwinden auch Likes und Kommentare. Hinzu kommt, dass die Kommentarfunktion gerade bei älteren Videos ein guter Indikator für Long-Tail-Hits ist: wenn Videos plötzlich wieder kommentiert werden, deutet das auf erneuertes Interesse an älteren Inhalten hin.

Löcher im digitalkulturellen Erbe

Gerade durch den Umstand, dass YouTube eben auch ein soziales Netzwerk und eine Suchmaschine ist, sind Löschungen dort noch folgenreicher als es die Depublizierung von Inhalten in den Videosilos öffentlich-rechtlicher Mediatheken ist. Das bedeutet umgekehrt natürlich nicht, dass Drittplattformen gegenüber Mediatheken (noch mehr) privilegiert werden sollten, als sie es heute bereits sind. Im Gegenteil, erst nach einem Wegfall der grundsätzlichen Löschpflicht könnten Bereiche in Mediatheken zu Langzeitarchiven und darauf aufbauenden, eigenständigen Angeboten weiterentwickelt werden.

Ganz allgemein ist der öffentlich-rechtliche Löschzwang eines der größten Übel im geltenden Rundfunkrecht. Der Löschzwang ist ein Verbrechen am kulturellen Erbe, das heute längst ein digital-vernetztes Erbe ist. Depublizierte Videos reißen Löcher in digitalkulturelle Netzwerke. Natürlich würde ein Ende des Löschzwangs kein Ende von Depublizierungen bedeuten. Aber es wäre zumindest das Ende sinnloser Löschorgien in Bereichen, in denen sich Anstalten, Inhalteproduzenten und Zuschauer gleichermaßen dauerhafte Verfügbarkeit wünschen.

37 Ergänzungen

  1. Politiker, die sich wiederum für diverse Gesetze zeichnen, möchten das öffentlich Rechtliche Inhalte innerhalb einer bestimmten Ablaufzeit nicht mehr verfügbar sind, damit auch die Vergangenheit politisch Variabel gehandhabt und nicht auf diverse Freiheiten/Vielfältigkeiten der vergangen Legislaturen verwiesen werden kann!

    So werden Brichterstattungen immer flacher und weniger Investigativ, auch kann ein in Zukunft Betroffener nicht mehr auf eine öffentlich rechtliche Quelle verweisen, da diese nicht mehr öffentlich zugänglich ist!
    Das betrifft z.B. Recherchen von „Monitor“ oder ähnlichen öffentlich rechtlichen Formaten, die immer mehr am Aussterben sind, weil sie zu oft die Finger in die politischen Wunden legen!

  2. „Natürlich würde ein Ende des Löschzwangs kein Ende von Depublizierungen bedeuten.“
    Warum nicht? Was genau vereinbart die Depublizierung zwischen welchen Partein?

    1. Der Hauptgrund ist, dass sich bei vielen Kauf- und Auftragsproduktionen die öffentlich-rechtlichen Anbieter einfach nicht die Rechte dafür leisten können, Inhalte dauerhaft verfügbar zu machen. Sie erwerben also nur die Rechte für vergleichsweise kurzfristige Mediatheknutzung (in der Regel 30 Tage), was den Rechteinhabern (in der Regel Produzenten) die Möglichkeit gibt, sie noch anderweitig zu verwerten. Das betrifft aber natürlich vor allem fiktionale und relativ zeitlose Inhalte.

      Bei vielen Eigenproduktionen, Nachrichten- und Magazininhalten oder auch bei Satireshows mit starkem Aktualitätsbezug (Böhmermann, Heute Show etc.) sieht das aber anders aus, da wäre dauerhafte Verfügbarkeit durchaus möglich und sinnvoll.

      1. Es wird von einer „grundsätzlichen Depublizierungspflicht“ gesprochen. Ich würde gern verstehen was das ist. Ist es ein zwingender Bestandteil der Auftragsvergabe?

  3. Viele Eigenproduktionen der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten sind auf DVD erhältlich. Ganz ohne Löschpflicht bekommt man so z.B. komplette Staffeln der Lindenstraße ab 1986 bei Amazon.
    Andere Eigenproduktionen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten kann man über den Mitschnittservice als DVD für ein geringes Entgeld (z.B. 53 €uro für die Dokumentation „Krieg der Bomber“ vom 13. März 2003) bestellen.
    Koproduktionen der ARD mit privaten Sendern wie Babylon Berlin kann man schon jetzt als Stream sehen wenn man ein Abo bei Sky hat.
    Für was braucht man also die Mediathek ?

    Bei den Mediatheken erfolgt momentan keinerlei Zugangskontrolle, obwohl für jeden Haushalt in Deutschland ein Beitragskonto mit eindeutiger Identifikation existiert. Würde man einen Zugriff auf die Mediatheken mit diesem Beitragskonto und einem Passwort absichern wären sicherlich auch längere Verweilzeiten möglich.
    Bei Netflix und anderen Video-on-Demand Anbietern funktioniert das ja auch problemlos, nur für die öffentlich-rechtlichen Sender ist das Konzept eine Benutzerkontos und eines Passwortes Neuland vor dem sie zurückscheuen.

    Positiv an der Verbreitung von öffentlich-rechtlichen Medieninhalten bei Youtube, Twitter und Facebook ist sicherlich das diese Dienste schnell auf die Beschwerden der Zuschauer regieren und im Zweifelsfall Inhalte sperren.
    Da die öffentlich-rechtlichen Sender anders als die privaten Medien nicht von den Landesmedienanstalten kontrolliert werden hat sie beim ZDF und den ARD Anstalten ein rechtsfreier Raum etabliert bei dem Beschwerden gegen Hatespeech und Schleichwerbung ohne Folgen bleiben.

      1. Jeder lebt in seiner eigenen Wirklichkeit.
        In meiner Wirklichkeit gibt es bei Amazon und im Mediamarkt fast alle TV Serien die vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk produziert werden auf DVD.
        In meiner Wirklichkeit gibt es z.B. auf der Webseite des SWRs eine Rubrik die sich Mitschnittservice nennt.
        In meiner Wirklichkeit gibt es Babylon Berlin jetzt schon auf Sky (und irgendwann in ferner Zukunft in der ARD).
        In meiner Wirklichkeit haben Video on Demand Anbieter kein Problem mit Benutzerkonten und passwortgeschützten Zugang.
        In meiner Wirklichkeit gibt es mehr als genügend Beispiele das Programmbeschwerden bei den öffentlich-rechtlichen in „Ablage P, rund,“ landen und das selbst Personen die in ihrer Sendung Schleichwerbung verbreitet haben danach noch fette Verträge bei der ARD erhalten haben.

        Gibt es das in ihrer Wirklichkeit alles nicht ?

        1. Warum sollte ich mich bei der ZDF/ARD Mediathek anmelden müssen? Was für einen Vorteil sollte die Zugangskontrolle haben? Aus meiner Sicht gibt es nur einen, dass ich im Ausland mit meinem Account auch auf die Mediatheken zugreifen könnte.

          Und da die Öffentlichen ja über eine „Umlage“ finanziert werden, warum sollte ich dann für die eigenproduzierten Serien, wie die Lindenstraße nochmals Geld bezahlen?
          Warum dieser Löschzwang?
          Kann doch alles online bleiben, was jemals ausgestrahlt wurde.

  4. > Ganz allgemein ist der öffentlich-rechtliche Löschzwang eines
    > der größten Übel im geltenden Rundfunkrecht.

    Welche andere – größere, gro0e oder auch kleinere – Übel fallen Dir denn da sonst noch so ein?
    Magst Du vielleicht ein paar weitere Beispiele nennen?

    1. Einige Beispiele für gesetzliche Schrecklichkeiten im Rundfunkstaatsvertrag habe ich im Rahmen dieser Reihe bereits behandelt, z.B. das komplett aus der Zeit gefallene Konstrukt der „Presseähnlichkeit“ (Folge 18) oder das ähnlich anachronistische Prinzip des „Sendungsbezugs“ (Folge 11).

      1. Werden die Kritiken denn von Deinen „RatskollegInnen“ geteilt? Gibt es „Mehrheiten“ für diese Themen?

        1. Prinzipiell gilt, dass der Fernsehrat seit der Neuzusammenstellung diverser ist und ich hier keinesfalls meine KollegInnen vereinnahmen möchte. In der Tendenz würde ich aber sagen, dass diese Position im Fernsehrat durchaus mehrheitsfähig wäre.

          Die größten Widerstände gegen ein Ende der Löschpflicht kommen klar von Seiten privater Presseverleger und Rundfunkpolitikern, die den Konflikt mit ebendiesen scheuen.

          1. Und wie sieht’s dazu mit den KollegInnen bei den LRAen der ARD (*) aus?
            (*) Dort Rundfunkräte genannt…

          2. > Die größten Widerstände gegen ein Ende der Löschpflicht kommen klar von Seiten
            > privater Presseverleger und Rundfunkpolitikern, die den Konflikt mit ebendiesen scheuen.
            Was ist ein denn ein „Rundfunkpolitiker“?
            Und warum wird denn aus Deiner Sicht dieser Konflikt zwischen privater Presse und ebendiesen gescheut?

          3. Rundfunkpolitiker sind die zuständigen Landespolitiker, denn Rundfunk ist Ländersache (deshalb auch die Regelung im Rundfunkstaatsvertrag, dessen Änderung Einstimmigkeit verlangt. Häufig sind Staatssekretäre oder eben Medienminister zuständig.

            Die Frage, warum sich Politiker ungern mit Inhabern von Massenmedien anlegen, beantwortet sich eigentlich von selbst. (Siehe auch das Thema Leistungsschutzrecht für Presseverleger).

          4. > Rundfunkpolitiker sind die zuständigen Landespolitiker, denn Rundfunk ist Ländersache
            > (deshalb auch die Regelung im Rundfunkstaatsvertrag, dessen Änderung Einstimmigkeit
            > verlangt. Häufig sind Staatssekretäre oder eben Medienminister zuständig.
            Also die jeweiligen Landesregierungen, oder?
            Warum hält der Rest des Parlamentes bei diesen Staatsverträgen so still? Weil er in diesen Fällen letztendlich nur Annehmen (i.a. Regel) oder Ablehnen darf, und die Diskussion darum, sprich auch Änderungen zum Inhalt, nicht mehr möglich sind? Weil das gesamte Parlament diese Vorgehensweise so unterstützt?

            > Die Frage, warum sich Politiker ungern mit Inhabern von Massenmedien anlegen,
            > beantwortet sich eigentlich von selbst…
            IMHO nicht.
            Bedeutet das, dass sich Politiker der Landesregierungen hier von privater Presse korrumpieren lassen?
            Falls ja, wodurch oder mit was wäre das möglich?

          5. Krass!
            Um irgendwo auf der Welt Krieg zu führen reichen Mehrheiten. Waffenexporte gehen mit Einzel(ler)entscheidungen.

          6. > Diese weiteren „ergänzenden“ Fragen beinhalten die Antworten bereits in sich.
            Da ich nicht mutmaßen möchte: Wie wären _Deine_ Antworten auf diese Fragen?

          7. @Leonhard Dobusch
            Sorry, nein! Mir fehlt _Deine_ Antwort auf diese Fragen.
            Was macht es Dir schwer, darauf zu antworten?

          8. Weil bislang jede Antwort von mir nur zu weiteren Fragen geführt hat und ich nicht den Eindruck hatte, als könnte irgendeine Antwort genügen.

            Dann noch einmal kurz:
            – die Parlamente müssen letztlich natürlich jeder Rundfunkstaatsvertragsänderung zustimmen, weil aber zunächst unter allen zuständigen Regierungsmitgliedern Einstimmigkeit hergestellt werden muss, wird eine Einigung dann letztlich kaum mehr von Parlamentsseite aufgekündigt.
            – Ein Auseinandersetzung mit relevanten Presseverlegen ist für gewählte PolitikerInnen riskant, insofern damit Konsequenzen für die Berichterstattung in deren Medien verbunden sein können oder zumindest die diesbezügliche Sorge besteht.

          9. @Leonhard Dobusch

            Zunächst ‚mal Danke, dass Du Dich zu einer klaren Antwort „überwunden“ hast! ;-)

            Du hast zurecht darauf hingewiesen, dass sich „Rundfunkrecht“ (siehe dazu auch die entsprechenden BVerfG-Urteile) aus einer landesrechtlichen Verpflichtung ernährt, um die herum m.E. immer wieder „mit heißen Nadeln gestrickt“ wurde, und immer noch wird (gerade seit 2013). Der von Dir m.E. korrekt beschriebenen „Komplexität“ in den Staatsvertragsverhandlungen wird nun aber ein „Mantel aus (Still-)Schweigen“ übergezogen, und damit landen andere, auch z.T. sehr gute „Diskussionsgrundlagen“ (gezwungenermaßen) in Ablage P.

            „Einstimmigkeit“ – gerade erzeugt durch Schweigen – ist keine tragfähige Grundlage für „Vielfältigkeit“, und schon gar nicht für „Demokratie“.

            Was in der jüngeren Vergangenheit übersehen wurde, und leider zunehmend weiterhin übersehen wird, ist, dass die Rezipienten diesen ÖRR, zu dem auch ZDF und DlF gehören, nicht mehr in ihrer ehemals „einmaligen“ Rolle wahrnehmen können (und wollen – m.E. zurecht), mit der sie nach WWII einstmals begonnen hatten.

            Dabei dürften doch die allermeisten Rezipienten der ÖRR-Angebote mittlerweile StellvertreterInnen für einen „Demokratiegedanken“ sein, ihre „Repräsentanten“ in der Politik, dem ÖRR und der Presse sind es hingegen nur noch ganz selten bis gar nicht. Das zeigt die schon über einen längeren Zeitraum (zunehmend) schwindende Akzeptanz gegenüber dem ÖRR durch seine Rezipienten. Und es wird auch durch ein „Dem-Publikum-Hinterherlaufen“ – also ihm gerade auf Schritt und Tritt zu „folgen“ zu versuchen (Telemedien, Youtube, Facebook, …you name it) – m.E. nur noch armseliger, als es ohnehin schon ist (Quoten hin oder her – das darf, und bräuchte sogar, keine Rolle spielen – eine Finanzierung gäbe es trotzdem. So zumindest sieht es das BVerfG).

            Was will ich da in irgendwelchen „Mediatheken“ zu „Gewesenem“, wenn Gegenwart und Zukunft so viel spannender sein können – gerade in den wichtigen Diskussionen, die sich (auch in Medien) bieten könnten (und die bisher leider nicht geführt, ja, vermieden werden).

            Das „Damokles-Schwert“, das in der Schweiz in Form der „No-Billag“-Initiative nun über der SRG hängt, wird auch in Deutschland seine „Einschläge“ zeigen. Nicht zuletzt durch die (aktuell) 150 Verfassungsbeschwerden zum „Rundfunkbeitrag“, sondern auch durch die – m.E. berechtigte – Fragenvorlage des LG Tübingen an den EuGH im vergangenen Jahr. Dass die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Vergangenheit hier (bis hin zum BVerwG) Urteile und Beschlüsse aus Gründen der „Staatsräson“ im Sinne der „Beklagten“ entschieden hat, ist m.E. ein Justizskandal, wie ihn Deutschland in den vielen Jahren, und spätestens seit 2013, nicht mehr erlebt hat (u.a. Verletzungen des rechtlichen Gehörs, Verletzungen des Rechts auf den gesetzlichen Richter usw.).

            Im ZDF wird darüber (i.e. über diese Verfassungsbeschwerden) weder berichtet, noch diskutiert, noch wird Öffentlichkeit darüber dem Auftrag entsprechend hergestellt. (Landes-)Politik braucht keine Angst vor Presse zu haben, aber sie muss immer Angst vor ihren Wählerinnen haben. Das funktioniert jedoch nur, wenn sich auch bereits „der Fernsehrat [dabei] als Anwalt der Zuschauerinnen und Zuschauer [versteht]“ (1). Zwar schön zu lesen, hat aber m.E. z.Z. keinen Realitätsbezug.

            Es bedarf in unserer Demokratie keines „Molochs“ aus ÖRR, Politik und Presse, sondern einer kritischen Auseinandersetzung von ÖRR/Presse mit der jeweiligen Politik. Und genau das wollten die BVerfG-Urteile einstmals garantieren – allerdings haben die Richter in der Folgezeit in der Einforderung dessen häufiger keine oder zuwenig konsequente Haltung bewiesen (siehe u.a. das „ZDF-Urteil“, insbes. mit der abweichenden Meinung des Richters Paulus in 1 BvF 1/11, 1 BvF 4/11 vom 25.03.2014 oder auch (hier zwar themenfremd) das Wahlrecht zum Bundestag).

            Sind denn 33% „staatsnahe“ Mitglieder (obere Grenze des BVerfG in 2014) irgendwie „repräsentativ“ für gesellschaftliche Gruppen – bei 60 Mitgliedern?
            Gibt es einen 33%igen, „staatsnah“ beschäftigten Anteil an ZuschauerInnen in der Bevölkerung, um diese Zahl rechtfertigen zu können? In einem System, das sich der „Staatsferne“ verpflichtet sieht, es aber bis zur gesetzlich vorgegebenen Obergrenze vermeidet, auch nur den Hauch eines Verdachtes der Beeinflussung auszuräumen?

            Ich muss doch hoffentlich nicht künftig erst („legal“ und „repäsentativ“) die „AfD-Glocke“ läuten (die die – einzig dort vorgefundene – programmatische Alternative in Form einer völligen Abschaffung des ÖRR vertreten), weil die ÖRR-Macher (hier ist auch der Rundfunk- oder Fernsehrat im Speziellen gemeint) zu „doof“ sind, ihre Rezipienten (und nicht die PolitikerInnen) hinter sich zu scharen, indem sie sich „echter“ Reformen als fähig erweisen, indem sie „Staatsferne“ (auch personell) wieder „erlebbar“ machen…

            Und wo wären dann diese innerbetrieblichen(sic) „Reformatoren“ zu finden, die in der Lage wären, diese Entwicklungen überhaupt zu erkennen und adequat darauf zu reagieren?
            Ist der „Fernsehrat“ da der falsche „Ansprechpartner“?

            Das Schlimmste, was dem ÖRR (und damit auch dem ZDF) passieren kann, ist nicht, dass er „weniger“ oder „gleiches“ oder gar „mehr“ Geld für seine „Programme“ und deren „Erweiterungskanäle“ erhält, sondern dass er in naher Zukunft ohne Rezipienten aufwacht, da diese seine „Beiträge zur Demokratie“ nicht mehr relevant und/oder witzig finden konnten. Und die „Älteren“ (65+) leider auch schon alle ausgestorben waren…

            Wie auch immer, in jedem Fall erst ‚mal Danke für Deine Zeit!

            (1) Der ZDF-Fernsehrat
            https://www.zdf.de/zdfunternehmen/zdf-fernsehrat-funktion-vorsitz-und-mitglieder-100.html

  5. Der ZDF Fernsehrat ist das Kontrollgremium des ZDF.
    Dieser Beitrag liest sich eher wie der eines Lobbyisten, nicht wie der eines Kontrolleurs.

    Intressant wäre es z.B. welche Verstöße es von Seiten des ZDFs gegen die im aktuellen Rundfunsksstaatsvertrag festgelegten Grundsätze es gab und wie diese behandelt wurden.
    Interessant wäre auch wie es mit dem Haushalt des ZDFs aussieht. Werden die Mittel sinnvoll verwendet, wo gibt es Einspaarmöglichkeiten ?

    Generell muß man auch fragen warum das Kontrollgremium des ZDFs nicht wie bei anderen Beitragsfinanzierten Organisationen – etwa Sozialversicherungen sowie Industrie und Handelskammern – durch die Beitragszahler per Wahl besetzt wird.

    1. Der Fernsehrat ist laut Selbstbeschreibung »Anwalt des Zuschauers« und „vertritt die Interessen der Allgemeinheit“. Und wie die anderen Beiträge dieser Reihe belegen, versuche ich meiner Kontrollfunktion durchaus gerecht zu werden (vgl. z.B. die letzte Folge 19).

      Im übrigens hätte ich nichts gegen eine stärkere Demokratisierung der Rund- und Fernsehräte einzuwenden, im Gegenteil.

  6. Bald sind es 50 Jahre „Die Sendung mit der Maus“ mit ihrem Spinoff „Bibliothek der Sachgeschichten“. Gibt es die irgendwo legal und vollständig (unzensiert, ggf. wegen political correctnes ^^) im Internet zu sehen?

    Wenn nicht, gibt es eine kompetente Kostenschätzung, wieviel Geld nötig wäre, um dies zu erreichen, also alle nötigen Rechte (Musik, Zeichentrickgeschichten, etc.) einzukaufen?

    Wenn ihr euch fragt, wie ich darauf komme: Ich weiß nicht wieso, aber es immer das erste, an das ich denke, wenn ich Depublizierung der ÖR Medieninhalte höre, bzw. jemand über Besitzverhältnisse von steuerfinanzierten Dingen spricht.

  7. Es wird hier leider bisher noch nirgends erwähnt, warum die Depublizierungspflicht im Rundfunkstaatsvertrag steht: damit wird EU-Wettbewerbsrecht umgesetzt. Ohne Depublizierungspflicht wäre der sog. Rundfunk-Beitrag eine illegale Beihilfe.

    Möchte man die Depublizierungspflicht streichen, so muss man auch den Beitrags-Zwang streichen, damit der öffentliche Rundfunk im Einklang mit EU-Wettbewerbsrecht bleibt.

    Plattformen wie Wikipedia oder Patreon zeigen, dass die Menschen gewillt sind, die Unabhängigkeit von Quellen auch ohne Zwang zu finanzieren.

    1. Weil das so auch nicht stimmt: ja, es gibt einen sogenannten Beihilfekompromiss. Es gibt aber eben genau wegen dieses – meiner Meinung nach völlig verfehlten – Kompromisses, keine Rechtsprechung diesbezüglich.

        1. Wer den erwähnten (abschließenden) „Beihilfekompromiss“ vom 24.04.2007 (als Antwort an’s Auswärtige Amt, das in diesem Fall zuständig war/ist) zwischen der damaligen Bundesregierung und der EC ‚mal selbst lesen möchte, findet diesen hier (PDF, 92 Seiten):

          Staatliche Beihilfe E 3/2005 (ex- CP 2/2003, CP 232/2002, CP 43/2003, CP 243/2004 und CP 195/2004) – Deutschland
          Die Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland
          http://www.ard.de/download/74354/index.pdf

          ( oder als Sicherungskopie auf web.archive.org unter:
          https://web.archive.org/web/20171103134248/http://www.ard.de/download/74354/index.pdf )

          Der „Kompromiss“ stellt allerdings, wie ebenfalls bereits erwähnt, keine höchstrichterliche Entscheidung (hier EuGH) dar. Für Interessierte liefert das Dokument aber insbesondere einen Einblick in die Sichtweise der EC, und worin sie damals bereits wesentliche (z.T. bis heute nicht behobene) Kritikpunkte sah.

      1. Auch ich sehe den Kompromiss als vermurkst an, aber an der Ausgangslage, nämlich dem EU-Wettbewerbsrecht hat sich nichts geändert.

        Schlägt man eine neue Lösung vor, so muss man von dem bestehenden EU-Recht ausgehen, und in dessen Rahmen einen Vorschlag erarbeiten.

        Beispiel: Die GEZ-Nachfolgeorganisation wird in eine Stiftung umgewandelt, der die Bürger freiwillig beitreten können und die dadurch viel flexibler in der Gestaltung ihres Angebots ist. Ähnlich wie viele Anbieter auf Patreon kann sie dann ein Teil ihres Angebots öffentlich zur Verfügung stellen und einen anderen Teil nur Mitgliedern. Dadurch würden die Bürger auch mehr Einfluss bekommen und die Politiker weniger, so dass die Stiftung zu einem echten Gegengewicht der Politik werden könnte und ihre Rolle als vierte Gewalt besser ausüben kann.

  8. „Diese Forderung geht jedoch an den eigentlichen Problemen vorbei.“

    Dieses scheint bei dem, was sich hier Regierung nennt, schon länger Programm zu sein. Beispiel:
    Die Krankenkassenfinanzierung soll wieder paritätisch werden. Ok.
    Nun fragt mal jemanden, der finanziell de fakto gerade so über die Runden kommt, wieviel der Zahnarzt in Bar verlangt, Zähne mit Kunststoff zu verbasteln. Oder einen wirklich modernen Zahnersatz zu bezahlen.
    Die paritätische Krankenkassenfinanzierung interessiert denjenigen nur bedingt.
    Für nicht so schlecht bezahlte hauptberufliche Politiker ist dieses problem offenbar nebensache.

  9. Eine zeitgemäßere Lösung wäre, dass für alle öffentlich-rechtlichen Online-Angebote flexible Regelungen wie beim Jugendangebot FUNK gelten. FUNK verbreitet seine Inhalte vor allem über Drittplattformen wie YouTube und muss zwar auch regelmäßig ein Verweildauerkonzept vorlegen, es gibt aber keinen generellen Depublizierungszwang.

    D.h. also bei youtube werden Inhalte gehostet, die der GEZ Zahler finanziert und mit denen youtube dann Geld verdient?
    Oder bekommt FUNK von youtube Geld für die Inhalte?

    Wenn die „zeitgemäßere“ Lösung bedeutet, dass die Allgemeinheit für die Gewinne US amerikanischer Konzerne zahlt, dann würde ich leiber eine Nichtzeitgemäße Lösung vorziehen.

    1. @struppi was Ihre Frage zu Funk betrifft: Weder noch. Vor/bei den Inhalten von Funk wird keine Werbung geschaltet. Folglich verdient weder YouTube noch Funk Geld am ausspielen der Beiträge auf YouTube.

      YouTube verdient jedoch Klicks und Aufmerksamkeit. Wer für einen Funk Beitrag bei YouTube ist, wird eventuell noch andere Videos schauen. Allerdings scheint das ein Tauschgeschäft zu sein, da die Funk-Inhalte ja auf YouTube präsentiert werden und somit auch Klicks und Aufmerksamkeit erhalten.

  10. Ich habe eine Frage zu dieser Depublizierung. Ich habe mir mal zwei zufällige YouTube-Kanäle von ARD und ZDF angeschaut und sie mit den Mediatheken verglichen. Bei ARD war es extra 3, bei ZDF Neo Magazin Royale. Bei letzterem findet man Clips seit bestehen der Sendung in YouTube-Kanal. Bei ersterem gibt es Clips und sogar ganze Sendungen von vor über drei Jahren. Die Extra-3-Seite in der ARD-Mediathek führt jedoch nur Beiträge von vor bis zu einem Jahr. Bei Neo Magazin Royale reicht die Mediathek nur ungefähr ein Vierteljahr zurück und kündigt unter allen Beiträgen auch das kommende Depublizierungsdatum an.

    Hierzu meine Frage: Aus welchen Gründen müssen die Beiträge aus den Mediatheken gelöscht werden, wenn sie auf YouTube Bestand haben dürfen?

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.