Netzpolitischer Wochenrückblick KW 9: Von angeblich sicheren Netzen und großen Versprechen

Der Angriff auf Server der Bundesregierung sorgte diese Woche für Aufsehen. Dabei ist die Regierung selbst Teil des Problems. Beschäftigt haben uns außerdem neue Datenschutzprobleme und Gerichtsurteile gegen Internetkonzerne, während auf EU-Ebene die Diskussion um die Einführung von Upload-Filtern weitergeht. Die Themen der Woche im Überblick.

Stichwort: Im Netz sicher fühlen CC-BY 2.0 Anita Rietenour

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Trojaner sind für alle da

Ein Angriff auf das als sicher geltende Datennetzwerk des Bundes und der Sicherheitsbehörden macht deutlich, wie verletzlich die Infrastruktur des Staates im Netz ist. Bei den Eindringlingen soll es sich um Hacker handeln, womöglich aus Russland, wirklich genau weiß es aber niemand, denn die eingesetzten Werkzeuge sind frei im Netz verfügbar und Spuren fälschbar. Zudem wird die Bundesregierung durch ihre Staatstrojaner-Strategie selbst Teil des Problems. Im Namen der Sicherheit unterstützt sie ein System der Unsicherheit: Um in Rechner oder Smartphones von Verdächtigen einzudringen, kaufen deutsche Sicherheitsbehörden Schadsoftware und horten sie, anstatt den Herstellern die Sicherheitslücken zu melden. Solange diese nicht geschlossen sind, werden sie auch ausgenutzt, sei es von ausländischen Mächten oder Kriminellen.

Große Versprechen haben die möglichen Koalitionäre aus Union und SPD in ihren Wahlprogrammen gemacht. Wir haben uns angesehen, wieviel davon tatsächlich im Koalitionsvertrag gelandet ist, über den die SPD-Mitglieder entschieden haben. Viele Ankündigungen der möglichen Regierung, von der wir am Sonntag wissen werden, ob sie auch ihre Arbeit aufnehmen wird, sind vage geblieben sind – etwa bei der inneren Sicherheit und dem Verbraucherschutz. Der Teufel liegt also im Detail der künftigen Umsetzung.,

Filtern was das Zeug hält

An seinen eigenen Ansprüchen scheitern dürfte der Koalitionsvertrag indes beim Thema Upload-Filter. Die EU-Kommission drängt Plattform-Betreiber am EU-Parlament und den Gerichten vorbei, solche Filter gegen illegale Inhalte einzusetzen und will sie zudem im Zuge der Urheberrechtsreform zur Verpflichtung machen, auch wenn die Filter eine Bedrohung für die Netzkultur darstellen. Der Koalitionsvertrag nennt die Filter zwar „unverhältnismäßig“, in einer Stellungnahme an die EU-Kommission sprach die Bundesregierung aber nun doch davon, dass sie in „bestimmten Fällen“ zum Einsatz kommen sollen.

Zwei Gerichtsurteile weisen diese Woche die großen Internetkonzerne in ihre Schranken. Auf eine Klage der Verbraucherzentrale des Landes Nordrhein-Westfalen entschied ein Gericht in München, Amazon müsse Kunden beim Bestellen mit dem Dash-Button bereits vor Absenden der Bestellung über den Preis und die eigentliche Ware informieren. Amazon kündigte an, dagegen in Berufung zu gehen. Ein Gericht in Hamburg entschied indes, der Messenger-Dienst WhatsApp dürfe weiterhin keine Daten mit dem Mutterkonzern Facebook teilen.

Unterdessen urteilte der Bundesgerichtshof zugunsten von Google, dass die Suchmaschine nicht vorab Suchanfragen auf Verletzung von Persönlichkeitsrechten filtern muss. Weiter in Schwebe ist eine Entscheidung des US-Höchstgerichtes im Fall Microsoft. Die US-Regierung möchte in Straffällen auch auf Daten, die der Konzern in Übersee lagert, zugreifen können.

Das große Durchleuchten

Datenschutzbedenken beschäftigten uns auch diese Woche wieder: Apple wird künftig die privaten Schlüssel seiner Nutzer in China auf lokalen Rechenzentren lagern und damit den chinesischen Sicherheitsbehörden Zugriff auf in der Cloud gespeicherte Daten ermöglichen. Bekannt wurde auch ein drastischer Anstieg heimlicher Fahndungen über das Schengener Informationssystem. In den Vereinigten Staaten griff unterdessen der umstrittene IT-Konzern Palantir jahrelang auf Polizei-Datenbanken in der Stadt New Orleans zu, ohne dass der Gemeinderat der Stadt darüber informiert war.

Facebook durchleuchtet inzwischen Posts seiner Nutzer auf Zeichen von mentaler Instabilität und meldete über 100 Menschen wegen angeblicher Selbstmordpläne an die Behörden. Für Ärger sorgte auch der Bericht eines ehemaligen Insiders, der schilderte, wie hetzerische Werbung des damaligen Kandidaten Donald Trump bei Facebook billiger war als Anzeigen seiner Gegenspielerin Hillary Clinton. Postskript zum Thema Datenschutz: Die aktuelle Folge unserer Videoreihe about:blank beschäftigt sich mit dem Ausbau der Videoüberwachung im öffentlichen Raum.

Neues von Drohnen, Kryptowährungen und Smartphones

Neue Regulierungsbestrebungen gibt es indes aus Brüssel. Ein 12-seitiger Entwurf spricht sich für eine gerechtere EU-einheitliche Besteuerung von Internetkonzernen aus, die mit Nutzerdaten ihr Geld machen. Auch denkt die EU-Kommission laut darüber nach, in den spekulativen Handel mit Kryptowährungen einzugreifen, auch wenn die Brüsseler Behörde sich mit Entscheidungen noch Zeit lassen will. Einen europäischen Vorstoß gibt es auch in der Anschaffung neuer Aufklärungsdrohnen. Die Europäische Verteidigungsagentur betreibt hierzu Marktsichtungen.

Noch nicht auf der Brüsseler Agenda ist das Schweizer Rundfunkreferendum „No Billag“, das unser Autor Leonhard Dobusch mit der Debatte in Deutschland und Österreich in Beziehung gesetzt hat. Apropos Medien: Ein Video von about:blank nannte diese Woche sieben Gründe, warum Verbote von Smartphones im Unterricht keine vorausschauende Antwort auf den Medienwandel sind.

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2 Ergänzungen

  1. Selbstmordpläne? Der Trend in Richtung des Rudelverhaltens „Alle gegen einen“ setzt sich fort. Nur dumm, wenn dann nach und nach immer weniger „eine“ übrig bleiben. Obwohl, dann bleibt doch viel mehr für alle?

  2. Zudem wird die Bundesregierung durch ihre Staatstrojaner-Strategie selbst Teil des Problems.
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    Die eigene Medizin schmeckt immer bitter. Mein Mitleid hält sich in Grenzen. Nun wird der Mitarbeiter gesucht, der den Hacker-Angriff publik gemacht hat. Der wird vor dem Bundestag dann geteert und gefedert und für vogelfrei erklärt.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.