Netzneutralität: Chaos Computer Club schießt scharf gegen „Vodafone Pass“

Die Bundesnetzagentur prüft das Angebot „Vodafone Pass“ und hat dazu um Stellungnahmen gebeten. Der Chaos Computer Club hat heute seine Bewertung zum umstrittenen Zero-Rating-Angebot veröffentlicht. Er sieht seine eigenen Inhaltsangebote, aber auch Bildungseinrichtungen und ausländische Anbieter klar benachteiligt.

CC-BY-NC-ND 2.0 Milind Alvares

Für den Chaos Computer Club (CCC) untergräbt das Zero-Rating-Angebot „Vodafone Pass“ des Mobilfunkbetreibers Vodafone die Netzneutralität, würde langfristig das Internet und den Zugang zu Inhalten „grundlegend verändern“ und sei deshalb abzulehnen. Das schreibt der CCC in seiner heute veröffentlichten Stellungnahme (PDF) an die Bundesnetzagentur (BNetzA), die derzeit das im vergangenen Herbst gestartete Angebot des Netzbetreibers untersucht.

Solche Zero-Rating-Angebote erlauben es Kunden, auf bestimmte Partnerdienste zuzugreifen, ohne das in Deutschland üblicherweise knappe Datenvolumen des Mobilfunkvertrags anzutasten. Was auf den ersten Blick wie eine verlockende Offerte aussehen mag, verletzt jedoch die Netzneutralität, schränkt die Wahlfreiheit im Internet ein und führt zu teureren Tarifen. Das beanstandeten Verbraucherschützer bereits im Vorjahr im Zusammenhang mit dem grob vergleichbaren Zero-Rating-Angebot „StreamOn“ der Telekom Deutschland.

Zero Rating zersplittert das Internet

Vodafone teilt in seiner Variante das Internet in vier Kategorien ein: Chat, soziale Netzwerke, Musik und Video. Kunden bestimmter Tarife können sich für einen dieser sogenannten Pässe ohne Aufpreis entscheiden und weitere Pässe kostenpflichtig hinzubuchen. Inhalteanbieter wiederum, die ihre Dienste bevorzugt kredenzen wollen, müssen eine Reihe an Vorgaben des Konzerns erfüllen. Wie eng das Vodafone-Korsett ausfällt, bleibt jedoch bis auf Weiteres unbekannt, denn Partnerunternehmen müssen eine Vertraulichkeitsvereinbarung (NDA) sowie ein „Service Provider Onboarding Agreement“ mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen unterzeichnen.

(Im Übrigen würden wir uns sehr über eine Zusendung dieser Vereinbarungen freuen, um das Angebot im Detail und besser beurteilen zu können. Vielen Dank.)

Das Problem bei Zero-Rating-Angeboten ist aber vor allem grundsätzlicher Natur: Finanziell gut ausgestattete Anbieter können mit Mobilfunkanbietern wie Vodafone die offerierten Partnerschaften eingehen und deren geheime Bedingungen erfüllen. Kleinere Diensteanbieter, Start-ups und nicht-kommerzielle Plattformen haben hingegen das Nachsehen und erleiden einen Wettbewerbsnachteil gegenüber den großen Diensten. Damit droht nicht nur ein zersplittertes Internet, sondern auch eine Zementierung bestehender Marktanteile zulasten innovativer, finanzschwacher Dienste und auf lange Sicht eine Einschränkung der Wahlfreiheit für Verbraucher.

Stellungnahme des CCC

Die Bundesnetzagentur hatte Verbände, NGOs und Unternehmen gebeten, bis zum 18. Januar Stellungnahmen abzugeben. In einer Pressemitteilung schreibt der CCC:

Der Fortbestand von Zero-Rating-Angeboten wie „Vodafone Pass“ ist nicht akzeptabel, da das Prinzip der Netzneutralität untergraben wird.

Der CCC stellt sich also klar gegen Zero-Rating-Angebote und gegen die Ungleichbehandlung und Diskriminierung. Zugleich kritisiert der Hacker-Club das intransparente Geschäftsgebaren von Vodafone, bei dem die Kriterien für eine Teilnahme nicht offenliegen. Obwohl der CCC unter media.ccc.de ein großes und vielfältiges Angebot an Video- und Audiodateien vorhält und bei seinen Veranstaltungen auch Streamingdienste betreibt, die er für alle kostenlos zur Verfügung stellt, steht er der Geheimniskrämerei bei den Vodafone-Kriterien ablehnend gegenüber:

Der Chaos Computer Club wird unter diesen Bedingungen keine „Partnerschaft“ anstreben. Damit bleiben seine audiovisuellen Angebote für Vodafone-Pass-Kunden dauerhaft benachteiligt.

In seiner Stellungnahme beschränkt sich der CCC aber nicht auf die Bewertung des neuen Vodafone-Angebots, sondern kritisiert auch die Tatsache, dass die beiden bereits bestehenden Zero-Rating-Angebote den Mobilmarkt insgesamt verändern:

Die Telekom mit „StreamOn“ und Vodafone mit „Pass“ stellen sich nun als zwei wichtige Anbieter im Markt so auf, dass für den Endkunden ein Wechsel zur Konkurrenz nicht mehr als wirksamer Schritt zum Abwenden eines Kundennachteils in Betracht kommt. Für Inhalteanbieter öffnet sich ein Faß ohne Boden, mit jedem Provider „Partnerschaften“ einzugehen – inklusive der damit verbundenen Kosten und Umstände.

Angebote von Bildungseinrichtungen

Der CCC verweist neben der Benachteiligung seiner eigenen Plattform auch auf die öffentlich finanzierten Angebote von Bildungseinrichtungen, die durch die neuen Vodafone-Optionen für Mobilfunktarife benachteiligt sind:

Viele Universitäten bringen inzwischen Lehrveranstaltungen auf ihren Videoportalen, um im Rahmen der Erwachsenenbildung auch weniger Privilegierten die Möglichkeit zu geben, sich beispielsweise während des täglichen Berufsverkehrs unterwegs fortzubilden. Auch hier wird der Blick ins Portemonnaie dann eher Unterhaltung statt Bildung nahelegen, wenn sich „Vodafone Pass“ oder „StreamOn“ mit deren kommerziellen „Partnern“ etablieren.

Betroffen sind auch Bildungseinrichtungen und andere Angebote aus dem Ausland, die von Vodafone diskriminiert werden. Dazu hat der CCC ein paar ganz praktische Fragen in seiner Stellungnahme:

Soll etwa jede amerikanische Universität für ihr Video-Angebot auch um eine Vertragsanbahnung mit Vodafone Deutschland ersuchen? Werden Kunden von „Vodafone Pass“ beispielsweise bei dem international beliebten und vielgeklickten NASA-TV mit Live-Raketenstarts das Nachsehen haben? Was ist mit Menschen in Deutschland, die das muttersprachliche Nachrichtenprogramm aus ihrem Heimatland empfangen wollen?

Man darf gespannt sein, wie das die Bundesnetzagentur sieht. In einer umstrittenen Entscheidung hatten die Regulierer im vergangenen Oktober das StreamOn-Produkt der Telekom Deutschland für weitgehend kompatibel mit der EU-Verordnung zur Netzneutralität eingestuft. Für unzulässig erklärten sie jedoch unter anderem die Beschränkung auf eine reine Inlandnutzung – eine Auflage, die sich auch im Vodafone-Angebot wiederfindet.

Unsere Redakteurin und CCC-Sprecherin Constanze Kurz hat an der Stellungnahme mitgewirkt.

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19 Ergänzungen

      1. Im Ausland auch unserer Nachbarländer bekommst das vielfache an Volumen zu erinnern deutlich günstigeren Preis.

  1. Der Ansatz, dauerhaft nur gegen Zero-Rating vorzugehen und das als Kern der Netzpolitik anzusehen, ist nach meiner Meinung falsch und setzt zu weit hinten an.

    Ganz am Anfang steht die Suchmaschine, die sowieso nur das kredenzt, was sie will bzw. was bezahlt wird. Und das werden dann genau die Zero-Rating-Dinge sein, da Otto-Normalsurfer gar nichts anderes kennt. Aus dem Grund stört sich auch niemand an diesen Angeboten.

    Ohne oder mit Zero-Rating ändert sich ganz genau nichts.

    1. … und wer informiert ist und nicht nimmt, was ihm dreist untergeschoben wird zahlt drauf.
      Warum bestimmen in D immer die simpel Gestrikten und die raffgierigsten Handaufhalter was normal ist?

    2. Kern bleibt das Eintreten für die Netzneutralität. Zero-Rating ist ein Aspekt. Letzteres verstehe ich als Gatekeeping durch die Hintertür. Problem ist, dass 08-15-UserInnen begeistert sein werden, da es nun endlich eine „echte“ Flatrate zu geben scheint.

      Jetzt, wo das Internet Mainstream geworden ist, wäre es vielleicht angebracht, sich neue Gewässer zu erschließen. Zu viele Waale und Haie schwimmen hier inzwischen rum.

  2. Ganz genau, weil ich jeden Start up hinterherrenne und buchen werde, egal wie klein deren Angebot ist – Nein! Ich habe meinen streaming Dienst und solange ich zufrieden bin bleibe ich dort. Ein neuer Dienst kann mit Vodafone z. B. in Kooperation gehen, nur so wird man sich mit Spotify und co. behaupten können. Andererseits, wozu muss es denn noch mehr geben? Und zu den anderen Punkten, Nasa TV, muss ich das gucken, wenn ich in der Bahn sitze? Muss ich den Heimatsender im Wartezimmer gucken? So was guckt man zu Hause am pc oder im WLAN. Außerdem gibt es öffentliche hot Spots. Ich z.B. brauche den Musik Pass um auf Arbeit mal 2 bis 3 Stunden Musik hören zu können ohne dass mein Volumen alle ist. Dieses Verhalten stört die Netzneutralität?

    1. Tut es. Ihr Surfverhalten ist nicht das Maß und was ich wann und wo gucken, lesen oder hören bzw. welche App ich wann und wo nutzen möchte, darf niemand außer mir entscheiden. Das ist für mich der Sinn des Internets. Der Provider ist lediglich das Laster, welches mir den Zugang ermöglichen soll. Wenn dieser nun auch noch aufgrund wirtschaftlicher Interessen entscheidet, welche Inhalte mir zur Verfügung gestellt sind, dann ist das ein Einschnitt in die Netzneutralität, ja.

      1. Falsch dir wird ja alles zur Verfügung gestellt, niemand verbietet dir z.B. Nasa TV unterwegs zu gucken, nur das kostet dann Volumen, wenn die dein Provider anbietet einen bestimmten Dienst besser zu nutzen, nimmst du es dann nicht wahr?

        1. „[…] wenn die dein Provider anbietet einen bestimmten Dienst besser zu nutzen […]“, dann ist das zum Nachteil von anderen Anbietern und damit nicht mehr netzneutral, richtig?

        2. Die Sache ist ja die: mir wird nicht der eine Dienst besser zur Nutzung angeboten, sondern alle Anderen schlechter, außer sie zahlen. Ich habe momentan ein sehr hohes Datenvolumen, zahle aber dafür, dass ich damit alles ansehen/nutzen kann, was ich möchte. Und auch wenn ich es nie schaffe, mein Volumen zu verbrauchen, so möchte ich mich nicht darin einschränken lassen, nur noch für bestimmten Content zu zahlen. Das widerspricht schlicht meinem Verständnis zur Nutzung des Internets. Daten sind Daten. Ob ich nun 1GB Daten durch Zeitunglesen verbrate, oder durch p0rn auf dem Arbeitsklo – es ist 1GB an Daten, die ich verbraucht habe.

          Und jetzt gehe ich mal weiter arbeiten…

  3. Neben der Diskriminierung alles außerhalb der Angebote und die Reduzierung der Wahrnehmung des Internets, ist es naiv und töricht zu Glauben, dass die Angebote kostenlos sind. Telekom und Vodafone installieren diese Selektion ja nicht, weil sie den Nutzern etwas Gutes angedeihen lassen wollen. Im günstigsten Fall kontrollieren sie „nur“ den Datenverkehr – und protokollieren diesen natürlich, weil Daten eine exzellente Verwertbarkeit darstellen. Der normal Fall ist, dass sie vor allem mitverdienen wollen, um den eigenen Profit zu steigern. Die „Partner“ bezahlen für ihre Teilnahme (wurde bei Heise oder Golem erwähnt). Was auch logisch ist, denn einzig darum geht es. In der Folge werden die „Partner“ diese Kosten auf die Allgemeinheit umlegen, was bedeutet, ALLE zahlen dafür, auch die Nicht-Nutzer dieser beschränkten Angebote. Netflix hat es vorgemacht und rechtzeitig vorher die Preise angehoben, um nach Möglichkeit zu vermeiden, dass ein Zusammenhang hergestellt werden kann. Wenn die Angebote nicht verboten werden, wird sicher Spotify folgen, denn die müssen derartige Extra-Kosten vermeiden. Es wäre also wünschenswert, wenn kritische Begleiter das gesamte Ausmaß beträchten und kommunizierten. Sich nur auf die Trennung zu konzentrieren, ist zu dürftig, weil gerade die Vielen egal ist. Aber wenn gezeigt wird, dass ihnen hintenherum doch das Geld aus der Tasche gezogen wird, könnte sich ihre Haltung (vielleicht) ändern.

    1. Die „Partner“ bezahlen für ihre Teilnahme.

      Nicht direkt, jedenfalls (noch) nicht mit Geld. Sondern mit dem Akzeptieren der AGB und dem Aufwand, den sie treiben müssen, um ihre Infrastruktur anzupassen. Damit wollen die Netzbetreiber das Risiko möglichst gering halten, um nicht gegen Art. 3 der TSM-Verordnung und die BEREC-Leitlinien zu verstoßen.

      Dass auf lange Sicht aber *alle* – mit Ausnahme der Netzbetreiber und einiger großer Platzhirsche – auf die eine oder andere Art bezahlen werden und nebenbei das offene Internet zugrunde geht, betonen wir in so gut wie jedem Artikel zu der Thematik.

      1. Ob (noch) kein direktes Geld fließt, wird sich wohl erst herausstellen, wenn sich der erste Whistleblower zeigt. Es ist logisch, dass alle beteiligten Unternehmen vermeiden wollen, die Hintergründe transparent zu machen.

        Und, bezogen auf @Zen, natürlich ist es Diskriminierung. Wer sich in der vermeintlichen kostenlos Blase aufhält, wird seine Nase kaum noch vor dessen Tür stecken. Alle Nicht-Partner werden damit faktisch der Nicht-Wahrnehmung ausgeliefert. Wenn Vodafone und Telekom dann argumentieren, es könne ja jeder Partner werden, ist das blanker Hohn. Aber es erfordert eben eigenes Denken, um nicht wie ein Hund jedem Leckerli hinterher zu jagen.

  4. Ich finde das lächerlich hier von Diskriminierung zu sprechen. Mal schön den Ball flach halten. Man zahlt dafür schließlich auch. Und solche Aussagen:

    „…Betroffen sind auch Bildungseinrichtungen und andere Angebote aus dem Ausland, die von Vodafone diskriminiert werden…“

    Sind mal sowas von fehl am Platz! Ihr tut so, als wenn ausländische Netzbetreiber, das für Angebote aus Deutschland tun würden.

    Deshalb, sorry – das Gejammer in diesem Artikel ist nicht ernst zu nehmen!

    1. Klar, wenn Du nicht über den Tellerrand hinausschaust, dann musst Du das nicht ernst nehmen. Warum spielt es für Dich eine Rolle was ausländische Netzbetreiber tun? Wenn Du in Deutschland eine ausländische Lernplattform (stell Dir vor, gibt’s) nutzen willst aber nicht kannst, dann bist Du gekniffen. Es soll tatsächlich Leute geben die das tun. Und dabei spielt’s mal überhaupt keine Rolle was irgendwer woanders tut. Nur weil Dich das null interessiert, ist es noch lange nicht lächerlich.

  5. Ich finde solche Angebote vom Provider toll. Keiner wird gezwungen mitzumachen, keine Daten werden bevorzugt und ich als Kunde habe Vorteile.

    Wo ist der Unterschied z.B. zu Payback? Dort schließen sich Unternehmen zusammen und geben mir als Kunde einen Gimmik. Da macht auch nicht jedes Unternehmen mit, trotzdem leidet kein Unternehmen oder Geschäft, weil es nicht mitmachen will.

    Ich kenne auch kein einziges Startup oder etablierte Firma, die nicht bei Vodafone Pass oder Telekom Streamon mitmacht und dadurch Probleme bekommen hat. Dennoch hält sich hartnäckig die Behauptung, dass Firmen durch das Zero-Rating diskriminiert werden. Warum klagt dann keine Firma gegen dieses Vorgehen? Wage Behauptungen aufstellen („Es ist diskriminierend“), aber keine Belege liefern, dass es wirklich so ist, das ist doch falsch.

    1. Gedankenexperiment: Wenn das gleiche Video auf zwei Plattformen steht, aber nur eine davon kann Zero-Rating-Partner sein, auf welchen Link würdest Du klicken?

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.