Mögliche Neuauflage der EU-Vorratsdatenspeicherung: Zeitlich begrenzt, aber verlängerbar

Da die Vorratsdatenspeicherung für die ganze EU rechtswidrig ist, sollen eben Daten einzelner Staaten oder Regionen auf Vorrat gespeichert werden dürfen. Das diskutieren die EU-Mitgliedstaaten, wie aus Dokumenten von Rat und Bundesregierung hervorgeht. Dafür könnte eine „erneuerbare Speicheranordnung“ geschaffen werden.

Regionales Obst und Gemüse auf Markt.
Vorratsdatenspeicherung: Bald so regional wie Obst und Gemüse? CC-BY-ND 2.0 Wissenschaftsjahr

Die EU-Staaten diskutieren derzeit über eine mögliche Neuauflage der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung. Die bulgarische Ratspräsidentschaft hat in der zuständigen Ratsarbeitsgruppe „Datenschutz und Informationsaustausch“ den Erlass von „erneuerbaren Speicheranordnungen“ angeregt. Diesen Vorschlag hatte bereits die estnische Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte 2017, damals noch knapp, erwähnt. Die „noch sehr vorläufigen Überlegungen“ werden laut Bundesjustizministerium von der deutschen Bundesregierung geprüft.

Was ist eine „schwere Straftat“?

Der Europäische Gerichtshof erklärte die in 2006 erlassene EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung acht Jahre später für ungültig. In seinem Urteil vom Dezember 2016 knüpfte das Gericht die Speicherpflicht von Telekommunikationsunternehmen zudem an strenge Voraussetzungen. Die allgemeine und anlasslose Speicherung, wie sie einige Mitgliedstaaten beschlossen hatten, ist demnach nicht mit Unionsrecht vereinbar. Es darf sich nur um nationale Ausnahmeregelungen handeln, die auf das Notwendige zu beschränkt werden müssen. Die Maßnahme dürfe nur zur Bekämpfung schwerer Straftaten herangezogen werden.

Der Begriff der „schweren Straftat“ ist in der EU jedoch nicht einheitlich definiert. Unzweifelhaft gehört hierzu die Terrorismusgefahr, die vom Ministerrat jedoch inflationär in die Welt gesetzt wird. Mit einer abstrakten „Terrorgefahr“ wird beispielsweise die abermalige Verlängerung von Kontrollen der Binnengrenzen im Schengen-Raum gerechtfertigt, nachdem die ursprüngliche Begründung wegen außergewöhnlicher Migrationsbewegungen ausgeschöpft wurde. In dem bulgarischen Ratsdokument ist außerdem davon die Rede, dass im Rahmen „erneuerbarer Speicheranordnungen“ auch Cyberkriminalität, mit dem Internet begangene Straftaten und Fälle lebensbedrohlicher oder dringender Situationen als „schwere Straftat“ angesehen werden könnten.

In ganzen „Regionen“ auf Vorrat speichern

Den Vorschlägen zufolge könnte das Verbot einer pauschalen Vorratsdatenspeicherung umgangen werden, in dem nicht die gesamte EU, wohl aber einzelne Staaten oder ganze „Regionen“ davon betroffen wären. Über die Größe einer solchen „Region“ machen die beiden Papiere keine Angaben. Eine solche Anordnung wäre auch zeitlich befristet, könnte jedoch gemäß Konzept bei Bedarf verlängert werden. Auch hierzu bleibt der Rat zunächst vage, möglicherweise würde sich eine solche Verlängerung an anderen EU-Maßnahmen orientieren. Im Bereich der Wiederdurchführung von Grenzkontrollen ist beispielsweise eine mehrmalige Ausdehnung auf maximal zwei Jahre vorgesehen.

Dem Erlass einer solchen regionalen Vorratsdatenspeicherung könnten Bedrohungsanalysen vorangehen, in denen die Gefahr „schwerer Straftaten“ für bestimmte Mitgliedstaaten zunächst untersucht wird. Hierfür sollen die von der Polizeiagentur Europol jährlich erstellten Lageberichte zu organisierter Kriminalität und Terrorismus genutzt werden.

Europol erstellt „Matrix“

Von einer „erneuerbaren Speicheranordnung“ wären dem Vorschlag zufolge alle Telekommunikationsanbieter und alle Formen elektronischer Kommunikation betroffen, darunter Festnetz- und Mobilfunkverbindungen, Internet, Internettelefonie und E-Mail. Kleinere Firmen oder solche, die nur spezielle Dienste erbringen, könnten jedoch Ausnahmen beantragen.

Das bulgarische Papier nennt außerdem die Option einer „restriktiven“ Datenspeicherung, indem die zu speichernden Daten auf bestimmte Kategorien reduziert werden. Es bleibt aber vage, um welche „absolut und objektiv notwendigen“ Daten es sich dabei handeln soll. Die Polizeiagentur Europol wurde hierzu vom Rat beauftragt zu klären, welche Daten zu Inhaltsdaten, Verkehrsdaten, Geodaten und Bestandsdaten gezählt werden können. Das Ergebnis ist nicht bekannt, dem Bundesinnenministerium zufolge entspricht die „Matrix“ von Europol jedoch den Kriterien des Europarates sowie des Electronic Telecommunications Standards Institute (ETSI).

4 Ergänzungen

  1. „Immer wieder Sonntags, kommt die Verlängerung!“

    Der Brüller!

    Was ist eine „schwere Straftat“?

    Recht einfach, alles was der regierenden und demnächst der lokalen Politik (Regionalgouverneure) nicht in den Kram passt, wie z.B. Bürger die ihre Rechte und Pflichten kennen und darauf pochen, also dafür auch mal demonstrieren, wie für die KiTa Plätze!
    Gegen solche Terrororganisationen muss mit aller Härte vorgegangen werden, solchen Demos sind doch ständig im Fernsehen und werden auch immer gewalttätiger.
    Nun, sobald solche Schlägertrupps von einer solchen Veranstaltung Wind bekommen, setzen sie die Segel, um sich zu amüsieren!
    Dieses Amüsement muss, so schwer es den Regierigen auch fällt, unterbunden werden, auch wenn die Veranstaltung kurzfristig untersagt werden muss, da die Hooligans ( https://de.m.wikipedia.org/wiki/Hooligan ) auch vor friedlichen Demos nicht halt machen!
    Man muss eben die friedliebenden Bürger vor solchen Veranstaltungen schützen, auch wenn sie nicht an diesen Teilnehmen dürfen!

    Wer Ironie findet …

  2. die in der EU hierfür verantwortlichen missachten damit einiges von dem, was der EuGH im urteil aus 2010 explizit ausgeführt hat. beispiel randnummer 58:

    „Die Richtlinie 2006/24 betrifft nämlich zum einen in umfassender Weise alle Personen, die elektronische Kommunikationsdienste nutzen, ohne dass sich jedoch die Personen, deren Daten auf Vorrat gespeichert werden, auch nur mittelbar in einer Lage befinden, die Anlass zur Strafverfolgung geben könnte. Sie gilt also auch für Personen, bei denen keinerlei Anhaltspunkt dafür besteht, dass ihr Verhalten in einem auch nur mittelbaren oder entfernten Zusammenhang mit schweren Straftaten stehen könnte. Zudem sieht sie keinerlei Ausnahme vor, so dass sie auch für Personen gilt, deren Kommunikationsvorgänge nach den nationalen Rechtsvorschriften dem Berufsgeheimnis unterliegen.“

    quelle: https://wiki.freiheitsfoo.de/pmwiki.php?n=Main.EuGH-VDS-Urteil#toc58

    man versucht mit den im beitrag beschriebenen neuen randbedingungen eine scheinerfüllung der interpretation der grundrechte-charta durch das EuGH hinzubekommen. faktisch müsste nach inkrafttreten der neuen regelungen wieder dagegen geklagt und die klage durch alle instanzen erneut bis nach luxemburg getragen werden. das dauert erneut viele jahre und dann geht das „spiel“ wieder von neuem los.

  3. Massenüberwachung und Kontrolle, egal wie. Diesen Leuten scheint der Wunsch nach einem oppressivem System in Europa ja tiefste Herzensangelegenheit zu sein. Die Verhältnismäßigkeit scheint dabei schon lange keine Rolle mehr zu spielen.
    Ich möchte stark bezweifeln dass der bulgarische (oder evtl. ein anderer) Ratsvorsitz wirklich im Sinn hat Korruption und Organisierte Kriminalität wirksam zu bekämpfen. Die Möglichkeit dazu haben sie schon seit Jahrzehnten.
    Wenn andere Staaten es schaffen die Gesellschaft ohne VDS relativ gesehen freier von Korruption und OK zu halten, ist dies, angesichts der Lage in Bulgarien, vielleicht kein guter Zeipunkt um eine solche Vorlage überhaupt zu diskutieren.
    Falls sie dennoch weiter behandelt wird sollte man daraus dann folgern können, wie es um die ökonomisch-politische Konstitution des Rates inzwischen bestellt ist?

  4. Diese Trottel können speichern was sie wollen, die finden die Tatsache nicht einmal wenn man ihnen auf den Büro Tisch vor deren Gesicht scheisst

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