Kanzleramt: Klare Absage an Kupfer beim Breitbandausbau

Nach Jahren der Fehlentwicklungen unter Alexander Dobrindt erteilt die neue Bundesregierung der staatlichen Förderung von Kupfer endlich eine Absage. Künftig werde man nur mehr echte Glasfaserleitungen fördern, erklärte Kanzleramtschef Helge Braun. Das ist nur eine von mehreren Baustellen in der deutschen Infrastrukturpolitik.

Der designierte Kanzleramtschef Helge Braun gibt die Linie vor: Staatlich gefördert sollen nur mehr echte Glasfaserleitungen. CC-BY-ND 2.0 Marco Jentsch

Die neue Bundesregierung krempelt ihre Breitbandstrategie um und will künftig nur mehr echte Glasfaseranschlüsse staatlich fördern. Das kündigte der designierte Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) gestern Abend an. „Wir fördern in Zukunft nur noch Glasfaser“, sagte Braun zu heute.de. „Was die staatliche Förderung angeht, ist es ein glasklares Nein zu Vectoring.“

Bislang setzte das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) unter Alexander Dobrindt (CSU) in erster Linie auf die kupferbasierte Übergangstechnologie, um das 2013 ausgerufene Ziel einer flächendeckenden Breitbandversorgung rechtzeitig zu erreichen. Doch bis Ende 2018 wird sich das Versprechen nicht umsetzen lassen, wie bereits seit geraumer Zeit feststeht.

Ende der Kupferförderung

„Die Sorge, die manche hatten, dass wir Kupferkabel fördern, dass wir Vectoring finanzieren mit staatlichen Mitteln, das tun wir nicht, sondern wir wollen wirklich auf die neue Technologie setzen, und wir sind bereit, sehr viel Geld auszugeben“, sagte Braun. Tatsächlich blieb der Koalitionsvertrag dahingehend unscharf. Darin heißt es, dass „Ausbauabschnitte förderfähig sind, die mit Glasfasertechnologie ausgebaut werden.“

Da jedoch die Vectoring-Verteiler, die an der Bordsteinkante stehen, mit Glasfaser angeschlossen werden, wäre weiterhin die Lieblings-Technologie der Telekom Deutschland staatlich bezuschusst worden. Auch das BMVI verkaufte diesen Zwischenschritt irreführend als „Glasfaserausbau“. Damit soll nun endgültig Schluss sein.

Selbstverständlich könnten private Anbieter einzelne, abgelegene Haushalte über Vectoring anbinden, betonte Braun. „Das können wir einem privaten Anbieter natürlich nicht verbieten, aber fördern werden wir es nicht.“ Das langfristige Ziel laute nun, bis 2025, also über die kommende Legislaturperiode hinaus, „flächendeckend Gigabit-fähige Netze“ zu errichten. Im Bundeshaushalt sollen dafür in den nächsten vier Jahren zehn bis zwölf Milliarden Euro bereitgestellt werden.

Bundesförderung tröpfelt vor sich hin

So sei in der vergangenen Legislaturperiode nur ein Bruchteil dieser Summe zur Verfügung gestanden, sagte Braun. Ganz richtig ist das nicht, immerhin wurde der Topf mit insgesamt vier Milliarden Euro an Bundesmitteln ausgestattet. Dass davon aber nur ein geringer, einstelliger Prozentsatz bei den Ausbauprojekten angekommen ist, liegt am generellen Chaos im BMVI. Das Ministerium hatte erst zwei Jahre nach der Regierungsbildung 2013 ihr Bundesförderprogramm vorgestellt. Dieses leidet bis heute an der komplizierten Vergabepraxis. Erste, halbwegs greifbare Fortschritte beim lahmenden Breitbandausbau sind erst Mitte bis Ende 2018 zu erwarten, werden wohl aber überwiegend auf Vectoring basieren.

Der nun eingeschlagene und längst überfällige Kurswechsel ist erfreulich, schließlich liegt Deutschland in allen einschlägigen Statistiken zum Glasfaserausbau europaweit auf den hintersten Plätzen. Doch mit der verfehlten Vectoring-Strategie hat das Land nicht nur kostbare Zeit verloren, sondern auch dafür gesorgt, den Wettbewerbern des Marktführers Telekom Deutschland das Wasser abzugraben – was den Ex-Monopolisten natürlich nicht davon abhält, sich weiterhin für Regulierungsferien und einen zurechtgestutzen Wettbewerb einzusetzen.

Zudem wird sich die neue Linie nicht sofort einschlagen lassen, denn an bereits bewilligten Projekte wird vermutlich nicht gerüttelt werden. Erst mit „Beginn der neuen Bundesregierung“ werde man damit anfangen, sagte Braun, „Ausschreibungen zu machen, um überall da zu fördern, wo ein wirtschaftlicher Glasfaserausbau nicht möglich ist.“ Das ist nachvollziehbar, legt aber schonungslos offen, welche Irrwege die deutsche Infrastrukturpolitik unter Dobrindt in den letzten Jahren zurücklegen musste.

Kompetenzen und Positionen müssen rasch geklärt werden

An der Ankündigung erstaunt, dass sie von Helge Braun kommt und nicht vom designierten Infrastrukturminister Andreas Scheuer oder der für Digitalisierungsfragen zuständigen Staatsministerin Dorothee Bär. Die Kompetenzen sowie Details der Neuausrichtung muss die Regierung nun rasch klären, damit Deutschland nicht weiter zurückfällt.

Ebenfalls Klärungsbedarf besteht bei der deutschen Position bei der Reform der EU-Rahmenbedingungen für den Telekommunikationssektor. Bis zuletzt hatte sich Deutschland für eine Deregulierung des Glasfasermarktes und somit für eine Stärkung marktbeherrschender Unternehmen eingesetzt. Auch in diesem Punkt bleibt bis auf Weiteres unklar, wie die Passagen im Koalitionsvertrag genau auszulegen sind. Abrücken will die künftige Bundesregierung jedenfalls von der bislang geltenden Vorabregulierung, stattdessen will sie auf ein „Modell des diskriminierungsfreien Zugangs (im Sinne des Open-Access)“ in neu gebauten Glasfasernetze setzen. Sollten wettbewerbliche Probleme auftreten, dann könnten die Regulierer diese im Nachhinein lösen, so die Hoffnung.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

5 Ergänzungen

    1. Huch, danke für den Hinweis, ist korrigiert. Immer noch besser als „Helge Schneider“, was mein Hirn unbedingt immer schreiben will.

  1. Der Mann (Helge Braun) kommt aus dem Landkreis Gießen, da steht es wohl schlecht mit dem Internet, außerdem ist er 46 Jahre Jung, also Nutzer von Internet Diensten oder seine Familie tritt ihm auf die Füße!

    Wenn sich bis 2019 nix bei der Vergabe geändert hat, war es wieder mal nur eine Nebelkerze.

  2. Ich möchte aber vom Kanzleramt wissen, wer – und für wen sprechend ? – beim 37. Treffen des UN Menschenrechtsrats den Vorschlag, zukünftig besser Machtmissbrauch bei Geheimdiensten zu prüfen/ zu verhindern, abgelehnt hat.
    Dass Helge Braun, der neue oberste Dienstherr des BND, zusammen mit Seehofer als Dienstherr des Inlandsgeheimdienstes, schnelles allumfassendes Netz wünscht, ist nur dann für mich eine gute Nachricht, wenn der Machtmissbrauch bekämpft wird.

    https://www.heise.de/newsticker/meldung/Deutschland-gegen-Abkommen-zu-staatlicher-Ueberwachung-und-Vertraulichkeit-3987806.html
    welches Argument hätte dagegen gesprochen ?
    Ich kann schwergewichtige Argumente aus den Untersuchungsausschüssen NSA / NSU nennen,
    die FÜR die zus. Beobachtung durch UN-Menschrechtler gesprochen hätten!

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.