Facebooks schmallippige Lobbyisten bereiten dem Bundestag neue Regulierungslust

Mit Joe Kaplan sprach heute ein hochrangiger Facebook-Vertreter im Bundestag hinter verschlossenen Türen. Dort ließ er sich aber kaum neue Aussagen entlocken, klagten hinterher Abgeordnete. Immerhin deuten Koalitionspolitiker nun neuen Enthusiasmus für stärkere rechtliche Kontrolle der Internetkonzerne an.

Sinistere Anhörung im Bundestag: Beim Meet & Greet mit Facebook-Vertreter Joe Kaplan war die Öffentlichkeit leider ausgeschlossen. – Alle Rechte vorbehalten Anke Domscheit-Berg

Ein hoher Gast beehrte heute den Bundestag: Facebook-Cheflobbyist Joe Kaplan stellte sich in einer Sitzung den Fragen der Abgeordneten zum Missbrauch von Nutzerdaten und der Rolle Facebooks in Wahlen. Nur leider war aus dem illusteren Verteter des Konzerns wenig herauszukriegen, beklagten Abgeordnete nach der rund eine Stunde kurzen morgendlichen Begegnung. Auch fand die Anhörung wenig transparent hinter verschlossenen Türen statt. Immerhin: In die deutsche Debatte um eine härtere Regulierung von Facebook und anderen Internetgiganten scheint nun langsam ein wenig in Bewegung zu kommen.

Facebook-Dienste für alle öffnen

Für Überraschung der anderen Fraktionen sorgte am Freitag im Bundestag eine Äußerung des CDU-Abgeordneten Thomas Jarzombek, man könne Facebook durch neue Regulierung zur Interoperabilität seiner Plattform zu zwingen. Das wäre ein Schlag gegen die Marktmacht des Konzerns: Facebook müsste dann etwa Nutzern seines Messengers ermöglichen, auch mit Nutzern anderer Dienste Nachrichten auszutauschen. Ähnlich wie bei offenen Standards wie Email wären User dann nicht von einer einzelnen Plattform abhängig und könnten frei entscheiden. Grüne und Linke fordern eine solche Interoperabilität schon seit längerem.

Ein Mitarbeiter des CDU-Abgeordneten Jarzombek betonte auf Anfrage von netzpolitik.org allerdings, die Äußerung von Jarzombek sei falsch interpretiert worden. Die Unionsfraktion habe sich noch nicht auf eine gemeinsame Position zur Interoperabilität festgelegt. Es werde aber über die Verpflichtung zu Interoperabilität in den Gremien gesprochen.

Der SPD-Abgeordnete Ulrich Kelber drängt dazu, das Thema auf der Agenda zu behalten. Der Bundestag und die Bundesregierungen sollten die Frage auf die europäische Ebene heben, sagte der Abgeordnete auf telefonische Nachfrage. Bereits die Datenschutz-Grundverordnung habe gezeigt, dass europäische Gesetzgebung auch in anderen Weltgegenden ihre positiven Effekte zeige.

Linken-Abgeordnete Anke Domscheit-Berg sprach sich vehement für Schritte hin zu Regulierung Facebooks aus. Wegen des Netzwerkeffekts bei Internetdiensten sei die Öffnung ein wichtiger Schritt, die Marktmacht einzelner Firmen zu brechen. Die Verpflichtung zur Interoperabilität werde sich nicht auf nationaler Ebene regeln lassen, sondern müsse auf EU-Ebene passieren, betonte die Abgeordnete zu netzpolitik.org. Von den Grünen hieß es, man werde demnächst einen Antrag zur Interoperabilität einreichen. Der Druck auf die Regierungsfraktionen steigt.

Facebooks beredtes Schweigen beim Thema Wahlen

Die Abgeordneten versuchten am Freitag, dem Facebook-Vertreter Kaplan im Bundestag Antworten zum Einfluss des Unternehmens auf die politische Meinungsbildung zu entlocken. Kaplan wiederholte dabei nach Angaben mehrere Seiten größtenteils bekannte öffentliche Statements von Facebook.

Der Konzern will demnach ab Juni 2018 global – und auch in Deutschland – jegliche politische Werbung auf seiner Plattform über die „View Ads“-Funktion kennzeichnen. „Wir werden für jede politische Seite eine Übersicht für geschaltete (laufende) Werbung einrichten, sodass jeder sehen kann, welche Werbung eine Seite insgesamt schaltet“, erläuterte eine Facebook-Sprecherin zuletzt in einer Email an netzpolitik.org. Allerdings gilt das nur für derzeit geschaltete Werbung und nur für eine einzelne Seite, es bleibt daher schwierig, sich über das Gesamtvolumen politischer Kampagenen einen Überblick zu schaffen. Auch ist fraglich, wie aussagekräftig die Angaben in „View Ads“ wirklich sind. Politische Werbung auf Facebook bleibt wohl auf absehbare Zeit nicht allzu transparent.

Die Grünen-Abgeordnete Tabea Rößner kritisierte den Auftritt Kaplans in einem Statement heftig. „Die Anhörung hat ein weiteres Mal gezeigt, dass die grundlegende Haltung von Facebook unverändert ist: ‚Business as usual‘.“ Dies sei höhnisch gegenüber den Nutzern, deren Daten von dubiosen Datenfirmen wie Cambridge Analytica missbraucht wurden. Auch im Bezug auf den eigenen Einfluss auf die politische Meinungsbildung ziehe sich das Unternehmen aus der Affäre, sagte Rößner. Die Grünen fordern, politisches Microtargeting bei Wahlen stärker zu regulieren und wollen von der Bundesregierung in einer Kleinen Anfrage wissen, was sie zur Einschränkung der Nutzung der Plattformen bei Wahlen zu tun gedenke.

Eine etwas positiver Einschätzung gab es hingegen von Rößners Fraktionskollegin Renate Künast. „Der öffentliche und politische Druck auf Facebook zeigt erste Wirkung“, sagte Künast der Berliner Morgenpost nach der Runde mit Kaplan. Auch die prominente Grünen-Politikerin räumte allerdings ein, dass Facebook viele Fragen unbeantwortet lasse. In einigen Fällen müssten gegebenenfalls rechtliche Schritte gegen den Datenkonzern eingeleitet werden.

Eine eher nebulöse Antwort gab der Facebook-Vertreter im Bundestag auch zur Frage weiterer Datenlecks. Kaplan sagte übereinstimmenden Angaben zufolge, seine Firma prüfe, ob zehntausende weitere Apps ähnlichen Zugriff auf Nutzerdaten wie Datensammler im Auftrag von Cambridge Analytica gehabt haben könnten. Damit macht der deutlich, dass der Fall nur die Spitze des Eisberges ist. Offenkundig wusste nicht mal Facebook selbst die längste Zeit, wer was mit welchen Nutzerdaten auf seiner Plattform macht.

Hamburger Verfahren gegen Facebook

Der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar leitet indes ein Verfahren gegen Facebook wegen des Missbrauchs von Nutzerdaten ein. Dabei geht es um die Verletzung des deutschen Datenschutzgesetzes, das höchste mögliche Bußgeld ist daher mit 300.000 Euro nicht allzu hoch für den Facebook-Konzern. In einem Interview verwies Caspar auf problematische Datenpraktiken von Facebook bis 2015 – ein indirekter Bezug auf die Affäre um Cambridge Analytica.

Das Verfahren ist vermutlich nur der Auftakt für eine viel strengere Kontrolle der Social-Media-Firma durch die deutschen Datenschutzbehörden. Durch die Datenschutz-Grundverordnung der EU sind ab deren Inkrafttreten am 25. Mai Strafen von bis zu vier Prozent des globalen Umsatzes möglich. Bei Facebook wären das bei rund 40 Milliarden Dollar Umsatz im Vorjahr rund 1,6 Mrd. Dollar. Genug, um selbst den Internet-Giganten zu schmerzen.

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5 Ergänzungen

  1. Das Einzige, was man Facebook zur Last legen kann, ist auch NICHT-Mitglieder zu tracken. Letztlich kann man nur staunen, dass dort so viele angemeldet sein sollen. Immerhin 370 Millionen von 500 Millionen Europäern. Also abzüglich von Rentnern und Kleinkindern ALLE. Das hat ein ganz komisches Geschmäckle. Aber, wer sich dort und in ähnlichen „social media“ anmeldet, muss mit den damit verbundenen Konsequenzen rechnen.

    Unter fake – Accounts habe ich mir diese „social media“ auf einem gesonderten Rechner bei geleerter Telefonliste im Router angesehen. Da gab es keine wirkliche Hetze und überwiegend hirnloses Geblubber. Von daher liegt es an jedem selbst, ob er sich diese Spitzel- und Schnüffel- Gesellschaft gefallen lässt. Nur die Nutzer können mit den Füßen abstimmen. Und das ginge auch Facebook richtig an den Geldbeutel.

    Wenn die Politik, was Internet anbetrifft, die vergangenen 10 Jahre fest geschlafen hat, kann sie das auch seinen Gang gehen lassen. Die Nutzer selbst entscheiden. Allerdings würde ich Nutzern im Öffentlichen Dienst mit Kündigung drohen, falls sie über Dienstgeräte auf solche Netzwerke zugreifen. Denn das sind definitiv auch Spionagenetze. Wie Snowden schon vor Jahren bewies.

    1. Eine Kündigung aufgrund der Nutzung von Facebook und Co. würde viele Menschen (sehr viele!) arbeitslos machen und wäre obendrein weder umsetzbar noch praktikabel. Zwar wehrt sich unsereins (z. B. Leute, die dies lesen) gegen solche Praktiken mit allen Mitteln, die gerade passen und beliebt sind.

      Doch selbst beim absoluten Nicht-Verwenden von Social Media wirst du mit höchster Wahrscheinlichkeit getrackt. Man denke dabei z. B. an die ganzen kleinen JavaScripte und Social-Media-Buttons auf Websites oder die Nutzung von Social Media in der nächsten Umgebung (z. B. Familie). Gegen solche Dinge kann man sich nur mit „Gewalt“ wehren (z. B. JS-Blocker und Nerd-WGs).
      Das ist natürlich nur ein Beispiel, wie die Verwendung der ganzen Abkürzungen „z. B.“ wohl zeigen.

      Wovor man wirklich Acht geben sollte, sind die Schnüffler, über die man (fast, Edward Snowden sei Dank) nichts weiß. Namentlich die NSA oder der BND. Durch schöne Pakte gewähren die Internet-Konzerne breitwillig Zugang zu ihren Daten (Programm PRISM). Wer zufällig dazwischen fällt, aber sonst nicht auftaucht, ist dann schon fast automatisch ein Terrorist (Sarkasmus).

      1. @PCI
        Mit uBlock origin und noscript / umatrix kommt man recht weit. Wenn man dann noch Canvas-Fingerprinting und HSTS abschaltet, sind viele der Tracker außen vor. Irgendwelche Geheimdienste, die selbstverständlich auch alles wissen wollen, wären mir weitgehend egal. Die kann man durch die Nutzung von Tor noch etwas begrenzen. Da Länder wie USA, UK und Frankreich als exit points gesperrt, sollte auch noch helfen. Natürlich kann man sich auch in andere Netze, wie I2P, verkriechen. Das macht aber fast niemand.

  2. Herr Kaplan muss sich doch veralbert vorgekommen sein, hat er doch der SPD Führung und der Union zum Wahlsieg verholfen!

    Ironie? Sicher?

  3. Man sollte Gangsterkonzerne wie „Facebook“ in der BRD einfach abschalten! Braucht eh‘ niemand!

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.