Erfolg vor Gericht: Wissenschaftliche Dienste von Landtagen auskunftspflichtig (Update)

Auch Landtage müssen auf Anfrage Gutachten ihrer Wissenschaftlichen Dienste herausgeben. Das hat das Verwaltungsgericht Mainz entschieden. Dem Urteil vorausgegangen war eine hartnäckige Blockadetaktik des Landes Rheinland-Pfalz.

2016 beschloss das rheinland-pfälzische Parlament eine Generalsanierung seines Landtags. Sein Verhältnis zur Transparenz muss jetzt auch erneuert werden. CC-BY-NC 2.0 Stephan Dinges

Der Landtag Rheinland-Pfalz muss Gutachten seines Wissenschaftlichen Dienstes auf Anfrage nach dem Transparenzgesetz herausgeben. Das ist das Ergebnis einer Klage von FragDenStaat vor dem Verwaltungsgericht Mainz, deren Urteil nun vorliegt.

Voraussichtlich endet mit dem Urteil eine Posse um die rheinland-pfälzische Parlamentsverwaltung, welche keine Mühen gescheut hatte, um mehr Transparenz für den Wissenschaftlichen Dienst zu verhindern. Gegen das Urteil ist keine Berufung zugelassen, es ist aber noch nicht rechtskräftig.

Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags entschied nach einer Informationsfreiheits-Kampagne 2016, all seine Gutachten online zu veröffentlichen. Unmittelbar danach erreichten die Landtage in ganz Deutschland Anfragen, ihre Aktenschränke ebenfalls zu öffnen. Während etwa Brandenburg entschied, sämtliche Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes auf seiner Website verfügbar zu machen, wehrte sich der Landtag in Mainz. Zunächst sandte er einzelne Gutachten, zum Beispiel zum Bannmeilengesetz, auf Anfrage mit deutlicher Verspätung zu. Das geschah lediglich „außerhalb des Transparenzverfahrens“ des Landestransparenzgesetzes, wie das Informationsfreiheitsgesetz in Rheinland-Pfalz genannt wird.

Landtag ließ Gutachtentitel aus Datenbank löschen

Schließlich weigerte er sich allerdings, weitere Gutachten zur Verfügung zu stellen. Doch damit nicht genug: Um weitere Anfragen zu verhindern, ließ der Landtag die Titel seiner Gutachten aus der deutschlandweiten Gutachten-Datenbank löschen, die vom nordrhein-westfälischen Landtag gepflegt wird. Rheinland-Pfalz ist durch dieses Vorgehen neben dem Saarland nunmehr das einzige Bundesland, das nicht am wissenschaftlichen Austausch der Bundesländer teilnimmt.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz macht jetzt deutlich, dass die Blockadetaktik des Landtags keinen Erfolg hatte. Auch der Wissenschaftliche Dienst in Rheinland-Pfalz muss Gutachten herausgeben, die von Landtagsfraktionen in Auftrag gegeben wurden. Der Landtag hatte argumentiert, dass diese aufgrund der verfassungsrechtlich hervorgehobenen Position der Fraktionen besonders geschützt seien. In der Klage ging es exemplarisch um ein Gutachten zu gesetzlichen Grundlagen für Live-Stream-Übertragungen von Ratssitzungen.

Schleswig-Holstein änderte Gesetz, um Dokumente nicht herauszugeben

Damit überträgt das Verwaltungsgericht das Urteil des Bundesverwaltungsgericht zum Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags erstmals auch auf einen Landtag. Dies ist auch als Signal an andere Landesparlamente zu verstehen. Die Verwaltung des Landtags in Sachsen-Anhalt etwa zögert seit anderthalb Jahren eine Entscheidung über die Veröffentlichung der dortigen Gutachten heraus.

Für den Landtag in Schleswig-Holstein kommt das Urteil allerdings zu spät. Dort ließen im vergangene Jahr die damaligen Regierungsfraktionen aus SPD, Grünen und SSW-Wählerverband gemeinsam mit den Oppositionsparteien aus CDU und FDP das Informationszugangsgesetz ändern, damit das Parlament Gutachten nicht herausgeben muss.


Update, 08.01.2017:
Laut epd will der rheinland-pfälzische Landtagspräsident Hering (SPD) das Urteil nicht akzeptieren. Deswegen wird der Landtag Nichtzulassungsbeschwerde einlegen.

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8 Ergänzungen

  1. Wieso kann Schleswig-Holstein nicht trotzdem gezwungen werden?
    Die anderen Verweigerer könnten nun doch auch das Gesetz einfach ändern.
    Und wieso konnten die das Gesetz einfach ändern, wurde das nicht zwingend eingeführt?

    Und was ist das für ein Wählerverbund, der sich zu Nutten dieser Parteien machte?
    Haben die wirklich einen eigenen Grund, oder hoffen die dass sie dafür in anderen Fällen gehört werden (dann wären sie die „Nutten“)?

    Und wenn es nun auf Bundesebene eine Pflicht gäbe, wo bleibt die Veröffentlichung der UFO-Akten?

  2. Kleine Korrekturanmerkung: Im letzten Satz heißt es: „Dort ließen im vergangene Jahr die damaligen Regierungsfraktionen aus SPD und Grüne gemeinsam mit den Oppositionsparteien CDU, FDP und dem Wählerverband SSW…“ Für mich klingt das, als bestünde die Regierungskoalition nur aus SPD und Grünen, während der Wählerverband SSW erst nach den Oppositionsfraktionen genannt wird. Tatsächlich war der SSW zu dem Zeitpunkt aber Teil der Regierungsfraktion in der sog. „Küstenkoalition“. Der Formulierung von Euch ist deshalb nicht zwingend falsch, aber zumindest doch missverständlich.

  3. Wer nix zu verbergen hat, hat auch nix zu befürchten, aber mal im ernst: Die wundern sich das die Leute das Vertrauen in die Politik verlieren? Ich nicht.

  4. Gratuliere zu dem Erfolg!

    Im Schleswig-Holsteinischen Landtag waren auch wir PIRATEN in der Opposition und wir haben als einzige massiv Front gegen die Änderung gemacht – vergeblich.

    Nachdem sie dennoch beschlossen wurde, klagen wir dagegen. Die Klage liegt aktuell in zweiter Instanz beim Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgericht (Az. 4 LB 45/17).

    1. Vielen Dank dafür (ich denke, im Namen Vieler) und viel Erfolg bei der Klage!

      Beste Grüße gen Norden.

      Jörg B.

  5. Ist jetzt mal recht Allgemein gehalten.

    Zumeist werden im Vorlauf zu diversen Gesetzen Studien/Gutachten zu deren Auswirkungen gemacht.
    Zumeist sind die Ergebnisse der Studien/Gutachten diametral zu den erwarteten offiziell verlautbarten Erwartungen zu diesen Gesetzen.
    Deswegen werden eben genau diese Studien/Gutachten mehr oder minder unter Verschluss gehalten, damit nicht der Verdacht aufkommt, das die Politiker schon vor der Verabschiedung diverser Gesetze, die möglichen verheerenden Folgen dieser Gesetze, schon vor deren Verabschiedung/ in Kraft treten, wie soll ich es ausdrücken, diesen Politikern nicht nur bekannt, sondern deren reale Folgen anscheinend politisch auch so gewollt waren?

    Ja, ich bin wohl ein Ketzer und gehöre wohl auf den Scheiterhaufen!

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.