Endlich auch offline verfügbar: Gläserne Kunden

Was online leider Alltag ist, wird derzeit auch offline Realität: In Geschäften, Flughäfen und Innenstädten überwachen mehr und mehr Unternehmen das Bewegungs- und Einkaufsverhalten ihrer Kunden. Ein Artikel der Deutschen Presseagentur gewährt einen Überblick.

„Monitor Shopping and Street Activity“ – so wirbt eine Firma für ihre Offline-Tracking-Produkte. Auf heise.de gibt es einen Hintergrund zu dem Thema zu lesen. Screenshot: Libelium

Mit immer ausgefeilteren Methoden wird das Bewegungs- und Einkaufsverhalten von Kunden inzwischen nicht nur online, sondern auch im stationären Handel aufgezeichnet und analysiert. In einem unter anderem bei heise.de veröffentlichen Artikel der dpa werden heute die Fortschritte der Industrie bei diesem sogenannten Offline-Tracking beleuchtet. Einer Schätzung des Handelsforschers Ulrich Spaan zufolge experimentieren derzeit etwa 20 Prozent der Einzelhändler in Deutschland mit diesen Überwachungsmethoden.

Dabei gehe es längst nicht nur um statistische Messungen, sondern auch um die Erstellung und Auswertung individueller Profile, so der Artikel weiter:

Eine Möglichkeit ist das Tracking per WLAN. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Mobiltelefon des Kunden im WLAN des Geschäftes eingeloggt ist oder nicht. Eine der Firmen, die daraus anonymisierte Bewegungsprofile für Händler errechnet, ist die Firma Minodes, die zu Telefónica gehört. Zu ihren Kunden gehören unter anderem Karstadt Sports und Escada. „Mit Hilfe der Datenanalyse kann der Betreiber Kundenströme besser verstehen und beispielsweise Sortiment, Öffnungszeiten, Ladengestaltung, Personaleinsatz oder Marketing nach den Bedürfnissen der Kunden anpassen“, erklärt eine Sprecherin.

Doch Ziel der Händler sei, nicht mit anonymen, sondern personalisierten Daten zu arbeiten, sagt Spaan. Dafür müssten die Käufer allerdings einwilligen. „Das ist das Ziel der meisten Unternehmen“, erklärt er: „Dass der Kunde in den Laden tritt, und der Händler sein Gesamtprofil sehen kann.“ Das könnte vor allem durch Apps funktionieren, die viele Händler inzwischen anbieten. Mit ortsspezifischen Angeboten und Coupons wollen sie Kunden locken, sich anzumelden. Unter anderem bei Edeka und Netto kann man auch per App bezahlen. Das heißt nicht, dass die Händler persönliche Daten weitergeben, doch sie können den einzelnen Smartphones bestimmte Einkaufsverhalten zuordnen.

Smartphones und Apps als Tracking-Schnittstellen

Supermärkte und Geschäfte werden so gerade zu einem großen Experimentierfeld für kommerzielle Überwachungstechnologie. Zentrale Tracking-Schnittstellen sind dabei Smartphones und die Apps der Einzelhändler. Die Autorin des Artikels erwähnt etwa auch eine Edeka-Filiale in Düsseldorf, in der das Bewegungs- und Einkaufsverhalten der Kunden mithilfe eines LED-Leuchtsystems analysiert wird. Es schickt Signale an die Smartphone-Anwendung, die Kunden zur Orientierung im Laden nutzen können. Eine deutlich häufiger eingesetzte Technik sind kleine Bluetooth-Sender namens „Beacons“, die direkt mit den Apps kommunizieren.

Über diese Apps holen sich die Einzelhändler häufig auch das formelle Einverständnis ihrer Kunden ab – oft ohne, dass diese verstehen, worin sie tatsächlich einwilligen. Wer sich derzeit dagegen schützen will, sollte also auf die Nutzung der Apps von Einzelhändlern verzichten – und die WLAN- und Bluetooth-Signale am Smartphone ausschalten, wenn sie gerade nicht benötigt werden.

ePrivacy-Verordnung könnte klarere Regeln bringen

Bei einer repräsentativen Umfrage des Verbraucherzentrale Bundesverbands sprachen sich 2017 mehr als die Hälfte der Teilnehmenden dafür aus, Offline-Tracking komplett zu verbieten. Mit der derzeit heftig umkämpften ePrivacy-Verordnung der EU könnte es bald tatsächlich zu strengeren Regeln für die Anwendung von Offline-Tracking kommen. Das EU-Parlament hat sich dafür ausgesprochen, dass es nur bei statistischen Zählungen von Besucherströmen ungefragt angewendet werden darf. Sobald individuelles Verhalten überwacht wird, müssten Nutzer dann nicht nur zwingend um ihr Einverständnis gefragt, sondern vorher auch umfassend über die Datensammlung und -auswertung aufgeklärt werden.

Die EU-Kommission hatte zunächst vorgeschlagen, dass es ausreichen soll, wenn in Geschäften Schilder auf das Offline-Tracking hinweisen. Wer sich am Ende durchsetzen wird, hängt maßgeblich davon ab, wie sich die Mitgliedstaaten der EU positionieren. Eine Entscheidung der Bundesregierung steht noch aus.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

19 Ergänzungen

  1. Patient: Herr Doktor, ich Glaube, ich werde auf Schritt und Tritt verfolgt!
    Doktor: Ja und? Wir Leben schließlich im 21. Jahrhundert, was im 20. Jahrhundert noch eine Krankheit war, ist heute der normale Alltag!
    Patient: Was wollen diese Leute von mir?
    Doktor: Es geht diesen Leuten um Ihr Wohlergehen, damit Sie stets das Gefühl und die Sicherheit haben, gut aufgehoben zu sein.
    Selbstverständlich kostet Sie das ihre Privatsphäre, aber das ist nunmal der Trend der Zeit!
    Patient: Bequemlichkeit gegen Privatsphäre? Dann entscheide ich mich für die Privatsphäre!
    Doktor: Schwester, holen Sie die Zwangsjacke, hier ist eine neuer Patient für die Geschlossene!

    1. Das erinnert mich an einen uralten Witz.

      Der Direktor einer psychiatrischen Klinik fragt einen Besucher auf der Führung:

      „Angenommen, Sie müssten eine Badewanne leer bekommen und könnten zwischen einem Teelöffel und einer Schöpfkelle wählen. Was von beidem würden Sie nehmen?“

      „Natürlich die Schöpfkelle, ist doch klar. Passt doch mehr rein, also bin ich schneller fertig.“

      „Falsch, ein geistig gesunder Mensch zieht einfach den Stöpsel. Möchten Sie ein Zimmer mit oder ohne Fenster?“

  2. Das Tragische ist:
    Das Tracking ist das eine. Viel schlimmer ist, dass die Auswertung der Daten am Ende Profile ergeben und daraufhin tatsächlich Sortimente angepasst werden.

    Grundsätzlich geht es danach um das Prinzip der Masse: Das was die meisten wollen, das wird angeboten. Alles andere fliegt aus dem Sortiment. Das mag zur Umsatzoptimierung toll sein, aber für Kunden mit Individualwünschen ist es schlecht. Am Ende steht der Einheitsbrei. Pure Langeweile. Die Chance, „den tollen Fund“ zu machen, wird immer geringer.

    Das selbe in Film und Fernsehen: Alles an den Massengeschmack angepasster Quatsch. Noch gibt es Nieschen, aber die werden immer seltener finanziert, weil das Thema zu kritisch ist, die erwarteten willkürlichen Sozialnormen nicht erfüllt werden oder was auch immer der Grund ist. Angenommen wird nur noch Massenware, die sich garantiert verkauft.

    Und Aähnliches erleben wir bereits heute in vielen Geschäften. Gehe ich in ein Geschäft, findet ich im Großen und Ganzen überall den selben Aufbau und ein ähnliches, dem Massengeschmack angepasstes Sortiment. Am Ende überleben große Ketten, die individuellen Läden schließen. Im hiesigen Einkaufszentrum gibt es zig Klamottenläden und alle sehen irgendwie gleich aus. Meistens sind diese leer, kaum Laufkundschaft. Nach ein paar Jahren schließen die Geschäfte und ein neuer Einheitsbreiladen öffnet. Das wiederholt sich dann alle paar Jahre.

    Man merkt es auch in Supermärkten, wenn plötzlich die geliebte Marmelade nicht mehr im Regal steht oder das tolle Getränk nicht mehr angeboten wird. Es fand zwar Käufer, war aber nicht Massenkompatibel genug, der Umschlag war zu niedrig, wird daher von der Einkaufsabteilung nicht mehr berücksichtigt.
    Man sieht es auch, wenn in „Problembezirken“ das Angebot an Billigbier und Fertiggerichten exzellent ist, aber andere Dinge nur noch schwer zu bekommen sind.

    Letzten Endes:
    Ich will keine Schilder, die darauf hinweisen, dass ich überwacht werde.
    Ich will ein generelles Verbot jeglicher Überwachung. Aber ich bin wohl altmodisch, weil ich immer noch überzeugt bin, dass wir ohne all dieses Tracking und ohne all diese Überwachung in den 80er und 90er Jahren ein wesentlich entspannteres Leben hatten.

    Disclaimer:
    ich verfüge über kein mobiles Telefon, kann daher auf diese Weise schon einmal nicht getrackt werden. Mein Handy habe ich aufgrund des ausufernden Überwachungswahnsinns vor Jahren abgeschafft und merke leider im Alltag immer mehr Einschränkungen. Trotzdem schaffe ich mir keine solche Wanze mehr an.

    1. Du sollst dich doch an die permanente Überwachung gewöhnen. Je mehr Menschen an eine allgegenwärtige Überwachung gewöhnt sind, desto weniger regen sich dann auch über die ebenso steigende staatliche Überwachung. Von einer Regierung unter der Kanzlerschaft einer früheren FDJ-Sekretärin für Agitation und Propaganda für das SED Unrechtsregime der DDR ist sicher kein Veto gegen die Überwachungsfantasien ihrer Innenminister einzuwenden. Es ist schon auffallend, dass gerade der Koalitionspartner das Innenministerium übernehmen soll, von dem regelmäßig maximale Überwachungsforderungen kommen und höchstrichterliche Urteile permanent ignoriert werden. Aber offensichtlich will es das Wahlvieh auch gar nicht anders. Einen anderen Schluss kann ich zumindest aus den Wahlergebnissen nicht ziehen.

  3. Es hilft doch wenig, wenn man die Sprecherin eines Unternehmens befragt, was ihre Produkte denn alles können-‚ganz doll viel‘, sagt die natuerlich. Hat denn schon mal jemand Minodes Datensätze gesehen die Karstadt vor dem Abgrund retten sollen? Ich sehe einfach Grenzen, wie man einen wie bereits erwähnt 08/15 Laden noch ‚verbessern‘ kann, wo heute schon das Waren- und Zeit-Management digital ist und jeder mit der Payback-Karte in den Karstadt rennt…

  4. Kostet alles Geld.
    Interessant wäre eine Gegenüberstellung ob so was wirklich höhere Gewinne bringt.
    Mehr Umsatz bedeut nicht zwangsläufig mehr Gewinn.
    Wollen die Kunden nichts kaufen bringen bessere Profile gar nichts.
    Ich wäre extrem irritiert, würde ich in irgeneinem Laden personalisierte Angebote bekommen.
    Ein gutes Angebot und eine gute Lage bringen nach wie vor am Meisten.
    Neuerdings angereichert mit Webshop und Suchmaschinenoptimierung.
    Mich nervt aktuell eine Firma, die mir anbietet, das ich alle meine Kunden und geschäftlichen Aktivitäten bis hin zu Steuererklärung über deren Server mit deren App betreuen soll.
    Die sind extrem penetrant.
    Gerade solche Daten gehören meiner Meinung nach nicht auf fremde Rechner.
    Wie soll ich da noch Vertraulichkeit garantieren?
    Ganz zu schweigen, wie entbündelt man so was wieder, so man sich dafür entschieden hatte und die Erwartungen nicht erfüllt wurden.
    Rücken die nicht alle Daten rechtzeitig vor der nächsten Steuererklärung raus kann das die Pleite bedeuten. Selber hat man die Daten nicht mehr, eine lokale Kopie in einem allgemein nutzbaren Format ist nicht vorgesehen.
    Schön ist auch das die ihr Produkt mit immer mehr Ladenhüterfirmen/Produkten verbündeln die keiner braucht und wollen das man möglichst viele Kunden zu Installation von deren App bewegt..

  5. Isch abe gar geine smartfön.

    Und werde mir auch künftig keines zulegen. Zum Glück kann ich mir den Luxus leisten, nicht immer erreichbar zu sein. Auch sterbe ich keine tausend Tode, wenn ich nicht alle paar Minuten jeden Furz meines sozialen Umfelds mitbekomme. Somit reicht mir ein stinknormales Mobiltelefon, das telefonieren und SMS versenden kann. Mehr muss es auch künftig nicht können. Nein, der letzte Satz stimmt nicht: Der Akku muss sich zwingend problemlos jederzeit herausnehmen lassen.

    1. Dem kann ich nur in allen Punkten beipflichten. Ständig wollen mich alle zum Kauf eines dieser Geräte missionieren. Aber die können mich mal.

      Schon alleine aus Umweltgründen (ich frage mich schon immer, wie die Hersteller dieses täuschend echt aussehende Glas-Imitat aus Knäckebrot hinbekommen) und wegen des Duopols aus Android und iOS.

  6. Ein aktuelles Beispiel zur Thematik bietet die Koblenz-APP;
    vielleicht auch ein Beispiel für potentiell gefährliche Verkettungsmöglichkeiten?

    Auftraggeber
    Stadt Koblenz
    http://www.koblenz-app.de/

    Dies ist keine NORMALE Stadt-APP, sondern eine europaweit führende APP, wird berichtet.

    Pressemeldungen
    Die Koblenz-App wurde offiziell vorgestellt
    Der ultimative Begleiter durch die Stadt

    Zurzeit sind 163 Beacons in der Stadt bereits verteilt, und die Anzahl wächst.

    http://www.blick-aktuell.de/Berichte/Der-ultimative-Begleiter-durch-die-Stadt-299626.html

    http://www.blick-aktuell.de/Politik/Mit-der-KOBLENZ-App-dieStadt-interaktiv-entdecken-294236.html

    Zusatzinfos
    – evm – u.a. städtischer Energieversorger (Smart-Meter-Technik), Betreiber des städtischen Busunternehmens, Betreiber einer eigenen APP, des städtischen WLANs sowie diverser Überwachungskameras und Konzertveranstalter

    – Für die genaue Lage der Versorgungsleitungen mögen diese Daten nützlich sein,
    für ein flächendeckendes und ausgeklügeltes WLAN- bzw. Bluetooth-Netz mit BEACONS mit Sicherheit auch.
    Siehe
    https://www.rhein-zeitung.de/region/lokales/koblenz_artikel,-evm-laesst-strassen-fotografieren-panoramafotos-und-gps-machen-das-planen-leicht-_arid,1634241.html

    Der APP-Entwickler
    Die Koblenz-APP
    https://itunes.apple.com/de/developer/gimik-systeme-gmbh/id446762652
    Sonstiges:
    https://sameapk.com/track-all/
    http://gimik.eu/referenzen/
    ECE (dieser betreibt in KO 2 (!) große Einkaufscenter
    http://blupassion.de/

    Links zur Technik und zur datenschutzrechtlichen Beurteilung:
    https://www.datenschutz-berlin.de/pdf/publikationen/working-paper/2015/14102015_de.pdf
    https://www.datenschutz-notizen.de/eddystone-google-stellt-beacon-system-vor-1511942/
    https://www.datenschutz-notizen.de/wp-content/uploads/2015/01/iBeacons_und_Datenschutz.pdf

  7. Mal ein Tipp zur Gegenmaßnahme: Auf Android die Apps „Smarter Wifi“ oder „Wifi Automatic“ installieren (beide über F-Droid verfügbar). Mit dieses kann man auf unterschiedliche Weise das Wlan automatisch ausschalten lassen sobald man einen Bereich (zuhause, Arbeit) verlässt, oder zu bestimmten Zeiten, oder wenn man mehr als X Minuten nicht mehr in einem Wlan eingeloggt war.

    Damit fällt diese sehr bequeme Offline Tracking methode schonmal weg.

    1. Macht man das nicht sowieso aus um Strom zu sparen?
      Mache ich immer und habe eine signifikant höhere Akkulaufzeit als wenn ich das unterwegs an lasse.

      1. Aha, es kommt darauf an, dass anonyme Kommentatoren etwas seriös empfinden?
        Warum springt ihr über dieses Stöckchen?

        Was Computer Nachrichten angeht halte ich Heise für seröser als die dpa. Die verbreiten gerne einfach die Meldungen aus den ThinkTanks unserer Regierungen.

      2. Die Qualität, Übersichtlichkeit und Transparenz leidet nach meiner Meinung, seitdem der Heise-Verlag dem Bitkom-Verband vor wenigen Jahren beigetreten ist.

        Die dpa schreibt hier jetzt auch häufig(er) mit bzw. wird als Quelle angegeben.
        Somit werden wie beschrieben die Meinungen der ThinkTanks unserer Regierungen auch unter den ITlern verbreitet.
        Als Nebeneffekt werden die wenigen kritischen Artikel durch die Vielzahl zusätzlicher Beiträge oder getarnte Werbung (u.a. Berichte von irgendwelchen Industriemessen) schnell „überflutet“.

  8. Experimentieren tut der Einzelhandel übrigens auch mit Gesichtserkennung seit geraumer Zeit. Natürlich ganz anonym unter Einhaltung des Datenschutzes.
    #läuft

  9. Regel #1: Bluetooth und WLAN ausschalten, sofern nicht explizit in Nutzung.

    Einfach oder? Achja, ich vergaß wohl die „DauerWLANer“…
    Bei Bluetooth könnte es sich je nach Anwendungsfall dann doch noch etwas anders gestalten.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.