Das bayerische Polizeigesetz: Ein rechtsstaatlicher Paradigmenwechsel

CC-BY-SA 4.0 Henning Schlottmann

Für die August-Ausgabe der „Blätter für deutsche und internationale Politik“ hat unsere Autorin Marie Bröckling die Kritik am neuen bayerischen Polizeigesetz und dem damit vollzogenen Paradigmenwechsel zusammengefasst. Das verschärfte Polizeigesetz wurde im Mai von der CSU im Alleingang verabschiedet, zuvor gab es vehementen Protest. Auf netzpolitik.org haben wir für drei Monate schwerpunktmäßig zu dem neuen Polizeigesetz berichtet.

Nach der Neuregelung dürfen bayerische Beamte nun bereits bei vagem Verdacht Maßnahmen einsetzen, die die Freiheit einschränken, etwa Gewahrsam von standardmäßig drei Monaten oder elektronische Fußfesseln. Als Verdachtsgrundlage gegen eine Person könnte eine Reise oder die Zugehörigkeit zu einer Szene ausreichen. Das gleicht einer Ökonomisierung der Sicherheitspolitik: Gefahren sollen bereits vor ihrer Entstehung verhindert werden.

In den Gesetzen wird das über das rhetorische Konstrukt des „Gefährders“ geregelt, also einer Person, die noch nichts strafbares getan hat, aber es tun könnte. Das Problem: Ein Gefährder in Haft kann niemals seine Unschuld beweisen.

Damit verschiebt das bayerische Polizeigesetz die Maßstäbe für polizeiliche Eingriffsbefugnisse nachhaltig: Es ist ein „gesetzgeberischer Exzess“, der erst am Anfang eines Gangs durch die Verfassungsgerichte steht. In den nächsten Monaten folgen weitere Polizeigesetze in NRW, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Brandenburg, Bremen und Sachsen.
Wir werden für Euch darüber berichten.

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3 Ergänzungen

  1. Ich stolpere über diesen Satz: „Ein Gefährder in Haft kann niemals seine Unschuld beweisen.“ Er könnte auch außerhalb nicht seine „Unschuld“ beweisen für etwas, das noch gar nicht passiert ist. Und außerdem wäre es auch nicht seine Aufgabe. Denn auch für bereits begangene Taten gilt ja eigentlich „im Zweifel für den Angeklagten“. Der Staat muss dem Verdächtigen/Angeklagten seine Schuld beweisen, nicht der Verdächtige/Angeklagte seine Unschuld.
    Das macht noch einmal deutlich, wie perfide und undemokratisch dieses neue Polizeigesetz vom Ansatz her bereits ist.

    1. Das ist ja der Spaß!
      Die C.S&U möchte ihre Widersacher (Gefährder) auf Dauer aus der Meinungsbildung entfernen!
      Die U.S&A haben dafür Guantanamo, die C.S&U „Denkt“ in Größeren Dimensionen, auch da solche Lager wohl Sauer aufstoßen würden.
      Ganz Bayern, in dem diese Rechtlosigkeit auch für die C.S&U Mitglieder gilt, aber nur zur Anwendung kommt wenn diese sich „daneben“ benehmen, fällt nicht weiter auf!

  2. Ich hab mal eine Frage an die Juristen hier mit einem interessanten Aspekt:
    Angenommen, jemand hat seinen Wohnsitz in Bayern. Dort betreibt er einen Rechner, alles ganz normal. Er nimmt an einer „linken“ Demo teil, organisiert diese mit. Da in Bayern alle „linken“ Demonstranten nach den neuen Befugnissen mit Sicherheit beobachtet und deren Rechner und Handies ausgeforscht werden, ist unser Mann X dabei. Im „worst case“ wird ein Trojaner installiert usw.
    Jetzt geht diese Person in eine andere Stadt. Darf die bayerische Polizei ihn trotzdem weiter beobachten, ausspionieren usw.? Wie verhält es sich da? Wo hört der „Gültigkeitsbereich“ des bayer. PAG auf? Klar, an der bayerischen Landesgrenze. Aber was ist mit „Reisenden“ zwischen den Bundesländern?

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