Chance für Änderung: EU-Parlament verhindert Durchwinken von Uploadfiltern und Leistungsschutzrecht

Die Abgeordneten in Straßburg sorgen im Tauziehen um die Zukunft des Urheberrechts für eine Überraschung. Bei der Abstimmung über eine Verhandlungsposition gegenüber Kommission und Rat zeigte eine deutliche Mehrheit des Parlaments Haltung. Sie wollen nochmal über die umstrittenen Vorschläge einzeln abstimmen.

Gegner der Verlagslobby feiern: Das EU-Parlament stimmte gegen die schlimmsten Vorschläge der Urheberrechtsreform – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Luca Upper

Es ist eine überraschende Wendung im jahrelangen Streit um die Zukunft des Urheberrechts in Europa: Das EU-Parlament stimmte heute gegen die die Erteilung eines Verhandlungsmandats für die Urheberrechtsreform. Damit lehnten die Abgeordneten den Vorschlag zu verpflichtenden Uploadfiltern und einem EU-weiten Leistungsschutzrecht mit klarer Mehrheit vorerst ab. Diese Vorschläge brächten laut Meinung zahlreicher Stimmen aus Zivilgesellschaft und Wissenschaft eine starke Einschränkung der Netzfreiheit mit sich. Noch sind die Filterpflicht und das Leistungsschutzrecht allerdings nicht verhindert: Denn noch hat sich das Parlament nicht auf eine Position für die Verhandlungen hinter verschlossenen Türen in den Trilog-Verhandlungen mit der Kommission und den Mitgliedstaaten festgelegt. Das wird sich laut der EU-Abgeordneten Julia Reda nun erst Mitte September klären. Bei dieser Abstimmung im EU-Parlament wird dann über die umstrittenen Vorschläge für Uploadfilter und Leistungsschutzrecht einzeln abgestimmt.

Der Abstimmung waren jahrelange Kontroversen vorausgegangen. Die EU-Kommission legte 2016 den ersten Entwurf für die Copyright-Reform vor. Ziel der Überarbeitung ist ein zeitgemäßes Urheberrecht für das Internet, allerdings stärkten bisherige EU-Vorschläge hauptsächlich die Position der Urheberrechtsverwerter. Auf zeitgemäße Ideen wie ein Recht auf Remix und großzügige Ausnahmeregeln für nichtkommerzielle Verwendung von Inhalten im Internet verzichtet sie hingegen.

Wie es zur Abfuhr kam

Verantwortlich für die Ausarbeitung des Vorschlagstextes, der nun dem Parlament vorgelegt wurde, war der EU-Abgeordnete Axel Voss. Der CDU-Politiker bemühte sich, die Vorschläge der Kommission weiter zu verschärfen und positionierte sich als Hardliner. Noch vor der Abstimmung betonte Voss, die gemachten Vorschläge zur Filterpflicht und dem Leistungsschutzrecht brächten „keinerlei Beeinträchtigung“ für einzelne Nutzer. Damit stieß er offenkundig vielen Abgeordneten sauer auf, die sich nun gegen entscheidende Punkte seines Vorschlages wandten.

Nach dem heutigen Votum gab es Jubelrufe aus den Reihen der Befürworter eines zeitgemäßen Urheberrechts.

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Die Schlacht ist noch nicht geschlagen. Aber mit der Ablehnung für den Voss-Entwurf als Verhandlungsmandat errang die Zivilgesellschaft einen wichtigen Etappensieg. Es gilt nun für sie, den Widerstand im Parlament gegen Filterpflicht und Leistungsschutzrecht zu zementieren und diese Position auch bei den Verhandlungen über einen abschließenden Text geltend zu machen.

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15 Ergänzungen

  1. Das sind doch mal super Nachrichten, mit denen ich ehrlich gesagt nicht mehr gerechnet hätte. Ich bin in Sachsen bei den Grünen im Bereich Netzpolitik tätig und würde mich riesig freuen wenn ihr mir/uns auf dem weiteren Weg gegen diesen Unsinn helfen könntet. Wie sieht denn für euch der weitere Weg aus, also das „zementieren“ der Position? Und vor allem wie kann ich/wir helfen?

    1. Im September wird über einzelne Änderungsanträge abgestimmt. Also über die einzelnen Punkte Leistungsschutzrecht, Uploadfilter und was es noch alles gibt. Bis dahin sollte über den Sommer das Thema nicht verschwinden, wie es häufig passiert. Wenn viele dran bleiben und die Debatte am Leben halten und über die Gefahren von Uploadfiltern sprechen, gibt es die Chance, diese zumindest in der Position des EU-Parlamentes zu verhindern.

      Wir haben viele Artikel zu vielen Aspekten und Gefahren im Archiv: https://netzpolitik.org/?s=upload+filter

    2. @Daniel: Jetzt liegen mittlerweile die Votinglisten vor: Aus der deutschen Grünen-Delegation haben Michael Cramer, Helga Trüpel und Rebecca Harms für den Voss-Vorschlag gestimmt. Bei Helga Trüpel scheinen mir Gegenargumente sinnlos zu sein, bei den anderen beiden weiß ich es nicht.

      1. Nur als kleine Ergänzung: Maria Heubuch ist nach Angaben ihres Büros auch für Voss‘ Urheberrechtsentwurf, hat aber heute nicht abgestimmt, da sie einen auswärtigen Termin wahrgenommen hat.
        BG

      2. Danke Markus (und Peter) für die Infos. Ja ich hab vorhin den Tweet (und die Antworten) von Helga Trüpel gesehen (https://twitter.com/helgatruepel/status/1014405621830086657?s=21) da kann man sich nur an den Kopf greifen, aber das scheint ja auch die Argumentation von Herrn Voss zu sein der sich mit der Internetlandschaft nicht ganz so gut auskennt ;) Sprich man müsste sich jetzt über den Sommer daran machen die MdEP zu überzeugen? Für was denn genau? Ich blick noch nicht so durch den Prozess, sorry.. Hab nur vorhin im Logbuch: Netzpolitik Podcast gehört das Julia Reda einige Gegenvorschläge gemacht hat?

  2. thx and gratz!^^

    Wenn ich mir so ein Parallel-Universum vorstelle – klingt nach Zeit gewonnen, während andere ihren Zeitplan über den (Sternen-)Haufen werfen können.

  3. Auf tagesscheu24 wird die Meinung des Herrn Voss zu 100% wiedergeben: google „klaut Artikel“ und nicht snippets, die zu dem original Artikel linken und quasi somit kostenlose Werbung machen.
    Natürlich auch kein Wort, dass Herr Voss mit dem leugnen der Uploadfilter gegen den eigenen Koalitionsvertrag arbeitet.
    Da vorab die ÖR zu dem Thema geschwiegen haben muss man denken die haben auf das durchwinken gehofft um irgendwie davon zu profitieren.

    1. Tagesschau24 hat auch mich ausführlich interviewt und ich hab die Meinung von Axel Voss garantiert nicht vertreten.

      Zum Argument des Koalitionsvertrages: Der gilt für die Zusammenarbeit unserer Bundesregierung. Alle EU-Abgeordneten sind davon unabhängig. Und das ist auch gut so, dass sie unabhängig sind.

      1. Habe dich dort gesehen. Natürlich hast Du nicht pro argumentiert und das lachen über das Leistungsschutzrecht war fast schon zu überheblich ;)
        Ich finde es halt merkwürdig wenn im Koalitionsvertrag etwas vernünftiges steht, aber Politiker in Brüssel dieser Vertragsparteien aus anderen Beweggründen dagegen arbeiten.
        Man erinnere sich nur an den Konsens zu Glyphosat und dann kam das legendäre „So isser halt, der Schmidt“

        1. Ich finde es halt merkwürdig wenn im Koalitionsvertrag etwas vernünftiges steht, aber Politiker in Brüssel dieser Vertragsparteien aus anderen Beweggründen dagegen arbeiten.

          Das ist Demokratie und das ist gut so. EU-Abgeordnete sind nicht an das gebunden, was ihre jeweilige Regierung vereinbart oder vertritt. Das kann auch Vorteile haben.

        2. „So isser halt der Schmidt“ das war nicht legendär – sondern selten dämlich, zum Vergessen und fremdschämen! Überhaupt der gesamte Umgang mit neuer (jahrzehnte alter) Technik und Erkenntnis durch die Koalition, schwarz auf weiß im Koalitions-Vertrag, der auf Stahl und Auto-Lobby setzt – und (Kabel-)Telefon-Konzerne, die jetzt in Internet machen. Ich lerne lieber ’ne neue Sprache, wenn die die auch benutzen dürfen.

  4. Zwar dürfte ein europäisches Urheberrecht kaum Einfluss darauf haben, da – zum Glück – die meisten Angebote dieser Art aus weitgehend rechtsfreien Räumen kommt (und daran wird sich auf absehbare Zeit ebenfalls zum Glück nichts ändern) aber es ist beschämend, dass die EU gegen illegale Uploads vorgehen möchte (damit dürften auch vor allem Inhalte der Contentmafia, also der großen Software/Spiele/Filme/Musikfirmen und ihrer jetzt schon mehr als gut genug verdienenden Künstler betroffen sein), aber im Gegenzug kein Angebot schafft, was die Position des Kunden stärkt (z.B. ein zwangsweise stark ermäßigtes, unbegrenztes Angebot/Zugriff auf legale Inhalte entsprechend dem zur Verfügung stehenden Einkommen, z.B. dem für Kultur vorgesehenen Anteil des Hartz-4-Satzes, des Weiteren auch zwangsweise legale Möglichkeit, sämtliche ältere Werke zu entsprechend günstigen Konditionen legal abzurufen, was heute leider oft nicht möglich ist und was sich leicht über eine entsprechende Plattform inkl. Verpflichtung, dort ältere Werke bereitzustellen, lösen ließe).

    Also wieder Politik für die EU-Wirtschaft/Industrie, zu Lasten der Verbraucher…

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.