Bundesregierung: Mobilfunk zählt nicht zur Grundversorgung

Handyempfang gehöre zur Grundversorgung, sagte Infrastrukturminister Andreas Scheuer jüngst in einem Interview. Der derzeitige Zustand sei für eine Wirtschaftsnation untragbar. Eine parlamentarische Anfrage wollte wissen, wie ernst es der CSU-Politiker mit seiner Rhetorik meint.

Telefonie zählte früher zur Grundversorgung. Übrig geblieben ist davon bloß ein Lippenbekenntnis. – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Maarten van den Heuvel

Mobilfunkpreise sind in Deutschland bekanntlich teurer als fast überall sonst in Europa. Dennoch schaffen es die Netzbetreiber trotz der hohen Preise nicht, immerhin eine flächendeckende Versorgung sicherzustellen. Für eine Wirtschaftsnation seien die vielen Funklöcher „untragbar“, sagte Infrastrukturminister Andreas Scheuer (CSU) jüngst in einem Interview. Die Politik habe dafür zu sorgen, dass die Bürger nicht im Funklock stecken blieben. Eine durchgängige Netzabdeckung „gehört zur Grundversorgung“, sagte Scheuer.

Auf die Probe gestellt, wiegelt die Bundesregierung die Rhetorik aus dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) jedoch ab. Mobilfunk zähle nicht zum Mindestangebot an öffentlichen Telekommunikationsdienstleistungen, ein Anrecht darauf soll deshalb nicht gesetzlich festgeschrieben werden. „Das Universaldienstregime ist zur Verbesserung der Mobilfunkversorgung nicht geeignet“, heißt es in einer Antwort des Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion (PDF).

Ausbauauflagen im Tausch für Frequenzen

Eine bessere Versorgung will die Bundesregierung stattdessen über Ausbauauflagen erreichen, die an die anstehenden Frequenzauktionen geknüpft sein sollen. Dieser Mechanismus habe sich laut BMVI bewährt. Denn bislang hätten die Mobilfunkbetreiber die Versorgungspflichten vollständig erfüllt, die sie im Zuge von Frequenzauktionen eingegangen waren.

Besserung verspricht sich die Bundesregierung bis spätestens Anfang 2020: Dann müssen die drei Netzbetreiber, die 2015 Frequenzen ersteigert hatten, 98 Prozent aller Haushalte und sämtliche Hauptverkehrswege versorgen. Zugleich müssten solche Versorgungspflichten aber „verhältnismäßig“ ausfallen, schreibt die Bundesregierung. Das lässt sich als Absage an eine lückenlose Versorgung auslegen. Welche Auflagen an die im kommenden Jahr zur Versteigerung stehenden Frequenzbänder verbunden sein sollen, ist derzeit noch offen. Die Entscheidung liegt bei der Bundesnetzagentur.

Arbeitskreis „Mobilfunkgipfel“

Kurzfristiger wirken soll ein Mobilfunkgipfel, der gerade vorbereitet werde. „Dabei soll gemeinsam mit den Ländern und den Mobilfunknetzbetreibern erörtert werden, wie nach Umsetzung von Versorgungsauflagen verbleibende weiße Flecken bei der mobilen Sprach- und Datenkommunikation geschlossen werden können“, heißt es in der Antwort.

Ein Hebel dazu könnte nationales Roaming sein. Kunden eines bestimmten Netzbetreibers könnten dann das Netz eines Wettbewerbers nutzen, sollten sie sich in einem Funkloch befinden. Der Koalitionsvertrag stellt hier noch „Änderungen im Telekommunikations- und Kartellrecht“ in Aussicht, um dies zu erlauben. In der aktuellen Antwort weist die Bundesregierung darauf hin, dass Kooperationen zwischen Netzbetreibern „bereits heute unter Beachtung kartellrechtlicher Vorgaben möglich“ seien – allerdings nur auf „freiwilliger Basis“, wie die Bundesnetzagentur betont.

Wie die Entwicklung der App vorankommt, mit der Nutzer Funklöcher melden können sollen, blieb unbeantwortet. „Die Bundesnetzagentur hat einen entsprechenden Auftrag zur Entwicklung und Verwaltung der App erhalten“, schreibt die Bundesregierung, die konkreten Umsetzungsmodalitäten könnten derzeit nicht genannt werden.

Funklöcher sind bekannt

Ob eine solche App, außer einem Public Shaming der Betreiber, viel bringen wird, ist aber ohnehin fraglich. Schließlich weiß niemand besser als die Anbieter, wie es um den Zustand ihrer Netze bestellt ist. Und diese Informationen stellen sie nicht nur auf ihren jeweiligen Webseiten zur Verfügung, sondern teilen sie selbstverständlich mit der Bundesnetzagentur: Schon allein, damit diese überprüfen kann, ob die Versorgungsauflagen erfüllt werden.

Ein Realitätsabgleich ist aber trotzdem angebracht. Denn in kaum einer anderen Branche klaffen die Versprechen aus den Werbebroschüren und die Wirklichkeit so auseinander wie bei den Netzbetreibern. „Mit der mobilen Anwendung können von den Nutzern subjektiv festgestellte Versorgungsengpässe im deutschen Mobilfunknetz identifiziert und damit auch die auf Grundlage von Rechenmodellen erzeugten Versorgungskarten validiert werden“, schreibt die Bundesregierung. Bis die angekündigte App jedoch einsatzbereit und vor allem mit validen Daten gefüllt sein wird, dürfte noch einige Zeit ins Land ziehen.

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3 Ergänzungen

  1. Ob mit „Hauptverkehrswegen“ auch Bahnstrecken gemeint sind? Alleine auf meiner täglichen Strecke von 20 Minuten sind knappe 5 Minuten im Funkloch. Dabei handelt es such um einer der meistbefahrenen Strecken im Bundesland.

  2. Ich liebe Funklöcher :-D

    Vermutlich werden sie neben guter Luft und sauberen Wasser bald zu den umkämpftesten Ressourcen der Erde gehören…

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