Vorratsdatenspeicherung neu: Österreich erweitert Überwachungspaket

Die österreichische Bundesregierung zieht das Überwachungsnetz enger und legt die Vorratsdatenspeicherung neu auf. Zudem will sie anonyme Prepaid-Handys abschaffen, die Videoüberwachung ausweiten und an verschlüsselte Kommunikation gelangen.

Das Privatleben unschuldiger Österreicher kommt unter die Lupe. CC0 1.0, via Unsplash/João Silas

Die rot-schwarze Koalition in Österreich hat sich auf eine Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung geeinigt. Verbindungsdaten sollen demnach für bis zu zwölf Monate eingefroren werden („Quick Freeze“), wenn eine staatsanwaltschaftliche Anordnung vorliegt.

Sollte sich im Zuge von Ermittlungen der Verdacht erhärten, kann die Staatsanwaltschaft auf diese Daten zugreifen. Im gegenteiligen Fall muss der Verdächtigte informiert werden. Das soll dem jüngsten Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) Rechnung tragen, das den EU-Mitgliedstaaten eine „allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten“ untersagt.

Verkehrsdaten, Zugangsdaten und Standortdaten

Quick Freeze setzt darauf, dass Telekomanbieter zu Verrechnungszwecken bestimmte Daten speichern und eine entsprechende Anordnung sie daran hindert, die Daten routinemäßig zu löschen. Freilich scheint die Einigung keine Vereinheitlichung der Speicherfristen zu enthalten. Unklar bleibt deshalb, ob die Regierung hier noch nachlegen und damit trotz allem eine umfängliche Vorratsdatenspeicherung einführen wird. Als in Frage kommende Daten nennt das Arbeitsprogramm (PDF) nicht nur allgemeine Verkehrs- und Standort-, sondern auch Zugangsdaten.

Das Überwachungspaket sieht zudem eine „Ermöglichung der Überwachung internetbasierter Kommunikation“ vor, also das Anzapfen von beispielsweise Skype- oder WhatsApp-Kommunikation. Details bleibt der Vorschlag schuldig, das Arbeitsprogramm spricht bloß davon, eine „neue Ermittlungsmaßnahme“ zu schaffen. Gemeint dürfte damit ein Staatstrojaner sein, den zuletzt Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) im Januar gefordert hatte.

Montage: epicenter.works

Videoüberwachung in Echtzeit

Im Zuge der Flüchtlingskrise und mit der diffusen Begründung einer kaum existenten Terrorgefahr versucht die große Koalition in Österreich, ein umfangreiches Überwachungspaket durchzuboxen. Dieses enthält ferner eine Kennzeichenerfassung – unbefristet an den Grenzen – und soll öffentliche Betreiber wie die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) dazu verpflichten, Videoaufzeichnungen zu speichern oder sie Ermittlungsbehörden in Echtzeit zur Verfügung zu stellen.

Zudem sollen „gewerbliche Beförderungsunternehmen“ wie die ÖBB – aber auch Taxiunternehmen – verpflichtend überprüfen, ob Fahrgäste gültige Einreisedokumente besitzen. Der Vergangenheit angehören sollen außerdem anonyme Prepaid-Handys. Sogenannte „Gefährder“, von denen eine „abstrakte“ Gefährdung ausgehe, sollen mit elektronischen Fußfesseln überwacht werden. Damit nähert sich die Regierung dem Wunsch von Innenminister Sobotka, der sich „in allen Fragen eine lückenlose Überwachung“ herbeisehnt.

Demonstration für heute Abend geplant

Epicenter.works ruft für heute Abend zu einer Demonstration vor dem Bundeskanzleramt auf dem Ballhausplatz in Wien auf. Beginn der Kundgebung ist 19 Uhr, klirrend kalte Temperaturen sind angesagt. Warm anziehen!

[Update, 3. Februar 2017] Epicenter.works hat eine erste Analyse zum Überwachungspaket veröffentlicht.

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