Transparenzbericht: E-Mail-Anbieter Posteo kritisiert schwere Mängel bei Behördenanfragen

Symbolbild Transparenz. Foto: CC-BY-NC-SA 2.0 Theen Moy

Der alternative E-Mail-Anbieter Posteo gibt in seinem Transparenzbericht Auskunft über Behördenanfragen aus dem Jahr 2016 und kritisiert rechtswidrige Anfragen. Im letzten Jahr sei die Anzahl der Auskunftsersuchen von Ermittlungsbehörden deutlich zurückgegangen, schreibt Posteo in dem Anfang Januar erschienenen Bericht. Während im Jahr 2015 noch 48 Anfragen eingegangen seien, waren es im letzten Jahr nur 35 – bei gleichzeitigem Anstieg der Postfächer um rund 40 Prozent. Eine der Anfragen kam von einem nicht näher benannten Nachrichtendienst.

Der Großteil der Anfragen betrifft Bestandsdaten, also Namen und Adressen von Kunden, die Posteo jedoch nicht erfasst. In vier Fällen wollten Behörden an den Inhalt von Postfächern gelangen. Dem musste Posteo aufgrund von formal korrekten richterlichen Beschlüssen in drei Fällen nachkommen. Wie auch schon in den letzten Jahren (2014, 2015) sei der Anteil der rechtswidrigen Anfragen sehr hoch, kritisiert Posteo. So schickte ein Polizist aus Mecklenburg-Vorpommern gar eine Anfrage von seiner privaten E-Mail-Adresse. Über diese und andere Fälle berichtet die FAZ in einem lesenswerten Artikel, der auch Datenschutzbeauftragte und die Behörden zu Wort kommen lässt:

Überdies fordern die Beamten oft Daten an, ohne die Rechtsgrundlage zu benennen, wie es ausdrücklich im Gesetz vorgeschrieben ist. Oder sie nennen eine falsche, verwechseln etwa das Telekommunikationsgesetz mit dem Telemediengesetz. Auch der Berliner E-Mail-Anbieter mailbox.org kennt solche Fälle und bestätigt: Etwa die Hälfte aller Anfragen enthielten Fehler. Man wundert sich dort, dass es in manchen Bundesländern offenbar nicht einmal Formbriefe gibt. Stattdessen tippe wohl jeder Polizist jedes Auskunftsersuchen aufs Neue.

Eine Auswahl der gravierendsten Missstände ist auf der Webseite von Posteo zu finden.

Offenlegung: Posteo spendet regelmäßig an netzpolitik.org, ohne dafür eine Gegenleistung zu erwarten.

14 Ergänzungen

  1. Transparentbericht gelesen. Vernichtend!

    Kurzfassung:
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    Polizeibehörden fragen z.T. (wissentlich) unrechtmäßig/illegal Verkehrs- und Bestandsdaten bei Internetprovidern ab.
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    Datenschutzbeauftragte juckt es im Grunde nur am Rande.
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    Die Bundesregierung spielt „Blinde (unwissende) Kuh“ und verneint (absichtlich) Kenntnis von Fehlverhalten, trotz mehr als deutlichem Nase-draufstoßen!
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    Kurz: Der Regierung und Teile der Behörden sind Gesetze (sorry für Fäkalausdruck) scheißegal, wenn es zu ihrem Nutzen scheint! – Meine Meinung! –

    1. Die Polizei schauen ihren „Kollegen beim Tatort eben auch viel zu häufig zu. Was da geht, muss auch so gehen. Wer schert sich ums Recht? Richter? Bitte jetzt nicht in schallendem Gelächter ausbrechen, da geht die ganze Akkustik hier im Saal den Bach runter.
      Bayern will jetzt Fußfesseln nach Bauchgefühl und werden wohl auch erst gebremst, wenn irgendwann nach ein paar Jahren das Verfassungsgericht sagt: „Liebe Bayern, so geht das aber nicht.“ – Der Schaden ist dann bereits entstanden und die lieben Beamten grinsen den Betroffenen hämisch ins Gesicht. Denn einen Ersatz für entstandenen Schaden, dafür müssen die lange klagen. Und bekommen bestenfalls Lächerlichkeiten.
      Das Rechtssystem ist schon lange nicht mehr vertrauenswürdig. Polizei will, Polizei macht. Im Beschwerdefall stehen die zurückweisenden Richter schon bereit, alles läuft weiter wie gehabt. Existenzen werden zerstört, gerne auch wegen Bagatellen aufgrund Schwammigkeit von Strafgesetzen oder erfundenen Straftatbeständen, die künstlich aufgebauscht werden, keinerlei Schaden hinterlassen, aber Menschen jahrelang ins Gefängnis bringen können.
      Heil Dir, Überwachung! Wir werden Deiner noch viel mehr bekommen. Und dann klären wir alles auf, bis zum Nasebohrer in der Straßenbahn und dem Rot-über-Ampel-Geher und Falschparker wird alles der Gerechtigkeit, Zucht und Ordnung (jawoll!) zugeführt. Nur ein konform handelnder Mensch ist ein guter Mensch. Es darf keine Graubereiche mehr geben. Dafür steht die CSU (und andere Parteien) mit ihrem Namen.

      1. Wenn die Überwachung wenigstens dazu führen würde, die Korroption in Bayern und auch in der CSU zu eliminieren.

  2. Danke Posteo, dafür zahle ich gerne 1€ im Monat. Google kann sich mal schön selber ficken.

  3. Wenn man das E-Mailpostfach via einem E-Mailprogramm verwaltet, sprich die Mails täglich herunter lädt ohne Kopien auf dem Mailsererver zu hinterlassen, dann dürften doch auch die Behördenanfragen ins leere laufen oder irre ich mich da?
    Ich würde nie meine Mails auf dem Mailpostfach belassen.

    1. Ich gehe davon aus, dass Emailanbieter regelmäßig Backups ihrer Server machen und in diesen deine Emails noch enthalten sind.
      Nochmal: Ich gehe davon aus, weiss es aber nicht sicher.

    2. Also es komt erst einmal darauf an, ob eine Postfachüberwachung (TKÜ) oder Postfachbeschlagnahmung angewiesen wird. Bei einer TKÜ wäre das löschen sinnlos, da die Emails schon beim Eingang abgefangen werden. Wie das bei einer Beschlagnahmung (da werden nur die bis dahin vorhandenen Mails abgegriffen) und eventuellen Backups ist weiß ich auch nicht, hab aber bei Posteo mal nachgefragt (werde Antwort hier nochmal posten). Allerdings schützt dich vor einer Beschlagnahmung effektiv die Postfachverschlüsselung die Posteo anbietet. Nur bei einer TKÜ ist das wieder effektlos, weil die Mails halt vor der Verschlüsselung abgefangen werden.

  4. Also irgendwie liest sich der ganze Artikel so, als ob er einfach komplett aus dem letzten Jahr übernommen wurde als der Transparenzbericht veröffentlicht wurde. Hat sich wohl nicht viel geändert.

    1. Nicht geändert hat sich, dass immer noch viele Behördenanfragen rechtswidrig sind. Das war in den letzten Jahren auch schon so. Deshalb liest sich der Artikel wohl so ähnlich.

  5. wichtig ist zu zeigen, dass das ganze süppchen total versalzen ist bzw. die lösung gesättigt bzw. zu viele köche.
    willkommen bei grill den grundgesetz.

  6. Hallo,

    ein kleines Detail am Rande. In der vergangenen Woche konnte man auf spon.de den folgenden Artikel lesen http://www.spiegel.de/karriere/koeln-richter-kopiert-urteil-zusammen-a-1130874.html . Ein, kurz vor der Pensionierung stehender, Richter hatte wohl keine Lust mehr, sich eine Urteilsbegründung aus den Fingern zu saugen. Dies wurde dann von der nächsten Instanz gerügt. Es geht sogar soweit, dass sich die Staatsanwaltschaft genötigt sieht, Ermittlungen wegen Rechtsbeugung aufzunehmen.
    In dem verlinkten Bericht, von posteo, („Auswahl der gravierendsten Missstände“) liest man dann das hier: —Die Studie stellte darüber hinaus fest, dass regelmäßig polizeiliche Anregungen auf eine TKÜ durch die Staatsanwaltschaft und den Ermittlungsrichter übernommen werden. Die Begründungen von TKÜ-Anordnungen würden „ausweislich der Akten und nach Selbsteinschätzung befragter Kriminalbeamter nahezu ausschließlich durch die Polizei“ geschrieben, nicht etwa durch die Richter selbst.—
    Dann ist das Kopieren, einer Begründung, doch eigentlich eher als Normalzustand zu bewerten? Oder „das nicht selbst verfassen“ ist die Regel. (Vielleicht trifft es das genauer.)

    In dem Zusammenhang würde mich interessieren, wie sehen das die ehemaligen Bürger der DDR? Die Richter sollen ja heute „frei“ sein in ihren Entscheidungen, heute habe ich das Gefühl, dass sie trotzdem von irgend woher eine Weisung bekommen. Überwacht werden sie heute genauso, wie zu Zeiten der DDR. Okay, es wird niemand mehr eingesperrt, weil er eine andere Meinung vertritt. Muss er auch nicht. Heute verliert er eben seinen Job und wird öffentlich diskreditiert (s. Holm). Auch mit der Meinungsfreiheit ist das eine merkwürdige Sache. In der DDR hatten die Bürger immer einen Zuhörer, den IM. Heute dürfen sie zwar alles sagen, jedoch hört ihnen niemand mehr zu.
    Wie sehen diese Menschen eigentlich die ganze Überwachung? Würden sie heute noch einmal eine Revolution durchziehen, nur um festzustellen, dass sie wieder überwacht werden. Oder, die Reisefreiheit heute nicht durch eine Mauer aus Beton eingeschränkt wird, sondern durch die „Mauer“ Euro? Oder, dass die Pressefreiheit heute ein hohes Gut ist, jedoch die Presse sich nur die Freiheit nimmt voneinander abzuschreiben. Gibt es in dieser Richtung irgendwelche Erkenntnisse?
    Für Hinweise danke ich im Voraus.

    Mit freundlichen Grüßen
    Jonas

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