Schäuble erklärt Abgeordneten: Twittern und Facebook im Plenarsaal unerwünscht

Echtzeitkommunikation von Politikern über den Verlauf von Debatten im Bundestag ist in Zukunft unerwünscht. Das schreibt Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble – einen Grund für die Maßnahme gibt es nicht.

Im Plenarsaal des Bundestages ist Twitter und Facebook ab jetzt unerwünscht. CC-BY-NC-ND 2.0 greenchild

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hat in einem Brief an die 709 Bundestagsabgeordneten diese über die Benutzung von technischen Geräten im Plenarsaal aufgeklärt. „Grundsätzlich dürfen Geräte, insbesondere Mobiltelefone und Tablet-Computer, nur zurückhaltend und in einer Ihrer Teilnahme an einer Plenarsitzung angemessenen Weise genutzt werden.“

Die Nutzung von Geräten, „die Geräusche erzeugen, aufgeklappt oder hochgestellt werden, insbesondere Computer-Laptops“ sei unzulässig. Unklar bleibt weiterhin, warum Zeitungen, auch im Großformat, aufgeklappt oder hochgestellt werden dürfen, „Geräte“ aber nicht.

Neu hinzugekommen ist ein Quasi-Verbot, über den Plenarverlauf zu twittern oder dies bei Facebook oder sonstwo zu kommentieren:

Den Verhandlungen des Bundestages unangemessen und daher unerwünscht ist die Nutzung von Geräten zum Fotografieren, Twittern oder Verbreiten von Nachrichten über den Plenarverlauf.

Über Sanktionen, was passiert, wenn z. B. die geschäftsführende Bundeskanzlerin Angela Merkel weiterhin per SMS Parteifreunde, Journalisten und mögliche Koalitionäre über den Plenarverlauf informiert, wurde bisher noch nicht aufgeklärt.

Wolfgang Schäuble hat selbst Erfahrungen mit der Nutzung eines Tablet-Computers im Bundestag gemacht, als er mal gelangweilt auf der Regierungsbank Sudoku spielte und dabei gefilmt wurde. Warum jetzt Bundestagsabgeordnete nicht in Echtzeit mit der Öffentlichkeit in sozialen Medien über den Plenarverlauf interagieren dürfen, erschließt sich uns nicht.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

14 Ergänzungen

  1. Ist ja schon ein Armutszeugnis, dass man erwachsenen Menschen solche grundlegenden Regeln des respektvollen Umgangs erklären muss. Wobei andererseits sich die Notwendigkeit erschließt, wenn man mal eine Bundestagssitzung verfolgt. Eine Klasse hormongetränkter Pubertiere benimmt sich besser…

  2. Habe auf Twitter gelesen, dass es im Bundestag nicht mal WLAN gibt – was mit Blick auf den Hack des Bundestages von 2015 evtl. sogar sinnvoll ist, ein Netz voller MdB-Devices wäre schon ein attraktives Ziel. Wobei die sicherlich alle mit den neuesten Sicherheitspatches versehen sind, grad die Androiden :-D

    Das mit Social-Media finde ich schwierig. Live-Berichterstattung per Social-Media ist schon zeitgemäß. In vielerlei Hinsicht funktioniert Social-Media aber nicht – grad mit den Agitatoren der AfD mitten im Plenum könnte das schwierig werden.

    Etwas naiv finde ich die Annahme, dass die Abgeordneten im Bundestag jederzeit mit voller Aufmerksamkeit Redebeiträgen lauschen sollen, deren Inhalt erwartbar und vorher bekannt ist. Es schon legitim, Zeit sinnvoll anders zu verwenden. Eine angemessene Social-Media-Berichterstattung hätte da aber jedenfalls mehr Wert als persönliche Erfolge beim Sudoku…

    So wie ich von der Entscheidung von Schäuble gelesen habe finde ich sie falsch und nicht zeitgemäß.

    1. @ Weggeordneter: Naja, wenn der Bundestagspräsident den Begriff des unangemessenen Verhaltens konkretisiert kann man schon von einem Quasi-Verbot sprechen, weil Schäuble ja im Zweifel auch entsprechend sanktionieren wird.

      @ Julia: War wohl in einem Brief an alle MdB

  3. Wem hat er das erklärt? Drei anwesenden, verkoksten Fraktionsmitgliedern, bei denen die Saaldiener sich dachten, die am Vortag nicht rauszutragen, damit die Ränge nicht so leer aussehen?

  4. WAS für einen Nebenkriegsplatz… Wenn es richtig mies läuft, darf sich Frau Merkel ihre Regierung im Alleingang zusammenstellen, mit Genehmigung des Bundespräsidenten. Und hätte damit bewiesen, dass Demokratie nicht funktioniert. Oder werfe ich jetzt etwas durcheinander? Twittern hilft eher nicht, den Überblick wieder zu finden. Sudokus vielleicht schon.

  5. Ach… die im Bundestag sind genauso Verpeilt wie die im realem Leben, ja das nervt wenn man (wie ich in Berlin) auf einem Konzert oder Partie ist und solche ………… vor sich hat die nichts besseres zu tun haben als in ihr Smartphone zu glotzen, zu tippen oder Aufnahmen machen.

    1. Wenn dir das auf Parties oft passiert, bist du vielleicht einfach nicht unterhaltsam genug ;)

      Davon mal abgesehen ist demonstrativ Zeitung lesen laut Artikel ja erlaubt, demnach kann es kaum um aufmerksames Zuhören gehen (genau so wie es zB beim Handyverbot im Auto nicht um Sicherheit geht, sonst wäre Zigarette anzünden, am Radio rumfummeln und Butterbrot essen auch verboten). Die Crux ist eher, dass der Bundestag voller verknöcherter Relikte wie Wolli ist, die ungestört von lästiger Öffentlichkeit regieren wollen.

      1. Abgesehen davon, dass der Vergleich mit dem Handyverbot hinkt, schafft ein Blick in die StvO § 1 in Bezug auf alle Aktivitäten im Auto Klarheit.

        Auf den Bundestag umgemünzt würde das bedeuten:

        1. Die Teilnahme an Bundestagssitzungen erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.
        2. Wer an Bundestagssitzungen teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.
        ;-)
        Ich glaube allerdings nicht, dass wir das noch erleben werden. Leider.

    1. Der Schäuble hat in seiner legendären „Schublade“ stets eine Bonbon parat.
      Ob er mit solchen infantilen Ornungsmaßnahmen, die körperlich anwesenden Parlamentarier zur geistigen Präsenz motivieren kann,mag dahingestellt werden.
      In Deutschland herrscht zwar Schulpflicht,aber keine Anwesenheitspflicht im Parlament,ständig leere Plenarsäle,sprechen da eine eindeutige Sprache.
      Häufiger als Krankheiten,wird das Treffen der Parlamentarier mit Lobbygruppen,sicherlich nur zum Wohl der Bürger, der Grund ihrer Parlamentsabstinenz sein,es wäre schön, wenn der Herr der Schubladen,der ehrenwerte Sudokugroßmeister des Parlaments,da mal zwischengrätschen würde,aber die daraus resultierenden leeren Schubladen für Abgeordnete,verabscheut der Schäuble noch mehr, als der Teufel das Weihwasser.

  6. Wenn man die Argumentation gelten läßt, unabhängig der aktiven Personen, müsste man Herrn Schäuble hinsichtlich der Verfassung und des Persönlichkeitsrechtes der Abgeordneten, zumindest bei nicht-ausgeschilderter Bild-/Videoaufzeichnung oder -übermittlung, teils Recht lassen.
    Die repräsentativen Aufgaben der Abgeordneten jedoch verpflichten die Abgeordneten zu genau dieser Interaktion mit der deutschen Öffentlichkeit.
    Die Abwägung dazu ist bisher, verständlicherweise, kein Verbot, sondern sollte zu verantwortungsbewusster Nutzung der sozialen Medien verhelfen. Vielleicht hätte man dazu besser ein Seminar für Abgeordnete zur „Nutzung sozialer Medien auf Grundlage eines modernen Datenschutzverständnisses“ angeregt, vermittelt durch Vortragende von netzpolitik.org oder des ccc oder des BSI.

  7. Kann nicht jede Sekunde als Besucher oder von Kameras verfolgt werden?
    Im Bundestag/Reichstag gibt es doch keine „geheimen“ Gespräche (?).

    Glaubt das Schäuble etwa, der Bundestag habe eine ominöse „Würde“, die er so „schützen“ würde.
    Oder dass das was mit „Respekt“ zu tun habe?
    Zeitungen verbieten. Die brauchen viel aufgestellten Platz und sie rascheln!
    Solche wie Ich meine psychisch Auffälligen Verhaltensweisen bin Ich von technophoben Freaks wie Ströbele gewohnt.
    Siehe bei YouTube Kinder fragen Poliltiker, wie er und Ich glaube auch Schäuble (müsste selbst nachsehen, evtl. wahr es auch Schily…) sich stark vom Umgang mit Computer und Internet distanziert haben, als sei das was unanständiges. Und damit im Grunde jeden verhetzt haben, der Computer und Internet nicht nur „gezwungen“ nutzt…

    Wie wäre es mit einer Reihe von „Fernsprechern“ im Vorraum für die Presse, und in einem extra Saal für die Politiker…?!?

    Ich habe die Schüssel nie drauf ausgerichtet, aber kann man auf den umstrittenen (angeblich illegal, weil der Bundestag einen Sender betreibt…) Kanal „Bundestag-TV“ nicht 24h den Bundestag verfolgen?

    Fehlt nur noch die Möglichkeit am PC, oder per Smart-TV eine Art Sprachkanal zu einem TV-Sender anzubieten.
    So dass sich eine Art „Kommentator“ zum laufenden Programm als Möglichkeit bietet.
    Ich denke dabei gerade auch an solche, die keinerlei Respekt zeigen, und evtl. sogar anonym senden müssten, weil sie sich die Politiker, aber auch Talk-Teilnehmer bei Maischberger und Co. Live bei der Ausstrahlung „vornehmen“.

    Bis das mal normal wird („Social-TV“), auch auf jedem Smart-TV man sich Favoriten einrichten kann, die man dann ähnlich Tonspuren zuschalten kann, könnte jemand Live Bundestags-TV bei YouTube-Live einspeisen, und zugleich reinkommentieren…

    Eine Smart-Watch und Spracherkennung mit BT-Headset (habe keine SM, geht das, Texte einsprechen und z.B. Twittern?) wäre also erlaubt?!?
    Und Smart-Brillen? Gibt es überhaupt schon welche zu kaufen?
    Von der AFD wünsche Ich mir dass sie da mal „auffallen“, das evtl. hinterfragen (von den Grünen, den Technophoben schlechthin, erwarte Ich da nichts, als die ersten Computer aufkamen haben die tatsächlich darüber diskutiert dass/ob die im Büro unerwünscht sind!!!). Zu irgendwas müssen die ja mal gut sein ;-) .

  8. „Und Smart-Brillen? Gibt es überhaupt schon welche zu kaufen?“

    Ja klar gibt es die, nur nicht in Deutschland https://www.wareable.com/headgear/the-best-smartglasses-google-glass-and-the-rest
    Im übrigen, nutzbare Geräte gibt es schon seit 1998 https://de.m.wikipedia.org/wiki/Smartglasses

    Das Problem das unsere Schaublette mit die Hightech hat ist, das es Sitzungen gab, die Geheim bleiben sollten, es aber es nur mit erhöhtem Aufwand blieben (Erpressung, Androhung von Pöstchenwegnahme und anschießender sozialer Demontage)

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.