Perfide Petition zu „Publikationsfreiheit“: Verlagslobby verleumdet Entwurf zum Wissenschaftsurheberrecht

Mit der Petition „Publikationsfreiheit“ versuchen Verlage mit Alarmismus und Halbwahrheiten ihre Autoren vor den eigenen Lobby-Karren zu spannen. Auf diese Weise sollen selbst noch so zaghafte Modernisierungsversuche im Bereich des Urheberrechts hintertrieben werden.

Foto: CC0 1.0 Jessica Ruscello

Anfang des Jahres hatte das Justizministerium einen lange versprochenen und dringend notwendigen Entwurf zur Modernisierung des Urheberrechts im Bereich Wissenschaft und Unterricht vorgelegt (PDF) – zwar kein großer Wurf mit Generalklausel, aber in der Tendenz ein Schritt in die richtige Richtung. Aber selbst noch so zaghafte und vorsichtige Versuche, das Urheberrecht zumindest an Schulen und Universitäten etwas alltagstauglicher zu machen, müssen mit vehementem Widerstand der Verlagslobby rechnen.

Wie schon in der Debatte zum Urhebervertragsrecht oder zur Einführung der Festplattenabgabe in Österreich bedienen sich die Verlage dabei der Taktik, (ihre) AutorInnen mit Alarmismus und Halbwahrheiten für eine Unterstützung der Verlagsanliegen einzuspannen. Auch anlässlich der geplanten Reform des Wissenschaftsurheberrechts kursieren deshalb seit einiger Zeit Mails, die zur Zeichnung der vom Ulmer-Verlag initiierten Petition „Publikationsfreiheit“ aufrufen. So wird per Mail von einer „echten Krise für Autoren und Verlage“ und dem Verlust der Geschäftsgrundlage gewarnt:

Nun kommt es durch die geplante Veränderung des Urheberrechts zur echten Krise für Autoren und Verlage: beigefügt finden Sie einen Referentenentwurf des Justizministeriums, der wissenschaftliche Autorinnen und Autoren – insbesondere von Lehr- und Studienbüchern – ebenso wie Verlage faktisch ihrer Rechte entkleidet.

Wir verlieren trotz hocherfolgreicher Jahre unsere Geschäftsgrundlage.

Sie verlieren wesentliche Teile Ihrer urheberrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten. In vielen Fällen wird künftig der Dienstherr über Publikationsart und -ort entscheiden.

Nichts davon entspricht den Tatsachen. Nirgendwo im Referentenentwurf werden Entscheidungen über Publikationsart und -ort überhaupt angesprochen. In der Petition wird in der hinter einem Link versteckten Erläuterung deshalb auch nicht darauf, sondern auf ein Open-Access-Strategiepapier des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) verwiesen, um diesen Punkt zu begründen. Abgesehen davon, dass auch bei Open-Access-Verpflichtungen nicht „der Dienstherr“ über Publikationsart und -ort entscheidet, werden hier also gezielt zwei Dinge vermischt, um Ängste unter WissenschaftlerInnen zu säen und Stimmung gegen den Referentenentwurf zu machen. (Warum ich mir als öffentlich finanzierter Wissenschaftler sogar wünsche, zu Open Access „gezwungen“ zu werden, habe ich im Rahmen von „Drei Thesen zum Wissenschaftsurheberrecht“ ausgeführt.)

Halbwahrheit folgt auf Halbwahrheit

Auf ähnliche Weise paart sich auch in den übrigen Punkten der Petition alarmistische Rhetorik mit Halbwahrheiten. So wird angeprangert, dass „die Leistung von Autoren und Verlagen entwertet“, weil „in großen Teilen vom Urheberrechtsschutz ausgenommen“ werde, weil laut Entwurf bis 25 Prozent eines Werkes für Unterricht, Lehre und Forschung genutzt werden dürfen. Tatsächlich ist für diese Nutzung eine pauschale Vergütung durch Verwertungsgesellschaften vorgesehen, deren Höhe Gegenstand von Verhandlungen ist. Umso erstaunlicher, dass die Petitionsautoren bereits jetzt wissen, dass es keine „angemessene Vergütung“ dafür geben wird.

Dass Schulbücher von der 25-Prozent-Regel sowie der pauschalen Vergütung ausgenommen sind, wird in der Petition verschwiegen. Stattdessen wird in alarmistischer Tonart der Zusammenbruch des Marktes für Bildungsmedien beschworen, wenn diese „uneingeschränkt analog oder digital vervielfältigt werden können“. Von „uneingeschränkt“ kann jedoch nicht die Rede sein, ist die Nutzung auch jenseits von Schulbüchern auf 25 Prozent beschränkt und eine pauschale Vergütung vorgesehen.

Pure Propaganda und peinliche Polemik

Weil all das aber anscheinend noch nicht gefährlich genug klang, wird das Bedrohungsszenario in der Petition abgerundet mit einem Verweis auf Forderungen von Bibliotheksverbänden, auch E-Books uneingeschränkt und kostenlos verleihen zu dürfen. Etwas, das weder im Referentenentwurf noch im Open-Access-Papier des BMBF Erwähnung findet.

Weitere irreführende Punkte in der Petition – ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

  • „[Der Referentenentwurf] degradiert Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu Urhebern zweiter Klasse“ (falsch, gerade WissenschaftlerInnen würden von größerer Rechtssicherheit in der Lehre profitieren, ganz abgesehen von der völlig anderen Situation wissenschaftlicher Autorinnen und Autoren)
  •  Es wird die Gefahr „eines staatlichen Publikationswesen[s]“ beschworen, „das das vielfältige und hochwertige Angebot einer breiten, unabhängigen Verlagslandschaft verdrängt“ (völlig unfundierte Angstmache)
  • „Die Innovationskraft und damit die wirtschaftliche Entwicklung in unserem Land werden gebremst.“ (das Gegenteil ist der Fall, ein modernisiertes Urheberrecht würde die Innovationskraft stärken, vgl. z.B. den diesbezüglich einschlägigen Hargreaves-Report)

Tiefpunkt der Petition sind schließlich peinlich-polemische Passagen wie die Frage, ob „die Kindergärtnerin oder der Kindergärtner kostenlos babysitten [muss], weil sie aus Steuergeldern bezahlt werden?“.

Fazit

Es bedarf schon einiger Chuzpe, eine Petition mit der Forderung einzuleiten, „die Grenzen zwischen Fakten und Wissen auf der einen Seite und Behauptungen und Halbwissen auf der anderen Seite klar zu ziehen und zu verteidigen“, nur um dann eine Serie an falschen Behauptungen, gezielten Auslassungen und Halbwahrheiten nachzuschieben.

Besorgte Anfragen von KollegInnen aus dem Bereich der Wissenschaft zeigen jedoch, dass die Propaganda der Verlage ihre Wirkung nicht verfehlt. Wieder einmal sollen unter Verweis auf vermeintliche Einschränkung von Publikationsfreiheit Verlagsinteressen befördert werden. Ob die Taktik der Verlage aufgeht, wird sich an den Änderungen am Referententwurf im wahrsten Sinne des Wortes ablesen lassen.

Korrekturnotiz, 23.2.2017: in einer früheren Fassung des Beitrags wurde behauptet, dass nicht nur Schul- sondern auch Lehrbücher von der 25-Prozent-Regel ausgenommen sind. 

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26 Ergänzungen

  1. Du schreibst: „Dass Lehrbücher von der 25-Prozent-Regel sowie der pauschalen Vergütung ausgenommen sind, wird in der Petition nicht nur verschwiegen, sondern im Gegenteil, es wird wider besseren Wissens vor dem Untergang des Lehrbuchs gewarnt“

    Ist das tatsächlich richtig? Der Referentenentwurf spricht doch in §60a (3) 2. nur von Schulbüchern, und auch das nur bezüglich der Verwendung in Schulen selbst, die von der 25%-Regelung ausgenommen werden, oder übersehe ich da etwas?

    1. Also ich lese §60h Absatz 3 so, dass Bildungsmedien von der pauschalen Abgeltung der 25%-Regel ausgenommen sind und nicht nur Schulbücher (Hervorhebung von mir):

      „Eine pauschale Vergütung oder eine repräsentative Stichprobe der Nutzung für die nutzungsabhängige Berechnung der angemessenen Vergütung genügt. Dies gilt nicht bei Nutzungen nach den §§ 60b und 60e Absatz 5.

      Das heißt, selbst wenn Bildungseinrichtungen eigentlich 25% von Bildungsmedien jenseits von Schulbüchern nutzen dürften, so wäre die Vergütung dennoch individuell zu klären, es reicht nicht die Zahlung einer Vergütung an eine VG. Damit sind sie aber effektiv keineswegs „uneingeschränkt“ nutzbar, wie in der Petition insinuiert.

      1. Und wie verstehst Du dann diesen Satz aus dem 60a: „Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe eines Werkes, das ausschließlich
        für den Unterricht an Schulen geeignet, bestimmt und entsprechend
        gekennzeichnet ist, an Schulen „

        1. Naja, die 25%-Regel ist eben überhaupt nicht auf (Auszüge aus) Schulbücher für die Nutzung an Schulen anwendbar. Mit anderen Worten, ohne Rechteklärung im Einzelfall ist da (weiterhin) quasi nichts erlaubt.
          Wobei ich sehe, dass man das auch anders lesen kann, wonach sich §60h nur auf die Nutzung durch Bildungsmedienverlage bezieht und diesen eine Einzelfallklärung vorschreibt. An der grundlegenden Kritik an der bewusst verzerrend-alarmistischen Petition ändert das aber nichts.

  2. Wie auch der Vorschlag zu dem Rückrufrecht ist die neue Initaitive zur Änderung des Urheberrechts „ein Schritt in die richtige Richtung“. Bei solchen Gesetzesänderungen wird es immer auch Verlierer geben. Das lässt sich aber nicht vermeiden.

    Der Großteil der Betroffenen wird aber davon profitieren. Dabei kann man gerne ein klassisches UnternehmerArgument heranziehen: Restriktionen, Verbote oder Maßnahmen, die die Tätigkeit teurer machen, behindern die Tätigkeit und verschlechtern das mögliche Ergebnis.

  3. Lehrbücher sind keine Schulbücher und damit ungeschützt (es gibt sehr viel mehr Lehrbücher als Schulbücher). Die Petition geht von keiner fairen Vergütung aus, weil im Referentenentwurf steht, dass die Kosten für die öffentlichen Kassen ca. bei dem jetzigen Stand bleiben werden. Das bildet dann die erhöhte Nutzung nicht ab und die Vergütung ist somit nicht fair (war sie auch schon vorher nicht).

      1. Zitat ……Zweitens wurden Creative-Commons-Lizenzen gerade deshalb entwickelt, weil das urheberrechtliche Schutzniveau für viele Anwendungsgebiete in digitalen Kontexten viel zu hoch ist………… Nach Jahren endlich mal die 1 wahre Aussage von Leonido dazu. Wie nun auch er ganz offen zugibt, wurde CC dazu entwickelt, das Schutzniveau der Urheber abzusenken, Nichts anderes. Mit einen bißchen Investment des eigenen Grips, kommt jeder selbst darauf, wer die daraus generierte Umverteilung der Wertschöpfung einsackt. Wertschöpfung verschwindet ja nicht, diese wird, z.b mit CC, schlicht nur anders verteilt. Hin zu wenigen im Valley und weg von Millionen anderen.

      2. Zweitens wurden Creative-Commons-Lizenzen gerade deshalb entwickelt, weil das urheberrechtliche Schutzniveau für viele Anwendungsgebiete in digitalen Kontexten viel zu hoch ist.

        „Wie bereits zu Beginn des Artikels gesagt, ersetzen Creative Commons nicht das Urheberrecht, sondern sind ein Vertragsangebot, in dem die möglichen Nutzungen des Objekts, z. B. des wissenschaftlichen Werks, standardisiert geregelt sind.“ http://edoc.hu-berlin.de/cmsj/32/klatt-kafemann-manuel-81/PDF/klatt-kafemann.pdf

          1. Es wird mit Hilfe/auf Basis des Urheberrechts das Schutzniveau auf ein für den jeweiligen Kontext sinnvolles Maß reduziert.

            Richtig, wenn man einen Text unter Creative Commons veröffentlicht, reduziert man damit das Schutzniveau. Das Werk kann beliebig vervielfältigt werden. Aber, dieses Recht kann der Autor nur gewähren, wenn er zunächst das Urheberrecht besitzt. Und genau deshalb solltest auch du bei https://www.publikationsfreiheit.de/ unterschreiben.

          1. Nein, hat er nicht mehr, wenn er in einem Journal publiziert hat. Die haben mehrere Seiten Kleingedrucktes, das faktisch das Urheberrecht an die Verlage überträgt. Ohne das zu unterschreiben kann man dort nichts publizieren. Wenn der Vertrag (gerne auch mit Blut) unterschrieben wurde, ist mal als Wissenschaftler nur noch der Name oben drüber. Man darf sein eigenes Werk nicht mehr beliebig verteilen oder als PDF auf die Homepage stellen. Es ist also nicht so, wie bei diesem kranken Projekt beschrieben, dass „der Staat“ einem etwas vorschreiben will, was die Freiheit einschränkt, sondern diese IST bereits seit Jahrzehnten faktisch nicht vorhanden. Die Verlage haben schlicht Angst, dass die Unis die Schnauze voll haben, jedes Jahr Millionenbeträge an die Verlage zu liefern, für Arbeiten, die sie vorher selbst schon bezahlt haben. Wenn die Unis selbst publizieren und das allen Menschen zugänglich machen, war es das mit dem einfachen Absahnen. Dass die Autoren ihre Freiheit zurückholen ist, wovor die Kollegen von Publikationsfreiheit.de Angst haben, denn das wäre das Ende ihres Geschäftsmodelles.

          2. Genau! Hat er NICHT MEHR. Hatter abgetreten, und das nicht ohne Grund/Vorteile/grundsätzliche Machbarkeit und wwi.
            Ich denke, da sind wir zwei uns einig.

    1. „Freier Zugang zu Informationen ist nur mit einem starken Urheberrecht möglich.“ Diese Aussage ist in etwa so sinnvoll, wie: „Augen ausstechen ist die beste Methode, Sehfehler zu korrigieren.“

  4. Im übrigen werden die Fachbuchverleger zukünftig keine Digitalen Kopien der Bücher mehr herstellen. Wenn den Input benötigt kann sich zukünftig für legale private Kopien in den Bibliotheken wieder stundenlang an den Kopierer stellen. Herzlichen Glückwunsch dazu.

    1. Wie darf ich mir „das Herstellen digitaler Kopien durch Fachbuchverlage“ vorstellen?
      Kommen die Manuskripte bei denen auf Schiefertafeln rein und dann wird ein Holzschnitt zum Druck angefertigt?

    2. Tja, dann sollte man sich ueberlegen, wofuer man Fachbuchverlage noch braucht.

      Oder ob man Fachbuchverlage noch braucht.

      Vielleicht findet man als Gesellschaft schlicht bessere Wege der Informationsvermittlung, wuerde mich ehrlich gesagt nicht wundern.

    3. Darum macht das auch nur einer, der dann das Buch einscannt und als nicht mehr ganz so legale Kopie ins Netz stellt. Zum Teil gut gemacht und mit OCR. Das hat den Vorteil, dass man Wissen, welches ohnehin nur eine Form der Gedanken ist, welche bekanntlich frei sind, allen zugänglich machen kann.

      Und die Wissenschaftler, die das Buch geschrieben haben? Weinen die dann? NEIN! Die freuen sich. Mit wissenschaftlichen Fachbüchern verdient kein Wissenschaftler Geld. Die paar Cent pro Exemplar reichen nicht mal für Currywurst&Pommes. Und, ja, ich schreibe sowohl Artikel, als auch Fachbücher. Das macht man für die Wissenschaft und für Ruhm und Ehre, aber nicht für Geld.

      Ich hätte gerne einen staatlichen Publikationsweg, der alle Verlage obsolet macht und sämtliche Arbeiten peer-reviewed an nur einer Stelle veröffentlicht. Keinen sinnlosen Impact Factor mehr! Keine Subventionierung der Verlage durch doppelte Steuermittel (Wissenschaftler zahlen für die Publikation und die Uni zahlt für das Abo…und alles aus Steuergeldern). Keine Abgabe des Urheberrechts mehr an solche, die außer dem Drucken keine Leistung erbringen. Meine Arbeiten darf jeder kostenlos lesen und nutzen, darauf aufbauen und vervielfältigen. DAS ist Publikationsfreiheit!

      1. Ziemlich abstrus. Natürlich kannst Du jemandem mit den Hammer auf den Kopf hauen obwohl es verboten ist und Du in den Knast dafür kommst. Auch wenns den eingetrümmerten Schädel nicht besser macht. Hier ganz offen zur Straftat aufzufordern zeigt wie sozial verwahrlost die selbsternannten Bücherbefreier unterwegs sind. Im übrigen vollzieht sich längst ein Wandel bei den Autoren. Die machen das ohne Verlag. Und denen haust Du Assi ganz besonders stark mit dem Hammer auf den Kopf.

      2. Auf den staatlichen Publikationsweg kannste lange und letztendlich vergebens warten!
        Die aktuelle Bundesregierung und deren Ländervertretungen, sehen den gebildeten Arbeiter als das was er für die DDR war, eine Gefahrenquelle, die es auszuschalten gilt!
        Kein Wissen fürs Volk und davon ganz viel, ist die Devise!
        Die Bundes-/Landesregierungen der letzten Legislaturen haben zwar versprochen, mehr Geld in die Bildung zu stecken, aber unterm Strich kamen nur Kürzungen heraus!

      3. Die Zustandsbeschreibung gibt nach meiner Meinung (https://www.youtube.com/watch?v=yrtV5m5FdFg) das üblichen Geschehen wieder, auch wenn es immer Ausnahmen oder Varianten gibt .

        1.
        Die Autoren wissenschaftlicher Bücher (nicht sog. Sachbücher) oder Artikel erhalten in der Regel kein oder kein nennenswertes Honorar von den Verlagen. Es gibt Ausnahmen wie Standardwerke (Lehrbücher) insbesondere in den Fakultäten mit vielen Studenten, einige wissenschafliche „Bestseller“ und der teilweise schwer abgrenzbare Bereich zu den sogenannten populärwissenschaftlichen Büchern.

        Man darf dies oft den Verlegern nicht ankreiden, denn wenn ein Buch z. B. 200 oder 300 Mal verkauft wird, erzielt der Verleger kaum einen nenneswerten Gewinn (wenn überhaupt) mit diesem Titel. Dementsprechend konzentrieren sich die (wenigen großen) Verlage vor allem auf Zeitschriften, weil hier über Abonnements und höhere Auflagen die höheren Gewinne locken.

        Von der VG Wort erhalten Autoren als „Wahrnehmungsberechtigte“ eine Ausschüttung. Beides zusammen (Verlag und Wahrnehmungsgesellschaft) ergibt einen rechnerischen Stundenlohn von meisten ca. einem Zehntel oder einem Zwanzigstel des gesetzlichen Mindestlohns. Zwei oder drei Jahre Arbeit an einem Buch führen in vielen Fällen zu einem „Honorar“ von 1000 oder 1500 Euro.

        Dementsprechend sind die meisten Autoren von wissenschaftlichen Werken kaum am finanziellen Honorar interessiert, sondern daran, dass ihre Werke auf andere Art honoriert (gelesen, verstanden, akzepiert, gelobt etc.) werden und dass sie umgekehrt auch möglichst problemfrei Zugang zu anderen wissentschaftliche Werke bekommen.

        2.
        Die Gründe für die Veröffentlichung liegen also nicht im Honorar. Das Urheberrecht ist in der wissenschaftlichen Praxis aber nahezu ausschließlich für die finanzielle Verwertung von Bedeutung: Eigentlich alles, was mit wissenschaftlichen Veröffentlichungen getan wird (lesen, schreiben, zitieren, verarbeiten etc.), kann besser ohne Urheberrecht unternommen werden, nur nicht das Geld verdienen.

        Auch der Umstand, dass einer vergleichsweise geringeren Anzahl von Autoren („Produzenten“) eine größere Anzahl von reinen Lesern bzw. „Wenigschreibern“ („Konsumenten“) gegenüber steht, ändert daran nichts. Zwar profitieren die reinen Konsumenten, wenn sie nichts zahlen, von der Leistung anderer, ohne diese zu entgelten (werden deshalb gelegentlich auch als „Schmarotzer“ beschrieben), aber aus Sicht der üblichen wissenschaftlichen Urheber ist die aktuell geltende Alternative kaum vorteilhafter.

        Urheber erhalten einerseits eine geringe finanzielle Entlohnung (oft nur VG Wort): Aber dieses Honorar läßt sich auch auf andere Art finanzieren; Universitäten, Bibliotheken, Bildungsprogramme etc. werden ja auch finanziert (auch wenn man diese privatisieren könnte, etwa kommerzielle Leihbibliothken im 19. Jahrhundert oder Universitäten in den Vereinigten Staaten). Andererseits wird mit Urheberrecht der leichte und billige Zugang zu den Werken auch den Urhebern schwerer gemacht und die „Schmarotzer“ sind in erster Linie Konsumenten, die sich die meisten Urheber wünschen, sonst würden sie ihre Werke nicht veröffentlichen.

        3.
        Urheberrecht hat nicht die Aufgabe (und enthält keine nennenswerten Regelungsmechanismen), die wissenschaftliche Qualität oder Lauterkeit zu sichern.

        Es mag auch hier einige Ausnahmen geben, aber um diese zu einzugrenzen, muss man sich auf diese Ausnahmen konzentrieren und nicht ein überzogenes Urheberrecht durchsetzen. Plagiate z.B. verstoßen oft nicht einmal gegen das Urheberrecht. Das neuste Reisebuch (Kochbuch, Lebenshilfe etc.) vom XY-Verlag ist selten etwas Anderes als hauptsächlich eine Auswahl, Umformulierung und an manchen Stellen Aktualisierung von anderen Reiseführern (allerdings mit anderen Bildern). Der Reiseführer wird aber vom Urheberrecht genauso „geschützt“ wie die verwandten Vorlagen, die benutzt wurden.

        4.
        Der „Staat“ selber muss (und darf wohl auch) nicht als „Monopolverleger für wissenschaftliche Werke“ tätig werden. Dem würde in Deutschland eine Vielzahl von Hindernissen entgegenstehen, etwa:

        a) Die Zuständigkeit liegt bei den Bundesländern.

        b) In dem aktuell herschenden Wirtschaftssystem soll der Staat nur begrenzt gewerblich tätig werden, weil die freie Wirtschaft dies besser kann (nicht immer, aber zumindest in einigen Fällen). Allerdings ist das Verlagswesen kein Bereich, in dem der Verleger „innovativ“ sein müsste, denn Bücher oder Zeitschriften werden seit 500 Jahren produziert. Die Technik der Reproduktion (Papier, Digital) hat sich geändert, aber das betrifft nicht das eigentliche Verlagswesen. Dass Verleger eine besondere Kompetenz bei der Auswahl, was veröffentlicht wird und was nicht, haben oder haben müssen, kann man nicht sagen. Hier sind im wissenschaftliche Bereich an erster Stelle nicht Verleger gefragt, sondern „Fachmenschen“.

        c) Es muss außerdem eine Abschottung vor möglicher Einflussnahme der Politik (aktuell etwa Befürchtungen im Zusammenhang mit Trump und EPA, NOAA etc.).

        5.
        Universitätsverlage (etwa Tochtergesellschaften von mehreren Universitäten oder anderen wissenschafltichen Organisationen) wären eine Alternative. Oxford University Press oder Cambridge University Press, die nach meinem Kenntnisstand ältesten (16. JH) und größten wissenschaftlichen Buchverlage führen vor, dass dies durchaus möglich wäre. Mit Universitäten als Anteilseignern könnte besser sichergestellt werden, dass das wissenschaftliche Interesse im Vordergrund steht und nicht das kommerzielle.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.