Niederlande: Versteckte Kameras mit Analyse-Software in Werbetafeln gefunden

In Außenwerbetafeln in den Niederlanden wurden Kameras mit Video-Scannern eingesetzt, um Passanten zu analysieren. Die Betreiberfirma hat die Praxis nach Protesten eingestellt. Doch auch in Deutschland werden Überwachungssysteme getestet, die Menschen automatisiert erkennen und lesen sollen.

In den Niederlanden wurden Reisende durch Werbeanzeigen beobachtet. (Symbolbild) CC-BY 2.0 Giuseppe Milo

Die britische Werbefirma „Exterion Media“ hat in den Niederlanden 50 Kameras deaktiviert, die sich in digitalen Außenwerbetafeln des Konzerns befinden. Das berichtet die niederländische Zeitung „NRC Handelsblad“ unter Berufung auf eine Pressemitteilung des Unternehmens.

Mit bloßem Auge sind die kleinen Kameras kaum zu erkennen. - Alle Rechte vorbehalten Screenshot Twitter (@Nsdefect)

Exterion, das nach eigenen Angaben auch in Frankreich, Spanien und Großbritannien aktiv ist, reagierte damit auf öffentlichen Protest gegen die ungefragte Analyse. Ausgelöst wurde der Widerstand durch einen Twitterpost: Ein Reisender hatte auf dem Bahnhof der Stadt Amersfoort eine Apparatur in einer Anzeigetafel entdeckt und ein Bild davon geteilt. Während die staatliche Bahngesellschaft als Betreiberin des Bahnhofs zunächst von einem „Sensor“ sprach, der keine Bilder erzeugen könne, bestätigte Exterion später, dass es sich um eine Kamera handele.

Laut Bericht der Zeitung wurden die Kameras mit der Gesichtstracking-Software „VidiReports“ ausgestattet, um die Werbeanzeigen zu optimieren. Der Website des Herstellers „Quividi“ zufolge kann die Software sowohl erkennen, ob und wie lange eine Person die Werbeanzeige betrachtet, als auch biometrische Merkmale wie Geschlecht und Alter abschätzen. Diese Daten sollen in einer Datenbank gespeichert worden sein. Die Software kann zudem laut Hersteller auch die Gemütslage der Betrachter erfassen. In diesem Fall sei die Funktion allerdings nicht aktiviert gewesen, so Exterion.

Das Unternehmen betonte in seiner Pressemitteilung, „dass die Kameras keine Videoaufnahmen in irgendeiner Weise machen“. Das System erfasse und speichere lediglich die genannten Informationen über die Betrachter, aber keine Bilder. Ein Rückschluss auf einzelne Personen sei nicht möglich.

Ähnliche Systeme auch in Deutschland getestet

Auch in Deutschland wurden ähnliche Systeme bereits eingesetzt. So erregten etwa die Supermarktkette Real sowie die Deutsche Post Aufmerksamkeit durch den Einsatz von Werbebildschirmen mit visueller Tracking-Software in einigen Filialen. Ob solche Systeme überhaupt legal eingesetzt werden dürfen, ist umstritten. Fraglich ist insbesondere, ob eine Kennzeichnung durch einen allgemeinen Hinweis auf Videoüberwachung ausreicht, wie es bei Real der Fall war. Das Unternehmen hat die Tests inzwischen ebenfalls eingestellt.

Die Kapazitäten von Gesichtserkennungssoftware nehmen stetig zu. Wie der Guardian berichtet, kam zuletzt eine Studie der Stanford University zu dem Schluss, dass die Technik genutzt werden kann, um die sexuelle Orientierung eines Menschen mit hoher Trefferquote vorherzusagen. Auch für staatliche Akteure sind die Systeme interessant. Während ein Test des BKA mit automatischer Gesichtserkennung am Bahnhof Südkreuz noch läuft, träumt die CDU in ihrem Wahlprogramm bereits von einem flächendeckenden Einsatz der vernetzten Videoscanner an „öffentlichen Gefahrenorten“.

Vielen Dank an unseren Leser Vincent für den Hinweis.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

6 Ergänzungen

  1. Nicht zu vergessen die Deutsche Post AG: Diese setzt noch immer im Raum München Kameras ein um die Kunden vor Werbetafeln zu kategorisieren. Leider weigert sich das Unternehmen auf Anfrage die entsprechenden Filialen zu benennen.

  2. Dreister als dreist!
    Als Entwickler sollte man sich dafür nicht hergeben.
    Aber mit dieser Meinung stehe ich – jedenfalls in meinem IT-Umfeld – so ziemlich alleine da.

    Pecunia non olet?

    1. Die Ausrede dafür ist …
      „Ich bau ja nur das Messer.
      Ob es zum Brotschneiden oder Abstechen genutzt wird liegt nicht in meiner Verantwortung.“
      Das ist ein offensichtlich infantiler und verantwortungsloser Standpunkt.
      Natürlich haben auch Coder die Wahl an welchen Projekten sie arbeiten.
      Als Mechaniker had ich auch die Wahl, ob ich zu H&K geh oder Medizingeräte bau. Guess what.

  3. Diese ganze Kapitalismus-Scheiße geht mir unglaublich auf den Sack. Was in unserer Gesellschaft alles an Energie verschwendet wird, um irgendeinen Kack zu verkaufen… unfaßbar.

  4. Das Buch „Super Sad True Love Story“ und der Film „Zero Theorem“ werden in der Zukunft als Dokumentationen wahrgenommen werden…

  5. Empfindliche Optik braucht ein sauberes und unversehrtes Schutzglas. Schon Regentropfen können erheblich stören.

    Ein leidiges Problem für Wartungspersonal ist, dass die Gucklöcher mittlerweile so klein sind, dass man deren Position kennen muss, um die Linse zu putzen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.