Neues Projekt zeigt, was in der Schweiz zensiert wird

Ein neues Projekt wertet aus, welche Seiten in der Schweiz zensiert werden. Es macht damit transparent, aus welchen Gründen die Seiten gesperrt werden. Schon vor dem Start des Geldspielgesetzes sind hunderte Seiten in den Zensurlisten.

DNS-Sperren sind wie ein Stop-Schild. Sie können umgangen werden. Effektiver bei illegalen Inhalten ist Löschen statt Sperren. – Alle Rechte vorbehalten Branden Tate

Das neue Geldspielgesetz in der Schweiz verpflichtet Provider, ausländische Online-Casinos zu sperren. Bürgerrechtler fürchten die Einführung einer Zensurinfrastruktur. Doch diese gibt es schon. Der Informatiker Markus Ritzmann hat vor dem Start der Casino-Sperren mehrere hundert Webseiten identifiziert, die in der Schweiz gesperrt werden.

Auf der Seite dnszensur.ch wertet Ritzmann aus, welche Seiten das sind. Das Projekt ist seit vergangenem Samstag öffentlich und stellt eine Zensur-Datenbank zur Verfügung, die man sich auch als json-Datei herunterladen kann. Gemessen werden bislang DNS-Sperren der großen Provider Swisscom und UPC. Ritzmanns Projekt überprüft nach eigener Auskunft regelmäßig mehr als eine Million Webseiten. Die Liste der zu überprüfenden Webseiten werde dabei laufend erweitert. Als Quelle für neue Domains diene beispielsweise die Testliste von Citizen Lab, die unter anderem auch von der Zensur-Beobachtungsstelle Ooni verwendet wird.

„Mit dem neuen Projekt möchte ich zeigen, dass in der Schweiz bereits heute mehrere Hundert Webseiten gesperrt werden. Die Webseite DNSzensur.ch schafft Transparenz – die Provider selbst tun das nicht“, sagt Ritzmann, der auch Mitglied in der Bürgerrechtsorganisation Digitale Gesellschaft Schweiz ist, gegenüber netzpolitik.org. Er will damit auch das Referendum gegen das Geldspielgesetz unterstützen, das gerade angelaufen ist.

Die Website bietet Statistiken wie diese, in der erfasst wird, wie die DNS-Sperre begründet wird. - CC-BY 2.0 dnszensur.ch

Aufgefallen ist ihm bei seiner Auswertung, dass Swisscom und UPC sehr unterschiedlich sperren. Während die Swisscom vor allem Phishing-Seiten sperrt, sind es bei UPC eher „Kinderporno“-Domains, also Seiten, die Fotos und Videos von Kindesmissbrauch anbieten. Doch nicht nur das: „Während der letzten Monate konnte ich auch beobachten, wie eine legitime Webseite gesperrt wurde. Innerhalb weniger Stunden wurde diese aber wieder entsperrt.“ Netzsperren seien gefährlich und könnten unter Umständen wirtschaftlichen Schaden anrichten. Ritzmann hält die Sperren darüber hinaus auch nicht für wirksam: Wer sich darüber hinwegsetzen wolle, könne das sehr einfach tun. Er empfiehlt deswegen bei zweifelsfrei illegalen Inhalte: „Löschen statt Sperren!“

Das Projekt findet jetzt schon viele Unterstützer, erklärt der 21-Jährige: „In den letzten Tagen haben mich viele Leute mit Feedback und konkreten Ideen angeschrieben. Das Projekt wurde unter einer Open-Source Lizenz\-veröffentlicht und wird definitiv weiterentwickelt.“

Ein längeres Interview mit Markus Ritzmann zum Thema findet sich übrigens bei Watson.ch.

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8 Ergänzungen

  1. Na Lego. Meinen Sie, Ihre Tante ist in der Lage, DNS-Einträge auf ihrem Smartphone zu konfigurieren?

    Zudem kann der ISP DNS-Antworten, die eine blackgelistete Domain zum Inhalt haben, blocken.

    DNSec hebelt das aus, dann dropt oder re-routet die ISP-Firewall halt sämtliche packets mit entsprechenden Zieladressen.

    Seit wann eigentlich tummeln sich die Pedos wieder im Clearnet rum? Hat man sie nicht vor Jahren ins Darknet verjagt?
    Vermutlich fallen unter KP auch bei den Schweizern FKK-Fotos im „Grenzbereich“. Herr Edathy erinnert sich.

    1. Die echten PeDos waren nie wirklich im Internet vertreten, weder im Clearnet noch im „Darknet“.
      Was ist denn in letzter Zeit aufgeflogen?
      Genau, Pipi, aufgebauschtes Zeug, in denen mehr überneugierige „Normalos“ vertreten waren, die ein zugegeben raffgieriger PeDo „veröffentlicht“ hatte.

      Wie mächtig die echten PeDos sind und wie effizient dieser „Club“ geschützt wird, sollte sich mal mit einem Herren Dutroux beschäftigen, in seinem Haus hat die Polizei z.B. zwei Zeuginnen einfach verrecken lassen!

      Im übrigen ist mit dem „Darknet“ das TOR Netzwerk gemeint, in dessen Inneren man eigene Domains registrieren kann, wie Facebook z.B. https://www.golem.de/news/anonymisierung-facebook-ist-im-tor-netzwerk-erreichbar-1410-110241.html
      Klar ist schon ein bisschen her, aber hier sieht man aber auch, wie man das „Clearnet“ umgeht um seine Ziele zu erreichen!
      Unsere Firma hat für die Unternehmenskommunikation auch einen Fuß im „Darknet“, ist schon Lustig wie „Wir“ die VDS hemmungslos aushebeln dürfen, noch muss man sagen!

      Ich habe hier auf NP.org schon eine Blaupause gefunden, die wiederum alles aushebelt, was das Internet „Frei“ macht, das „Fahren“ („Rasen“) auf der Datenautobahn ohne Internetführerschein!

  2. Tja…das ist der Grund, warum ich nun aus der Schweiz per VPN unterwegs bin…..ich hasse Stopp-Schilder und die dazugehörige Infrastruktur….und nein…..da gibt es keinen guten Zweck dafür, so was einzurichten und da gilt der Spruch: Zensoren sind Arschlöcher, (fast) immer und überall….

    bombjack

  3. Kommt es nicht auch einer Zensur gleich, wenn privatwirtschaftlich versucht wird (noch) öffentlich-rechtliche Medien zu „stutzen?“

    Nicht nur in der Schweiz gibt es solche Tendenzen.
    Siehe dazu die Artikel in der Rubrik MEDIENPOLITIK.
    http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/zapp/index.html

    Im März 2018 soll es dazu in er Schweiz eine Abstimmung geben:
    http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/zapp/Schweiz-Oeffentlicher-Rundfunk-unter-Beschuss,srg100.html

    1. Es wird ja immer betont, das Gesprächsinhalte nicht gespeichert werden.
      Was ist mit Stimmungsinhalten?
      Steht demnächst auch bei „Ihrer“ Krankenkasse auf dem Plan!
      Und wehe man schlägt das wohlwollende Goody aus, dann ist man Unkooperativ und gefährdet seine Gesundheit, Zack!
      Ab in die Schublade und Strafe zahlen, bis man „freiwillig“ seine Gesundheit nicht mehr gefährdet!

      1. Gruselig. Vielen Dank für den Link.

        In diesem Fall entscheidet der (dumme) Bürger sich aber immer noch selbst für die Integration „smarter“ Technik in seinen Tagesablauf. Das Big-Picture wird wohl sein, seine Kunden an smarte Devices zu gewohnen, so dass nachfolgende Generationen das BigData-Geschäftsmodell nicht mehr kritisch hinterfragen.

        Eines Tages geht es dann denjenigen an den Kragen, welche sich diesem Trend zu widersetzen versuchen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.