Kommentar: Darum klagen wir für mehr Pressefreiheit in Karlsruhe

Die Datenhehlerei ist eine Gefahr für die Pressefreiheit und ist ein Damoklesschwert über vernetzten Redaktionen wie unserer. Deswegen haben wir eine Verfassungsbeschwerde eingelegt. Unsere Hoffnung ist, dass Rechtssicherheit für Journalisten gesteigert wird und die Pressefreiheit ein Update erhält.

Symbolbild. Foto: CC0 1.0 | João Silas

Wir sehen den Straftatbestand der Datenhehlerei als großes Risiko für vernetzte Redaktionen wie wir es sind. Dazu kommt: Deutschland ist beim Whistleblowerschutz immer noch Entwicklungsland. Mit sehr viel Luft nach oben. Die Datenhehlerei verfestigt diesen beschämenden Status, denn es besteht die Gefahr, dass durch Ermittlungen gegen Journalisten deren Quellen enttarnt werden.

Die Datenhehlerei gefährdet nicht nur Journalisten. Es gibt viele Organisationen im Bereich Verbraucher- und Umweltschutz, wie Foodwatch oder Greenpeace, die gesellschaftliche Missstände und Skandale aufdecken und ihr Quellenmaterial ebenfalls auf digitalem Wege erhalten. Und viele Blogger, die eine gesellschaftlich wichtige Arbeit ehrenamtlich machen, weil einfach kein funktionierendes Geschäftsmodell existiert. Diese sind meist keine „berufsmäßigen Journalisten“, erfüllen aber oft auch eine mit Medien vergleichbare Wächterfunktion in unserer Gesellschaft. Genau deswegen brauchen sie mehr und nicht weniger Schutz.

Die Datenhehlerei ist ein Damoklesschwert über vernetzten Redaktionen

Wir arbeiten in unserer Redaktion mit beschränkten Ressourcen. Wir verfügen nicht über ein Justiziariat im eigenen Hause und sind glücklich darüber, dass uns externe Juristen bei vielen Fragestellungen unterstützen. Dazu brauchen diese auch Zugang zu digitalem Quellenmaterial. Wir sind aber auch darauf angewiesen, mit externen Technikern Datenberge analysieren und auch aufbereiten zu können. Diese arbeiten ebenfalls in der Regel ehrenamtlich für uns, was auch nicht der Definition von „Berufsmäßigkeit“ entspricht.

Mit anderen Worten: Selbst wenn wir als feste Redaktion in der Mitte einer journalistischen Prozesskette abgesichert sind, sind es aber nicht diejenigen, von denen wir Informationen bekommen, und diejenigen, die uns dabei unterstützen, diese aufzubereiten und zu analysieren. Und das ist ein Problem.

Nicht nur nach unseren Erfahrungen wegen Landesverrat sind wir überzeugt: Wenn es einen Weg gibt, um kritische Journalisten in ihrer Arbeit einzuschüchtern, dann wird er im Extremfall auch genutzt. Allein schon die Wahrscheinlichkeit, dass mit der Datenhehlerei gegen investigative Journalisten, ihre Quellen und vernetzte Mitarbeiter vorgegangen werden könnte, erzeugt einen Chilling-Effect, der wie eine Schere im Kopf Auswirkungen auf die Pressefreiheit hat. Das ist vergleichbar mit einem Damoklesschwert, das über einem schwebt und an das man sich bei jeder Veröffentlichung erinnert.

Als die Ermittlungen gegen uns wegen Landesverrat bekannt wurden, gab es eine riesige Welle der Solidarität. Wir bekamen viele Spenden, um uns vor Gericht dagegen zu wehren. Mit der Einstellung der Ermittlungen mussten wir das Geld nicht in aufwändige Prozesse stecken. Wir haben mit einem Teil unsere Redaktion ausgebaut. Aber wir nutzen auch einen Teil, um diese Verfassungsbeschwerde zu großen Teilen zu finanzieren. Und ziehen jetzt zusammen mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte und Reporter ohne Grenzen nach Karlsruhe.

Unsere Hoffnung: Mehr Rechtssicherheit für Journalisten und ein Update der Pressefreiheit

Unser Ziel ist mehr Rechtssicherheit für investigative Journalisten und ihre vernetzten Mitarbeiter und im Idealfall ein Update der Pressefreiheit durch eine zeitgemäße Entscheidung, die auch den Medienwandel und veränderte Rahmenbedingungen mit berücksichtigt. Denn die Hoffnung ist: Wenn das Bundesverfassungsgericht schon mal über einen Fall der Pressefreiheit entscheidet, dann kann es auch gleich klären, wer heutzutage auch unter dem Schutz der Pressefreiheit steht. Und das Kriterium sollte nicht eine Berufsmäßigkeit sein.

Natürlich freuen wir uns, wenn ein Teil der Kosten für diese Verfassungsbeschwerde wieder reinkommt, und wir diese in den Erhalt und Ausbau unserer Redaktion stecken können. Mit einer Spende oder einem Dauerauftrag kannst Du / können Sie uns unterstützen.

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18 Ergänzungen

  1. Natürlich freuen wir uns, wenn ein Teil der Kosten für diese Verfassungsbeschwerde wieder reinkommt und wir diese in den Erhalt und Ausbau unserer Redaktion stecken können.

    Es ist schon schräg genug, dass Bürgerrechtsorganisationen und einzelne Journalisten eine Verfassungsbeschwerde betreiben müssen, und sich nicht etwa größere und große Medienhäuser berufen fühlen, dies zu tun.

    Daher mein Appell an jene, die selbst mit Sekundärschlagzeilen nicht schlecht verdienen:

    Es stünde vor allem den großen Medienhäusern ganz gut an, wenn diese mal in ihre Taschen greiften und jene unterstützen, die die Kastanien für die ganze Branche aus dem Feuer zu holen versuchen!!!

    1. @ruck redner
      Einkommensquelle Hofberichtserstattung ist lukrativer als journalismus,für Medienhäuser verbietet sich die Klage.

  2. Es gibt keine Berechtigung Whistleblowing zu erlauben. Genau diesselben regen sich auf, wenn sie von kritischen Stellen, wie der CIA ueberwacht werden und ihre Daten geleakt werden. Dasselbe Recht, dass sie fuer sich in Anspruch nehmen, haben sie auch anderen zu lassen. Genau hier fordern sie fuer sich selbst Pressefreiheit und Datenschutz. Ich glaube, dass die Beschwerdefuehrer politisch linker Gesinnung sind und ihre Aufmerksamkeit in Frage gestellt ist, wenn Ihre Handlungen verboten werden. Ansonsten darf man auch investigativ in den USA in den Computer dieser Enthuellungsreporter an der Grenzkontrolle schauen und dies ist Berechtigt in Zeiten von ansteigend politisch linker Straftaten und notwendig und Hinblick auf deutsche Geschichte zu unterstuetzen.

    1. Mal ein aktuelles Beispiel für ein Leak: Nicht die Polizei, sondern die Presse hat das Video von dem Berliner Treppentreter nach einem Leak veröffentlich, worauf die Polizei ankündigte, mit allen Mitteln den Täter zu verfolgen … nein, damit meinten sie nicht den Treter, sondern den Whistleblower, siehe z.B. “ Warum die Polizei erst jetzt nach dem Treppen-Treter fahndet “ berlinjournal biz.

      1. Ach nochwas. Wieso eigentlich spielen diese Whistleblower grossteils immer politisch Linken Gruppen zu? Gegen zu George Bush, Wikileaks? Bankgeheimnis, Lux Leaks an Gruene, SPD? Vorwand das Bankgeheimnis zu bekaempfen, welches Rechtstaatlichkeit oder Schutz sichert und verhindert, dass Diktaturen die Voelkermorde betreiben finanziell unterstuetzt werden? Beantworten sie mir dies bitte, oder wollen sie mir sagen, dass der automatische Informationsaustausch eine Diktatur wie die Tuerkei zu Fall bringt?

        1. Wieso eigentlich spielen diese Whistleblower grossteils immer politisch Linken Gruppen zu?

          Weil Whistleblower kluge Menschen sind.

          1. Oder wegen der Gruppe an typischen Institutionen und Personen, über die es großteils was zu leaken gibt.

          2. … man geht auch nicht zu seinen Peinigern, um sich zu beschweren!
            … man geht nicht zu den Mobbern, um sich über das Mobbing zu beschweren, oder?

      2. Also war für die Polizei der Datenschutz des Verdächtigen wichtiger, als ihn schnell zu verhaften. Und der Whistleblower war damit nicht einverstanden, für ihn ging Sicherheit über Datenschutz. Wenn die Polizei also nun den Whistleblower verfolgt, dient sie ja demnach dem Datenschutz?

  3. War dieser Betreffende ein Whistleblower? Vielleicht brauchen wir ja Glaeserne Haueser in dieser Gesellschaft um jeden reinschauen zu koennen. Waere schon witzig manche Politiker beim Umziehen oder Enthuellungsreporter zu betrachten. Auch die Toilette bitte Transparent.

    1. Ich finde es ist immer schön zu sehen, das bei netzpolitik die Kommentare echt nicht zensiert werden, auch wenn es ersichtliche Nachteile bringt. Dafür braucht man echt Mut, danke das ihr an eure Leser glaubt, obwohl man bei manchen Kommentaren schnell den Glauben verlieren könnte ;)

      1. Naja, es ist Freitag Abend. Verdiente Ruhe für die einen und Frust und Suff für die anderen.

        Ersichtliche Nachteile sind es weniger, vielmehr gehen solche durchfallartigen Ergüsse gehörig auf den Nerv. Es sind ja nicht unbedingt „Leser“, sondern Provokateure, die die Gunst der späten Stunde hier nutzen.

  4. Whistleblower sind Personen, die aus ihrem Umfeld heraus ihre gewonnenen Erkenntnisse der Öffentlichkeit mitteilen. Und das ist auch gut so. Denn meistens handelt es sich um geheime Vorgänge, die der Öffentlichkeit verborgen bleiben sollen.
    Also tragen Whistleblover zur Transparenz bei, unterstützen die Demokratie, die freie Berichterstattung, entlarven „Fake News“.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.