John Brockmans Buch über Denkmaschinen: Was sollen wir von Künstlicher Intelligenz halten?

Er hat aus der ganzen Welt Wissenschaftler und Künstler zusammengeholt, um Lesern Erkenntnisse, Gedanken und Prognosen über Künstliche Intelligenz nahezubringen: In einem Buch über Denkmaschinen und lernende Computer bringt John Brockman den Stand der Diskussion auf den Punkt.

CC-BY-SA 2.0 Alec Meer

Es ist eines der Themen, über das Wissenschaft und nun auch Gesellschaft schon seit Jahrzehnten diskutieren, forschen, streiten: Künstliche Intelligenz. Doch schon bei dem Begriff fängt es an. Sollte es nicht besser „entworfene Intelligenz“ heißen? Denn anders als Intelligenz beim Menschen ist ein „intelligentes“ Programm eines Computers absichtlich konstruiert und in einer bestimmten Form erstellt worden. Das ist einer der Vorschläge, der sich in einem ebenso stimulierenden wie kurzweiligen von John Brockman herausgegebenen Buch findet, das nun in Deutsch vorliegt: „Was sollen wir von Künstlicher Intelligenz halten?“

Künstliche Intelligenz (KI) war zunächst ein wissenschaftliches Forschungsfeld, das vor allem Computertechnologien untersuchen wollte, um Fähigkeiten des Menschen mit Software nachzuahmen: lernen, verstehen, handeln. Mehr als sechzig Jahre lang wird bereits daran geforscht. Der Literatur-Professor Thomas A. Bass schreibt in seinem Beitrag „Mehr Funk, mehr Soul, mehr Poesie und Kunst“:

Wir haben zahlreiche Probleme anzugehen und Lösungen zu finden. […] Wir brauchen mehr Künstler-Programmierer und künstlerisches Programmieren. Es ist Zeit, dass unsere Denkmaschinen aus einer Jugendzeit herauswachsen, die jetzt sechzig Jahre gedauert hat. (Thomas A. Bass, S. 552)

john brockman ki-buch
John Brockman (Hrg.): „Was sollen wir von Künstlicher Intelligenz halten?“,
S.Fischer-Verlag.

Diese „Jugendzeit“ ist mit Sicherheit vorbei. Denn seit dem neuen Jahrtausend sind die früher meist nur akademischen Fragen für sehr viel mehr Menschen interessant geworden, schlicht weil sie mit KI im Alltag in Kontakt kommen. Sie helfen bei der Informationssuche, beim Navigieren und nun auch beim kreativen Kochen.

Am greifbarsten wird das in letzter Zeit durch das sogenannte Natural Language Processing (NLP), also die Verarbeitung der menschlichen Sprache durch Software. Natürlich „verstehen“ heutige Computer nicht das von Menschen Gesagte, also haben „nicht Derartiges wie eine Kompetenz auf Menschenniveau“ (Rodney Brooks, S. 152), aber sie können Gesprochenes sinnvoll verarbeiten, um beispielsweise Befehle auszuführen.

Brockman bietet mit dem Buch einen einmaligen und vielschichtigen Einblick in das Feld der KI, indem er als Herausgeber über einhundertachtzig Autoren zusammenholt, die alle nur denkbaren Seiten des Themas beleuchten. Er wirft die grundsätzliche Frage auf: Was sollen wir von Künstlicher Intelligenz halten? Und die Autoren beantworten diese Frage auf sehr verschiedene Weise, jeweils in knappen Artikeln von nur zwei bis vier Seiten.

Einleitend fügte Brockman im Vorwort des Buches noch weitere Fragen hinzu:

Sollten wir nicht auch die Frage stellen, worüber Denkmaschinen nachdenken könnten? Werden sie Bürgerrechte wollen und erwarten? Werden sie Bewusstsein haben? Welche Art von Regierung würde eine KI für uns auswählen? Welche Art von Gesellschaft würden sie für sich selbst strukturieren wollen? Oder ist „ihre“ Gesellschaft „unsere“ Gesellschaft? Werden wir und die KIs einander in unsere jeweiligen Kreise der Empathie einschließen?

Schon diese kurze Fragenreihe macht klar, worum es Brockman in dem Buch geht: Es sind nicht nur die sich heute aufdrängenden Themen rund um entworfene Intelligenz, sondern auch weit in die Zukunft reichende.

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Ein intelligenter Reinigungsroboter aus dem Film „Wall-E“. Bild: CC BY 2.0 via flickr von JD Hancock.

Menschen als überholte und minderwertige Modelle?

John Brockman ist Literaturagent in den Vereinigten Staaten und vor allem als Veranstalter der Edge-Konferenzen bekannt. Er holt dort regelmäßig Wissenschaftler, Autoren und Künstler zusammen. Für die Wahl der Gäste und vor allem die Auswahl der Themen wird er als Visionär und Ideengeber geschätzt. Das nun mit viel Sorgfalt ins Deutsche übertragene Buch entstand nach einer der Edge-Konferenzen.

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John Brockman. Bild: CC BY-SA 2.0 via flickr von nrkbeta.

Viele der Beiträge des Buches beschäftigen sich mit den zukünftigen Möglichkeiten von „intelligenten“ Programmen und damit, in welchen Bereichen Software und Roboter den Menschen überflügeln können. Daraus resultieren für viele der Autoren existentielle Fragen:

Natürlich können Maschinen viel besser rechnen und Zahlen zermahlen als wir. Und bald schon werden sie alle ihre Turing-Tests mit Leichtigkeit bestehen. Aber wen kümmert es? Lassen wir sie unsere Routinearbeiten verrichten. Lassen wir sie abhängen und chatten. Aber wenn Maschinen viel besser malen und komponieren können als wir – wenn ihre Geschichten mitreißender sind als unsere –, dann wird man nicht mehr leugnen können, dass wir selbst einfach nur Denk- und Kunstmaschinen sind, und obendrein noch überholte und minderwertige Modelle. (Jonathan Gottschall, S. 226)

Für den Leser bleibt angesichts der vielen Denkanstöße, Anregungen und Ideen in dem Buch nichts weiter übrig, als selbst ins Nachdenken zu geraten über unsere Zukunft mit den Denkmaschinen.

Ein Fundus kluger Geister

Es muss für Brockman ein ausgesprochen aufwendiges Unterfangen gewesen sein, das Buch zusammenzustellen. Denn nicht nur sind zahlreiche und angesehene Wissenschaftler aus vielen Ländern dabei, sondern auch Schriftsteller, Künstler oder Vertreter aus der Wirtschaft. Wer sich über alle 186 Beiträger des Buches informieren möchte, der kann gern einen Blick in folgende Liste werfen. Die Autoren sind:

Pamela McCorduck, George Church, James J. O’Donnell, Carlo Rovelli, Nick Bostrom, Daniel C. Dennett, Donald Hoffman, Roger Schank, Mark Pagel, Frank Wilczek, Robert Provine, Susan Blackmore, Haim Harari, Andy Clark, William Poundstone, Peter Norvig, Rodney Brooks, Jonathan Gottschall, Arnold Trehub, Giulio Boccaletti, Michael Shermer, Chris DiBona, Aubrey De Grey, Juan Enriquez, Satyajit Das, Quentin Hardy, Clifford Pickover, Nicholas Humphrey, Ross Anderson, Paul Saffo, Eric J. Topol, M.D., Dylan Evans, Roger Highfield, Gordon Kane, Melanie Swan, Richard Nisbett, Lee Smolin, Scott Atran, Stanislas Dehaene, Stephen Kosslyn, Emanuel Derman, Richard Thaler, Alison Gopnik, Ernst Pöppel, Luca De Biase, Maraget Levi, Terrence Sejnowski, Thomas Metzinger, D.A. Wallach, Leo Chalupa, Bruce Sterling, Kevin Kelly, Martin Seligman, Keith Devlin, S. Abbas Raza, Neil Gershenfeld, Daniel Everett, Douglas Coupland, Joshua Bongard, Ziyad Marar, Thomas Bass, Frank Tipler, Mario Livio, Marti Hearst, Randolph Nesse, Alex (Sandy) Pentland, Samuel Arbesman, Gerald Smallberg, John Mather, Ursula Martin, Kurt Gray, Gerd Gigerenzer, Kevin Slavin, Nicholas Carr, Timo Hannay, Kai Krause, Alun Anderson, Seth Lloyd, Mary Catherine Bateson, Steve Fuller, Virginia Heffernan, Barbara Strauch, Sean Carroll, Sheizaf Rafaeli, Edward Slingerland, Nicholas Christakis, Joichi Ito, David Christian, George Dyson, Paul Davies, Douglas Rushkoff, Tim O’Reilly, Irene Pepperberg, Helen Fisher, Stuart A. Kauffman, Stuart Russell, Tomaso Poggio, Robert Sapolsky, Maria Popova, Martin Rees, Lawrence M. Krauss, Jessica Tracy & Kristin Laurin, Roy Baumeister, Paul Dolan, Kate Jefferey, June Gruber & Raul Saucedo, Bruce Schneier, Rebecca MacKinnon, Antony Garrett Lisi, Thomas Dietterich, John Markoff, Matthew Lieberman, Dimitar Sasselov, Michael Vassar, Gregory Paul, Hans Ulrich Obrist, Andrian Kreye, Andrés Roemer, N.J. Enfield, Rolf Dobelli, Nina Jablonski, Marcelo Gleiser, Gary Klein, Tor Nørretranders, David Gelernter, Cesar Hidalgo, Gary Marcus, Sam Harris, Molly Crockett, Abigail Marsh, Alexander Wissner-Gross, Koo Jeong-A, Sarah Demers, Richard Foreman, Julia Clarke, Georg Diez, Jaan Tallinn, Michael McCullough, Hans Halvorson, Kevin Hand, Christine Finn, Tom Griffiths, Dirk Helbing, Brian Knutson, John Tooby, Maximilian Schich, Athena Vouloumanos, Brian Christian, Timothy Taylor, Bruce Parker, Benjamin Bergen, Laurence Smith, Ian Bogost, W. Tecumseh Fitch, Michael Norton, Scott Draves, Gregory Benford, Chris Anderson, Matthew Ritchie, Raphael Bousso, Christopher Chabris, James Croak, Beatrice Golomb, Moshe Hoffman, John Naughton, Matt Ridley, Eduardo Salcedo-Albaran, Eldar Shafir, Maria Spiropulu, Noga Arikha, Rory Sutherland, Tania Lombrozo, Bart Kosko, Joscha Bach, Esther Dyson, Anthony Aguirre, Steve Omohundro, Murray Shanahan, Eliezer Yudkowsky, Steven Pinker, Max Tegmark, Jon Kleinberg & Senhil Mullainathan, Freeman Dyson, Brian Eno, W. Daniel Hillis, Demis Hassabis & Shane Legg & Mustafa Suleyman und Katinka Matson.

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9 Ergänzungen

  1. Als Homo Sapiens stellt sich für mich nur noch die Frage „Die oder Wir?“ Am Ende sind doch wir es, die in einer total versauten Umwelt mit viel weniger Energie als unseren Urgroßeltern zur Verfügung stand eine neue Zivilisation aufbauen werden.

  2. Ich denke man sollte die KI nicht als Konkurrenten sehen, sondern mehr als unser Kind. Sie werden unsere Nachkommen sein. Und so wie wir es uns auch für unsere Kinder wünschen werden sie stärker und klüger sein. Unsere Aufgabe wird es sein das beste von uns an sie weiter zu geben. Moral, Ethic, unsere und damit auch ihre Geschichte.
    Ich kann nur hoffen das die KI’s irgendwann so „erwachsen“ sind, dass sie uns vielleicht auf die Sprünge helfen vernünftiger zu sein.

  3. Dazu müsste man erst mal Intelligenz definieren. Die KI kriegen massenhaft verschiedene Möglichkeiten einprogrammiert, aus denen sie dann in maximaler Geschwindigkeit eine optimale Lösung finden. Das wäre erlernte Intelligenz. Allerdings sind die Dinger natürlich gesehen hirntot. Ich würde meinen, jede Krähe, jeder Delfin und jeder Affe wäre intelligenter als Maschinen. Abgesehen nur von Menschen, die glauben, dass Maschinen intelligent sein könnten. Nein, sie sind Nullen im digitalen Ereignisfeld, die glauben, dass sie zu Einsen werden könnten. :-)

    1. > Dazu müsste man erst mal Intelligenz definieren.

      Nee, müsste man nicht. Nur solltest Du selbst mal anfangen Definitionen zu Intelligenz zu lesen. Vielleicht verstehst Du es, vielleicht aber auch nicht.

      Hättest Du Dir mal die Mühe gemacht, dann hättest Du vielleicht auf diese gefunden:

      Intelligenz ist, was der Intelligenz-Test misst.

      So ein Mist aber auch …

  4. hallo,
    die intelligenz der künstlichen „intelligenzbestien“ ist genauso begrenzt, wie die der Erschaffer. Offensichtlich unlogisches, emotionales verhalten bringt jede ki in eine „verbotene Zone“, digitaltechnisch gesehen (ein bischen NULL oder ein bischen 1 ? ;))..).

  5. Hallo auch.

    Vor der Frage nach Künstlicher/Entworfener- sollte die Existenz Menschlicher- Intelligenz geklärt werden.

    Z.B.

    KANN es sein das die wesentliche Aussage dieses Artikels; neben Zitaten; darin besteht das es die 186 Statements die auch unter

    https://netzpolitik.org/2015/kuenstliche-intelligenz-was-denkt-ihr-ueber-denkende-maschinen/

    und dort verlinkt zu

    https://www.edge.org/responses/what-do-you-think-about-machines-that-think

    es nun auch als Buch gebunden und in Deutsch gibt? Hier wie dort werden 186 Autoren genannt, ein kurzer Check zeigt das alle unter dem 1. Link genannten auch in der Autorenliste hier vorkommen. Nur das der andere Artikel lt. Kopf von 2015 ist (und ganz nebenbei auch unter diesem hier verlinkt war).

    Klingt für mich so als hätte Brockman einfach nur die Statements von dort abgepinselt, ein paar Passende Fragen als Vorwort beigesteuert und das war’s dann. „Schreibt“ man so heute Bücher?

    Ich hätte interesse an dem Buch, mir Fehlt nur die ISBN dazu. Aber wenn es zu teuer ist dann werde ich es gewiss NICHT kaufen. Schon wegen der obigen, Hmm „Seltsamkeiten“

    Früher konnte man hier bei uns bei libri bestellen und an die Buchhandlung liefern lassen. Aber solange solche hilfreichen Dienste eingestellt werden weil es evtl. zu aufwändig, wenig genutzt o.a. wäre, so lange wird KI uns keinen Fortschritt bringen.

    Eher wird sie ein Weiteres Instrument der Beobachtung, Kontrolle und Steuerung von allem und Jedem (außer ihren Beherrschern) sein. Das ist MEIN Statement dazu.

    1. Der S.Fischer-Verlag hat das Buch ins Deutsche übersetzt, das steht auch im Text, ebenso ist die Edge-Konferenz verlinkt, die Ausgangspunkt des Buches war. Dazu gibt es im Text auch den Link zum Verlag, dort steht die ISBN (978-3-596-29705-4) und der Preis (16,99 Euro) des Buches.

      Wie im Text außerdem steht, ist Brockman der Organisator der Edge-Konferenzen, hat das Thema dort aufgeworfen und als Herausgeber ein Buch daraus gemacht. Er hat also nicht die dort diskutierten Inhalte „einfach nur“ zum Buch gemacht oder gar „abgepinselt“, sondern ist als Herausgeber des Buches der Initiator. Herausgeber sein bedeutet, dass man in einem Buch Autoren thematisch zusammenstellt, in der Regel mit einer oder mehreren Leitfragen. Dass jemand das in dieser Vielfalt bei dem Thema schon mal geschafft hätte, wäre mir nicht bekannt.

      So schreibt man nur Bücher, wenn man kann, nämlich es schafft, die Autoren so unterschiedlicher Wissenschaften zusammenzuholen.

      Ich wollte auf das Buch hinweisen, einfach deshalb, weil ich sehr lesenswert fand.

      1. Hoppla, offenbar habe ich den Artikel; interessiert aber zu schnell; quergelesen so das ich darüber ausgerechnet den ersten Link im Text (der zum Verlag führt) übersah. Ich habe wohl auch Veranstalter nicht gleich gesetzt mit Organisator und/Oder Fragen-aufsteller. Der Preis ist okay, ich denke ich werde es mir besorgen.

        Danke für den Hinweis auf meine Fehlbarkeit. :-) [Capcha-Check:OK]

        Ist es eigentlich üblich das 2 Jahre vergehen bis so ein Buch auch in’s Deutsche übersetzt wird. Ich nehme an das es zuerst in Englisch und viel Früher erschien, oder?

        1. Mein Eindruck ist, dass es bei Übersetzungen recht lange dauern kann. Meine eigenen Bücher sind in andere Sprachen übersetzt worden, das hat auch viele Monate und in einem Fall weit mehr als ein Jahr gedauert. Ich finde das allerdings nicht so schlimm, interessante Gedanken veralten gar nicht allzu schnell, sofern sich nicht technisch etwas ganz Neues ergibt. Bei Brockmans Buch finde ich viele der Gedanken der Autoren sehr aktuell.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.