Jährliche StatistikDer BND überwacht angeblich nur eine E-Mail pro Woche

Der BND hat letztes Jahr nur 52 Mal E-Mails oder Telefonate abgehört und ausgewertet. Das sagt die offizielle Statistik zur Überwachung nach Artikel 10-Gesetz. Der Haken: Dabei wird nur gezählt, wenn der Auslandsgeheimdienst Inländer abhört. Das hat der BND in der Vergangenheit missbraucht.

Lupe
Angebliches Suchtool des BND. (Symbolbild) CC-BY 2.0 Neil Rickards

Als Teil der parlamentarischen Aufsicht der Geheimdienste veröffentlicht das Parlamentarische Kontrollgremium jedes Jahr einen Bericht über deren Überwachungsmaßnahmen nach Artikel 10-Gesetz. Im Februar wurde der aktuelle Bericht über das Jahr 2015 veröffentlicht.

Obwohl das Dokument aus nur zehn Seiten besteht, gab es außer einer Meldung auf bundestag.de keine nennenswerte Berichterstattung. Das liegt auch daran, dass die eigentlichen Neuigkeiten in einer Textwüste untergehen und nicht eingeordnet werden. Auf Basis der Arbeit von Jürgen Scheele haben wir die Zahlen extrahiert, aufbereitet (ODS, CSV) und visualisiert.

Dabei beschränken wir uns auf die so genannte „strategische Überwachung“ des BND, also nicht das Abhören konkreter Zielpersonen, sondern das Abschnorcheln ganzer Kommunikationsleitungen wie Glasfaser-Kabeln, um sie mit „Selektoren“ zu rastern.

Erfasst: 1.132 mal Terror, 832 mal Proliferation

Laut Bericht blieben im letzten Jahr 1.964 Kommunikations-Inhalte in der Rasterfahndung des BND hängen, die er abgespeichert und inhaltlich weiterverwendet hat. Davon fallen 1.132 in den Bereich „Internationaler Terrorismus“ – 892 Verkehrsdatensätze, 219 Telefonate, 17 SMS und vier E-Mails. Im Bereich „Proliferation und konventionelle Rüstung“ waren es 761 E-Mails, 50 Verkehrsdatensätze, 14 SMS und sieben Telefonate – insgesamt 832.

Eine Visualierung der letzten Jahre zeigt, dass diese knapp 2.000 „Verkehre“ verschwindend wenig sind im Vergleich zu den über 37 Millionen im Jahr 2010:

Damals hatte der BND zwei Ausreden für die hohen Zahlen: Einerseits war der Geheimdienst mit einem „sehr hohen Spam-Anteil“ überfordert. Andererseits war die Suche nach dem Wort „Bombe“ ein „großer Reinfall, weil das auch ‚Sexbombe‘ getroffen hatte“.

Auch deshalb werden in einem zweiten Schritt die gespeicherten Mails und Telefonate von BND-Mitarbeitern gelesen und inhaltlich ausgewertet.

Relevant: 41 mal Terror, elf mal Proliferation

Letztes Jahr hat der BND 41 Telekommunikations-Verkehre bei Terror und elf TK-Verkehre bei Proliferation „als nachrichtendienstlich relevant eingestuft“. Das sind nicht mal drei Prozent der ausgewerteten Inhalte. Aus diesen 52 Kommunikations-Inhalten werden dann „Meldungen“ und Berichte erstellt, die Bundesregierung und andere „Abnehmer“ wie Ministerien zu lesen bekommen.

Das ist ein historischer Tiefstand und 30 Mal weniger als im Rekordjahr 2006:

Doch niemand wird ernsthaft annehmen, dass der BND mit seinen 6.500 Mitarbeitern und 833 Millionen Euro Jahresbudget nur eine E-Mail pro Woche liest. Immerhin haben wir schriftlich, dass der Geheimdienst jeden Tag 220 Millionen Verbindungsdaten speichert und jeden Monat 1,3 Milliarden Metadaten an die NSA übermittelt.

Der „Trick“ ist, dass sich dieser Bericht und die Zahlen darin nur auf Überwachungsmaßnahmen nach Artikel 10-Gesetz beschränken. Das ist nur ein winziger Bruchteil, nämlich nur die, die in Artikel 10 des Grundgesetzes eingreifen. Da die Bundesregierung der Auffassung ist, dass Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis nur für Deutsche gelten, betrifft diese Statistik nur Fälle, in denen der Auslandsgeheimdienst Inländer abhört.

Zumindest theoretisch. In der Praxis hat der BND die von der G-10-Kommission genehmigten G-10-Anordnungen auch verwendet, um einen „Generalzugriff“ auf Internet-Knoten in Deutschland zu erschleichen. Im Geheimdienst-Untersuchungsausschuss kam ans Licht, dass der BND solche eng begrenzten Genehmigungen zum Abhören weniger Deutscher als „Türöffner“ missbraucht hat, um stattdessen massenhaft „Routineverkehr“ von Ausländern abzuhören. Die zuständige G-10-Kommission klagte dagegen, der ehemalige Vorsitzende bezeichnete die Trickserei des BND als „in höchstem Maße unredlich“.

Mit dem neuen BND-Gesetz der Großen Koalition darf der BND ganz legal Internet-Knoten in Deutschland abhören, damit braucht er den Umweg über das Artikel 10-Gesetz nicht mehr. Diese Überwachungsmaßnahmen im Inland tauchen auch nicht mehr in der jährlichen Statistik auf. Genau wie alles andere, was der BND im Ausland oder mit der Kommunikation von Ausländern tut.

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8 Ergänzungen

    1. Nein , dagegen kann man sich nur mit der Propagierung und Durchsetzung konsenter Maßnahmen schützen: d.h. mit der Forderung nach internationaler Ächtung aller menschenrechtsverletzender, krimineller und terroristischer Geheimdienstaktivitäten ( also aller Geheimdienstaktivitäten). Dies mag mach einem genauso illusorisch vorkommen, wie die internationale Ächtung von ABC-Waffen, bewaffneten Terror-Drohnen oder Landminen.
      Aber auch in diesen Fragen sind wir schon etwas vorangekommen.
      Im übrigen wird auch der Internet-„industrie“ immer bewußter, dass die Akzeptanz und Sicherheit ihres Geschätsmodells mit der Zurückdrängung der Geheimdienst-Hackerei zusammenhängt ( z.B. Telekom-Chef Höttges etc.)
      Wer ein sicheres und demokratisches Internet will, muss die kriminellen Staats-Organisationen , die das Internet ständig und immer mehr angreifen, verbieten. Anders geht es nicht.
      Es muss zuerst eine UN-Organsiation ( z.B. wie im Bereich Kern-Energie) geschaffen werden, die Geheimdienst-Aktivitäten zunächst evaluiert, darstellt und schrittweise reduziert . Letztlich bis auf Null.
      Denn Geheimdienste bekämpfen nicht Kriminalität und Terrorismus, sondern sie profitieren von jeden Coup, weil er ihnen noch mehr Mittel und Gesetze beschert.
      Daher gibt es die Grauzone zwischen Terrorismus, Kriminalität und Geheimdiensten.
      Die Bekämpfung von Terrorismus und Kriminalität muss die alleinige Aufgabe der öffentlich kontrollierbareren Polizeibehörden sein.
      Geheimdienste ( die bekanntlich immer menschenrechtsverletzende und zumindest im Ausland kriminelle Methoden verwenden) können zu kompromisslos legalen und offenen (echten) „Nachrichtendiensten“ zusammengeschmolzen werden, die aus den bekanntermaßen äußerst umfangreichen offenen Informationen ihre Analysen für ihre Regierungs-„Dienstherren“ anfertigen.
      Es sollte auch nicht vergessen werden, dass wesentliche Hauptaufgaben der derzeitigen destabilisierenden und friedensgefährdenden Geheimdienste auch Wirtschaftsspionage und die Ausforschung und Erpressung von Entscheidungsträgern in Politik ( Abgeordnete, Minister etc,) , Wirtschaft und Justiz gehören ( siehe die Geheimdienstkämpfe in den USA um die Beeinflussung und Inthronisierung der US-Regierung ).
      Auch die bevorstehenden politischen Auseinandersetzungen in Frankreich und Deutschland werden sicherlich von allerlei in- und ausländischen Geheimdiensten mehr beeinflusst, als von den Parteien.
      Also denken wir zusammen mal tief über diese kriminelle Problematik nach und unterstützt unsere Internetpetition zur allgemeinen internationalen Ächtung aller menscherechtsverletzender Geheimdienste.

      https://www.change.org/p/an-die-fraktionen-des-bundestags-f%C3%BCr-eine-weltweite-%C3%A4chtung-aller-geheimdienste

    2. Nein , dagegen kann man sich nur mit der Propagierung und Durchsetzung konsquenter Maßnahmen schützen: d.h. mit der Forderung nach internationaler Ächtung aller menschenrechtsverletzender, krimineller und terroristischer Geheimdienstaktivitäten ( also aller Geheimdienstaktivitäten). Dies mag manch einem genauso „illusorisch“ vorkommen, wie die internationale Ächtung von ABC-Waffen, bewaffneten Terror-Drohnen oder Landminen.
      Aber auch in diesen Fragen sind wir schon etwas vorangekommen.
      Im übrigen wird auch der Internet-„industrie“ immer bewußter, dass die Akzeptanz und Sicherheit ihres Geschäftsmodells mit der Zurückdrängung der Geheimdienst-Hackerei zusammenhängt ( z.B. Telekom-Chef Höttges etc.)
      Wer ein sicheres und demokratisches Internet will, muss die kriminellen Staats-Organisationen , die das Internet ständig und immer mehr angreifen, verbieten. Anders geht es nicht.
      Es muss zuerst eine UN-Organisation ( z.B. wie im Bereich Kern-Energie) geschaffen werden, die Geheimdienst-Aktivitäten zunächst evaluiert, darstellt und schrittweise reduziert . Letztlich bis auf Null.
      Denn Geheimdienste bekämpfen nicht Kriminalität und Terrorismus, sondern sie profitieren von jedem Coup, weil er ihnen noch mehr Mittel und ErmächtigungsGesetze beschert.
      Daher gibt es die Grauzone zwischen Terrorismus, Kriminalität und Geheimdiensten.
      Die Bekämpfung von Terrorismus und Kriminalität muss die alleinige Aufgabe der öffentlich kontrollierbareren Polizeibehörden sein.
      Geheimdienste ( die bekanntlich immer menschenrechtsverletzende und zumindest im Ausland kriminelle Methoden verwenden) können zu kompromisslos legalen und offenen (echten) „Nachrichtendiensten“ reguziert werden, die aus den bekanntermaßen äußerst umfangreichen offenen Informationen ihre Analysen für ihre Regierungs-„Dienstherren“ anfertigen.
      Es sollte auch nicht vergessen werden, dass wesentliche Hauptaufgaben der derzeitigen destabilisierenden und friedensgefährdenden Geheimdienste auch Wirtschaftsspionage und die Ausforschung und Erpressung von Entscheidungsträgern in Politik ( Abgeordnete, Minister etc,) , Wirtschaft und Justiz gehören ( siehe die Geheimdienstkämpfe in den USA um die Beeinflussung und Inthronisierung der US-Regierung ).
      Auch die bevorstehenden politischen Auseinandersetzungen in Frankreich und Deutschland werden sicherlich von allerlei in- und ausländischen Geheimdiensten mehr beeinflusst, als von den Parteien.
      Also denken wir zusammen mal tief über diese kriminelle Problematik nach und unterstützt unsere Internetpetition zur allgemeinen internationalen Ächtung aller menscherechtsverletzender Geheimdienste.

      https://www.change.org/p/an-die-fraktionen-des-bundestags-f%C3%BCr-eine-weltweite-%C3%A4chtung-aller-geheimdienste

  1. sorry, dass ich hier mal wieder so doof kommentiere:
    Ich höre und lese in der letzten Zeit immer öfter >>Rasterfahndung<<.
    Wurde die nicht verboten?!
    Oder nur bei Lebensgefahr erlaubt….

  2. „Jährliche Statistik: Der BND überwacht angeblich nur eine E-Mail pro Woche“
    Offizielle 6500 Mitarbeiter überwachen insgesamt 1 Email pro Woche,in Worten eine Email pro Woche,absolut glaubwürdig,bei der Info ,da kommen niemals Zweifel auf.
    Ablauf wie folgt:Jede Woche treffen sich 6500 Mitarbeiter in einer großen Halle,schalten einen Kassettenrecorder ein und analysieren,kopieren und überwachen eine Mail und fahren hiernach zum Gebäude mit der Plastikpalme.Ach soooo,jetzt weiß ich ,warum es sich am Freitag auf der Chausseestrasse in Berlin so staut.Rushhour durch Schlappis.

  3. „Mit dem neuen BND-Gesetz der Großen Koalition darf der BND ganz legal…“

    Damit sind alle zukünftigen öffentlichen Statistiken des BND bezüglich
    Internet-Überwachung automatisch –höchstwahrscheinlich–
    Lügengeschischten. Oder?

  4. „Mit dem neuen BND-Gesetz der Großen Koalition darf der BND ganz legal…“

    Damit sind alle zukünftigen öffentlichen Statistiken des BND bezüglich
    Internet-Überwachung automatisch –höchstwahrscheinlich–
    Lügengeschichten. Oder?

    1. @benutzer
      „Damit sind alle zukünftigen öffentlichen Statistiken des BND bezüglich
      Internet-Überwachung automatisch –höchstwahrscheinlich–
      Lügengeschichten. Oder?“
      Genau der gleiche Wahrheitsgrad wie es die vorherigen Statistiken auch waren.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.