Innenministerkonferenz will Alarmanlagen unsicherer machen

In der letzten Woche gab es eine große Aufregung über die Schaffung von Hintertüren in allen möglichen digitalen Geräten. Nun hat sich die Innenministerkonferenz mit dem geheimen Bericht des Innenministers beschäftigt – und einen widersprüchlichen Beschluss gefasst.

Moderne Alarmanlagen sind informationstechnische Systeme. (Symbolbild) CC-BY-NC-ND 2.0 ABUS Security Tech Germany

Die Innenministerkonferenz (IMK) hat sich mit dem Bericht „Handlungsbedarf zur gesetzlichen Verpflichtung Dritter für Maßnahmen der verdeckten Informationserhebung nach §§ 100c und 100f StPO“ befasst. Dieser Bericht aus dem Bundesinnenministerium (BMI) ist auf April 2017 datiert und unter der niedrigsten Geheimhaltungsstufe „Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft. Das Redaktionsnetzwerk Deutschland hatte den Bericht gesehen und ihn so interpretiert, dass damit Hintertüren in allen digitalen Geräten gefordert würden. Das Bundesinnenministerium dementierte dies, ließ aber zahlreiche Fragen offen.

Die Innenministerkonferenz, die am 7. und 8. Dezember von Protesten begleitet in Leipzig stattfand, hat den Bericht laut ihrem Protokoll zur Kenntnis genommen. Sie stellt fest, dass die fortschreitende Entwicklung der „Fahrzeug- und Schlosstechnik“ dazu führe, dass „rechtlich zulässige Maßnahmen nicht umgesetzt werden“ könnten. Die IMK will nun prüfen, wie Dritte – gemeint sind zum Beispiel Hersteller – beim verdeckten Öffnen und Überwinden von Diebstahlwarnanlagen zur Mitwirkung aufgrund bestehender oder noch zu schaffender Gesetze verpflichtet werden können. Laut der IMK gehe es dabei ausdrücklich nicht um den Einbau von „sogenannten Hintertüren“ in informationstechnische Systeme.

Das Justizministerium hat 2007 eine sehr weite Definition der informationstechnischen Systeme (PDF) formuliert:

Darunter wird ein System verstanden, welches aus Hard- und Software sowie aus Daten besteht, das der Erfassung, Speicherung, Verarbeitung, Übertragung und Anzeige von Informationen und Daten dient.

Aufgrund der zunehmenden Vernetzung von Fahrzeug- und Schließtechnik sowie der Datenübertragung ist eine Abgrenzung zu informationstechnischen Systemen kaum möglich. Der Beschluss der IMK ist damit widersprüchlich.

Da die modernen Fahrzeug- und Schlosstechniken mit Kryptografie arbeiten, könnte die Verpflichtung der Hersteller auch als Bereitstellung eines Generalschlüssels interpretiert werden. Alle Hintertüren, Herstellerzugänge oder Generalschlüssel bei Alarmanlagen von Autos und häuslicher Sicherheitstechnik schwächen diese Systeme. Extra geschaffene Schwachpunkte machen die Alarmanlagen insgesamt unsicherer, schaffen Angriffspunkte für Unbefugte und kriminelle Nutzung und verschlechtern damit die Sicherheit aller Bürger.

Auszug aus dem Protokoll der IMK 2017, TOP22:

1. Die IMK nimmt den Bericht „Handlungsbedarf zur gesetzlichen Verpflichtung Dritter -VS-NfD-“ (Stand: 03.04.17) zur Kenntnis.

2. Sie stellt fest, dass die fortschreitende Entwicklung im Bereich der Fahrzeug- und Schlosstechnik die verfügbaren technischen Möglichkeiten zur verdeckten Überwindung dieser Systeme einschränkt. Dadurch können rechtlich zulässige Maßnahmen nicht umgesetzt werden.

3. Die IMK sieht unter Berücksichtigung der im Bericht aufgezeigten Szenarien und aus Gründen der Rechts- und Handlungssicherheit einen weitergehenden Prüfbedarf im Hinblick auf technische und rechtliche Lösungsmöglichkeiten zur Umsetzung der Maßnahmen der verdeckten Informationserhebung nach den §§ 100c und 100f StPO. Insbesondere soll dabei geprüft werden, ob und inwieweit Dritte beim verdeckten Öffnen und Überwinden von Diebstahlwarnanlagen zur Mitwirkung de lege lata und de lege ferenda verpflichtet werden können, wobei es ausdrücklich nicht um den Einbau von sogenannten Hintertüren in informationstechnische Systeme geht. Die zu erarbeitenden Lösungen sollten technikoffen ausgestaltet sein.

4. Sie beauftragt den AK II, in Abstimmung mit der JuMiKo die geforderte Rechtsänderung zu prüfen und anschließend dem IMK-Vorsitzland sowie den A- und B-Sprecherländern zu berichten.

5. Die IMK bittet ihren Vorsitzenden, den Vorsitzenden der JuMiKo über diesen Beschluss zu unterrichten.

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8 Ergänzungen

  1. 2. Sie stellt fest, dass die fortschreitende Entwicklung im Bereich der Fahrzeug- und Schlosstechnik die verfügbaren technischen Möglichkeiten zur verdeckten Überwindung dieser Systeme einschränkt. Dadurch können rechtlich zulässige Maßnahmen nicht umgesetzt werden.

    Änderungsvorschlag:

    2. Wir stellen fest, dass die Innenministerkonferenz die fortschreitende Entwicklung im Bereich der alternativen Gesetzgebung intensiv nutzt, um alle verfügbaren Möglichkeiten auszuschöpfen, die zur verdeckten Überwindung des verfassungskonformen Rechtsstaates führen. Dadurch können freiheitliche Bürgerrechte ihre Wirkung nicht mehr entfalten.

    1. > Hier wird doch Kriminellen Tür und Tor geöffnet.

      Ein wirklich schöner Satz! Wobei die semantische Reichweite eines Begriffs von Kriminellen eine Raumaufweitung erfahren hat. Längst haben Kriminelle mit Sonderbegabung haben die Schlüsselpositionen von Innenministerien besetzt. Neuerliche aktualisierte Sprachanpassung meint bei „Kriminellen“ fortan immer auch jene mit, die sozusagen mit politisch krimineller Energie unter Ausnutzung des Rechtsstaats fundamentale bürgerliche Freiheitsrechte vernichten. Diese Aktualisierung des Sprachgebrauchs ist vor allem dadurch bedingt und gerechtfertigt, dass im Wirkbereich der Sicherheitsgesetze Grundrechte von Verfassungsrang systematisch ausgehebelt werden.

  2. Da inzwischen ein großer und größer werdender Teil aller Schließanlagen oder Zugangsüberwachungskontrollen nach dieser Definition Informationstechnische Anlagen sind …
    Da es um den verdeckten! Zugang zu verfassungsrechtlich geschützten Bereichen geht …
    Fordern sie nichts anderes als unentdeckt die Verfassung brechen zu können ohne dafür belangt und ohne entdeckt werden zu können?
    Ernsthaft?
    Danach folgt das Verbot der Herstellung und Verwendung sicherheitstechnischer Systeme, Anlagen, oder Methoden (angeklebte Haare an der Tür) die aufgrund ihrer Anlage dazu geeignet sein könnten einen verdeckten Zugang und die Verletzung der Grundrechte offensichtlich zu machen.
    Ernsthaft?
    Das Vorgehen wäre nicht neu und noch nicht einmal historisch.

    Seit wann gibt es ein Recht auf unentdeckbare Verletzung der Verfassung?
    Seit wann gibt es ein Recht auf unentdeckbares Eindringen in informationstechnische Systeme?
    Seit wann gibt es ein Recht auf unentdeckbare Überwachung, Durchsuchung, etc.?
    Denkt man diesen Dreck, der jeder Despotie zum Ruhm gereichen würde zu Ende, wird jeder Versuch verdecktes Eindringen öffentlich zu machen, darüber zu reden oder Maßnahmen dagegen zu entwickeln zu Straftat.
    Soll das ein Despotie-Super-Grundrecht werden?

  3. Wer wie der Innenminister in ner „Beamtenwohnung“ in der Friedrichstraße wohnt, braucht aber schon eine sichere Alarmanlage ;-)

    1. Weist du was Spaß macht?
      Einem Verwandten eines Ministers etwas in die Schuhe zu schieben, wogegen dieser sich nicht wehren kann, was ja nun immer einfacher zu werden scheint!
      Die geschaffenen Waffen gegen diese Snobs verwenden, aber diese Snobs werden dann wieder davon überzeugt, das eine Nutzung der gesetzlichen Möglichkeiten zu „Privatkriminellen“ Zwecken nur von Superhirnis aus dem Talibanländle gemeistert werden konnte!

  4. Wer nicht in einer Beamtenwohnung in Berlin wohnt, sondern regulär zur Miete, steht schnell ganz ohne Dach über dem Kopf da. Rausgeklagt auf Eigenbedarf, damit teuer neu saniert werden kann. Studentenappartments gibts für schlappe 600 bis 1000 Euro/Monat. Gegen die Mietpreisbremse wird derzeit geklagt, von Vermieterseite. Sie sei nicht verfassungsmäßig. Da würde ich persönlich innenpolitisch irgendwie dringlicheren Handlungsbedarf sehen als bei Alarmanlagen.

  5. Also eine Alarmanlage aus dem Ausland nehmen.
    Am Besten eine aus Südafrika, da lässt sich nichts mit Hintertür verkaufen.
    Beim KFZ nimmt man dazu noch ein Schloss ohne Funkfernbedienung und wechselt die Schließanlage im Ausland.
    Unabhängig davon ist ein Hund nicht schlecht.
    Der müsste vergiftet oder erschossen werden. So wäre ein verdecktes anbringen von Wanzen unmöglich.
    Gesetzliche Reglungen hin oder her, eigentlich helfen immer nur technische Lösungen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.