Innenministerium dementiert Plan für Hintertüren in digitalen Geräten

Sollen digitale Geräte Hintertüren bekommen? Die Pläne des Bundesinnenministers für die Innenministerkonferenz in dieser Woche bleiben weiterhin im Dunkeln. Daran ändert auch das Dementi seines Ministeriums nicht viel.

Amazons Assistenzwanze Alexa. Angeblich will der Innenminister keinen Zugriff auf sie haben. – Alle Rechte vorbehalten Piotr Cichosz

Am vergangenen Freitag hat es große Aufregung um die angeblich geplanten Hintertüren für Polizei und Geheimdienste in allen digitalen Geräten gegeben. Das Redaktionsnetzwerk Deutschland hatte einen Entwurf des Bundesinnenministeriums (BMI) in diese Richtung interpretiert, weil im – noch nicht öffentlichen – Text von Unionsinnenministern offenbar die Rede von einer „technikoffenen“ Formulierung des Gesetzes ist.

Das Bundesinnenministerium dementiert nun diese Darstellung. Allerdings können Teile des Dementis als überspezifisch gewertet werden. So heißt es in einem Tweet des Ministeriums „Nein, das #BMI plant NICHT, #Alexa & Co. als Überwachungsinstrumente zu missbrauchen.“ Ein vollständiger Widerruf hätte das Wort „einzusetzen“ genutzt und damit für mehr Klarheit gesorgt.

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Im getwitterten Video sagt der Sprecher des Ministeriums, es gehe „nicht um Totalüberwachung“. Auch nicht um den Zugriff auf Smart-TVs, Laptops und Computer. Es ginge darum, dass die Polizeien heute Überwachung nach richterlichem Beschluss nicht umsetzen könnten, weil sie an der technischen Weiterentwicklung von Alarm- und Sicherheitssystemen scheitern würden. Es gehe bei den geplanten Maßnahmen nicht um informationstechnische Systeme, sondern vor allem darum, in Wohnungen und Autos Überwachungsmaßnahmen zu ermöglichen. Hier möchte das BMI, dass in Zukunft „die Hersteller den Polizeien helfen bei der Ausübung der Befugnisse“. Bei „Schwerstkriminalität“, wie BMI-Sprecher Dimroth betont.

Nicht eindeutig: Was ist ein technisches Mittel?

Christian Rath, der rechtspolitische Korrespondent der taz, sieht die Abgrenzung angesichts der Paragraphen nicht so eindeutig wie das BMI:

De Maizière wolle der Polizei nicht den Zugriff auf Mikrofone von Laptops, Tablets und Smart-TVs erleichtern. Die Nutzung der Mikrofone in „informationstechnischen Systemen“ sei der Polizei zum Abhören von Wohnungen und Autos gar nicht erlaubt. Eindeutig ist das aber nicht. Die entsprechenden Paragraphen der Strafprozessordnung (100c und 100f) sprechen ganz neutral von „technischen Mitteln“.

Am Ende des Videos fasst der Sprecher des BMI im Video noch einmal zusammen:

Es geht nicht um Totalüberwachung, es geht nicht um die Ausweitung von Befugnissen, es geht nicht um den Zugriff auf Endgeräte wie Smartphones und Laptops und ähnliches. Es geht schlicht darum, die bestehenden Befugnisse bei der Wohnraumüberwachung und der Überwachung außerhalb von Räumen auch umsetzen zu können.

Was genau geplant ist, geht aus dem Statement nicht hervor. Doch selbst wenn es lediglich darum ginge, Hintertüren bei Alarmanlagen von Autos und häuslicher Sicherheitstechnik zu schaffen, wäre das eine Schwächung dieser Systeme. Denn solche extra geschaffenen Schwachpunkte dürften unter professionellen Autoknackern und anderen Kriminellen schnell die Runde machen. Missbrauch ist dann vorprogrammiert, was wiederum die Sicherheit aller Bürger verschlechtern würde.

Eine wirkliche Klärung über die geplante Maßnahme kann nur der Text bringen, der nach der Innenministerkonferenz am 7. und 8. Dezember veröffentlicht wird.

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9 Ergänzungen

  1. Also ich glaube nicht, dass diese Geschichte nur ein Messballon war, der die Reaktionen auf neue Maßnahmen sondieren sollte. So beharrlich, wie das BIM die staatliche Überwachung vorantreibt, gegen die eigene Bevölkerung, wohlgemerkt, wird es immer weiter gehen, bis die gegenwärtigen Scharfmacher ihr biologisches Verfallsdatum erreicht haben, und Nachfolger zur Besinnung gekommen sind. Bis dahin muss man wohl mit dem Ekel leben lernen, der durch solche menschenverachtende Politik hervorgerufen wird.

    1. Nachfolger zu Besinnung kommen? Da ist wohl eher das Gegenteil zu befürchten. Außerdem ist das kein deutsches Phänomen. Im Vergleich zu den meisten anderen Staaten der sogenannten freien Welt, ist Deutschland noch lange nicht Spitzenreiter. In Frankreich wurde der Ausnahmezustand per Gesetz quasi zum Normalzustand erklärt, England ist schon länger zu einem Überwachungsstaat erster Güte geworden und von den USA will ich erst gar nicht anfangen. Dies sind nur ein paar der prominentesten Beispiele.

  2. „weil sie an der technischen Weiterentwicklung von Alarm- und Sicherheitssystemen scheitern würden.“

    Und das werden sie auch in Zukunft. Das Problem ist nicht, dass der Staat bzw. Strafverfolgungsbehörden nicht Hintertüren in alle populären Produkte bekommt, sondern dass es mathematische „Probleme“ gibt, die moderne Computer nicht in endlicher Zeit lösen können (e.g. PFZ). Wenn ein Gefährder mit anderen Gefährdern in Kontakt steht, dann kann er diesen anderen Gefährdern sagen, dass sie sich doch bitte seinen (eigenen) verschlüsselten Messenger herunterladen mögen, den er vor 10 Minuten auf Github hochgeladen hat. Deshalb helfen Hintertüren in WhatsApp & co. rein gar nichts. Sauber implementierte Ende-zu-Ende-Verschlüsselung (OTR, OMEMO, PGP etc.) kann ohnehin nicht einfach so „aufgebrochen“ werden. Tatsächlich infiziert man einen der Endpunkte um so die Schlüssel abzugreifen, die für die Entschlüsselung der Information benötigt werden oder man fängt die Information vor oder nach dem Entschlüsseln ab (Stichworte: Bundestrojaner; ZITIS). Ich würde mir da deutlich mehr technische Aufklärung in den Schulen wünschen, die diese Argumente immer und immer wieder aufdröseln. Ansonsten war es das bald mit der Demokratie.

    1. Gefährder? Was ist das? Wo ist dieser Begriff rechtlich definiert? Wer bestimmt, das jemand als „Gefährder“ zu bezeichnen ist? Ein ordentliches Gericht? Gibt es auch Rechtsmittel dagegen? Nein? Dann ist es eine den Prinzipien eines Rechtsstaates widersprechende Vorverurteilung. Aber das hat ja neuerdings Konjunktur. Es reicht immer öfters die bloße Beschuldigung ohne jeglicher Beweise um die Existenz von Menschen zu zerstören.

    2. >Ansonsten war es das bald mit der Demokratie

      Auf eine verfasste Demokratie in der solches Streben nicht durch Grundvereinbarungen nichtig gemacht wird, kann man verzichten, oder?

      Ich glaube nicht, dass der Begriff Demokratie in dieser Form noch auf den vorhandenen Zustand anzuwenden ist. Für den Fall das doch, trägt der Begriff dann, eher unerwartet die Option in sich, sich jederzeit, aus dem eigenen Selbstverständnis schlüssig als reguläre Option abgeleitet, in eine demokratische Willkür-Tyrannei verwandeln zu können?

      Falls ja. Was könnte dazu verleiten Demokratie in dem heutigen Verständnis als sinnhaltige und anzustrebende Verfasstheit anzusehen?
      Der Begriff ist inhaltlich Aushandlungssache. Wenn er aber auch erlaubt in sein Gegenteil verkehrt zu werden, dann ist er nicht brauchbar.

  3. „… #Alexa & Co. als Überwachungsinstrumente zu missbrauchen“

    !?!?!?!?!
    Das ist zum Schreien! #Alexa ist eine offen beworbene Wanze, die man sich freiwillig aufstellen soll, damit man in der eigenen Wohnung kein privates Wort mehr sprechen kann, ohne dass die USA zuhören. Gäste spioniert man damit mit aus (deshalb sollte man bei Verdacht auch immer laut sagen oder besser per TTS abspielen: „#Alexa, ruf die Feuerwehr!“ – der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt), Wer so dumm ist, hat’s wirklich nicht anders verdient.

    Was die durchgeknallten Extremisten aus dem Innenministerium vorschlagen ist, normale Alltagsdinge in Überwachungs-Instrumente und in ferngesteuerte Waffen zu verwandeln, die sich gegen ihre Benutzer wenden und diese hinterrücks einem immer irrer werdenden Kontrollfreaks-Staat komplett ausliefern. Die Insassen der neuen Smart-Gaga-Welt, in der alles verwanzt und vernetzt ist, werden zu Marionetten einer von jeglicher Verantwortung oder Maßlosigkeit Exekutivgewalt degradiert. Der Punkt ist nun, dass es sich eigentlich von Vornherein verbietet, die Technologie überhaupt so auszugestalten.

    Kram, den man nicht selber unter Kontrolle hat (voll FLOSS, lokal betreibbar und wartbar) gehört aus genau diesem Grund verboten!

    Der totale staatliche Zugriff hat nichts mit „unserer Sicherheit“ zu tun – langsam müsste der letzte kapieren, dass das genaue Gegenteil der Fall ist.

    Schluss mit der Verwanzung und Vernetzung des Alltags – nur dann trocknet der Sumpf, in dem solche kranken Allmachtsphantasien sich proliferieren.

  4. Ups, Satz kaputt. Soll heißen: „einer von jeglicher Verantwortung befreiten, im Taumel der wegbrechenden Einschränkungen das Maß verlierenden, Exekutivgewalt“ –

    „wo ist das Maß verloren, wir haben doch einen Rechtsstaat und gerichtliche Kontrolle?“

    Pruuuuust.

    Geheimdienst-Ermächtigungsgesetze, die reihenweise beschlossen werden, nachdem Beweise für deren exorbitant illegales Handeln geleakt wurden. Fehlende Kennzeichnungspflicht für (vermummte Prügel-)Polizisten bei gleichzeitiger Errichtung eines Gesichtsüberwachungsstaats. Und so weiter, und so weiter. Man kann die ganze Maßlosigkeit auch mit ungerechtfertigten Gesetzen untermauern (Biometrie + Video-Förderungsgesetz). Oder gleich ganz auf den Anschein verzichten, wie beim Staatstrojaner – legal, illegal, scheißegal.

    Mein Fazit:
    1) Wer sich smarte Spione wie #Alexa in die Stube (oder ins Schlafzimmer?) einlädt, ist zwar selber schuld,
    2) wenn wir aber alle gezwungen werden, in einer durchwanzten, auf Teufel komm raus vernetzten Welt zu leben, in der nur noch verräterische Dinge existieren, dann ist das definitiv nicht lustig.

    Diese verräterischen (vulgo: „smarten“) Dinge sind Dinge, die eine Sache zu sein scheinen (ein Auto, ein Telefon) aber eine andere sind (ein Macht- und Kontrollinstrument mit einer sekundären Zusatzfunktion – Lokomotion nach Gutdünken der Herrschenden, Kommunikation nach Gutdünken der Herrschenden – ohne Netzneutralität, versteht sich). Gehören und gehorchen tun sie anderen Herren.

    Perfiderweise ist genau das für nicht technisch Bewanderte schwer zu verstehen, und auch studierte Leute ertappe ich reihenweise dabei, diesen gravierenden Konzeptionsfehler dieser ganzen Techno-Sphäre mental auszublenden.

    Ich wünsche mir ein Gesetz. Eines, das einen Warnhinweis in jeder entsprechenden Werbung vorsieht. Der Warnhinweis müsste genauso deutlich auf die mannigfaltigen Schädigungen durch Datenmissbrauch und mangelnde Freiheit (im Sinne freier Software) hinweisen wie bei Tabakprodukten auf die mannigfaltigen Gesundheitsrisiken.

    Eine Politik, die aber unser Leben zu Datenrohstoff erklärt und uns mit Absicht unsicher macht, macht alles mit Absicht schlimmer, sie gießt Öl ins Feuer der brennenden Zivilisation.

    Das ist die Herausforderung, und wir müssen uns ihr stellen. Durch bewusste, bedachte Konsum- und Wahlentscheidungen, bei denen die wirklich wichtigen Aspekte im Vordergrund stehen und nicht die Säue, die durchs Dorf getrieben werden. Durch Widerstand in allen Lebenslagen in diesem Krieg gegen Privatsphäre und Selbstbestimmung.

  5. Der Herr Minister möchte keine Hintertüren, aber Zugang, wenn die Staatsanwaltschaft es so möchte!

    Ich weiß nicht, wenn ich das meinem Therapeuten so sagen würde, würde dieser mir gleich die Fehler aufzeigen und mir diese Unsinnigkeit als nicht Normal darstellen.

    Bei Politikern sieht das anders aus, wenn diese Herrschaften solche Unsinnigkeiten von sich lassen, Jubelt die Masse bzw. es interessiert sie nicht, dann gießen sie es in Gesetze und der Wahnsinn regiert und das vollkommen Legal!

    Ich liebe Deutsche Land!

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.