Geheimdienst-UntersuchungsausschussWir veröffentlichen das Fazit, das die Große Koalition geheim halten will

Geht es nach der Großen Koalition, diskutiert der Bundestag nächste Woche den Abschluss des Geheimdienst-Untersuchungsausschusses ohne den Bericht der Opposition. Der Ausschuss verhandelt einen Antrag, die 457 Seiten als geheim einzustufen. Wir veröffentlichen das Sondervotum in voller Länge.

Die Obleute der Opposition Notz und Renner bei der Vorstellung ihres geschwärzten Sondervotums.

Drei Jahre Geheimdienst-Untersuchungsausschuss sind zu Ende. Nächsten Mittwoch wird der Abschlussbericht an Bundestags-Präsident Lammert übergeben, am Donnerstag soll er im Plenum des Parlaments besprochen werden. Wenn es nach der Großen Koalition geht ohne den Teil der Opposition.

Der Bericht besteht aus drei Teilen: Verfahrensteil (200 Seiten), Feststellungsteil (rund 2.000 Seiten) und Bewertung. Der letzte Teil wiederum setzt sich aus den Bewertungen von Regierungsparteien (160 Seiten) und Opposition (457 Seiten) zusammen. Wenig überraschend findet die Große Koalition alles in Ordnung („Es findet weder eine ‚anlasslose‘ noch eine ‚flächendeckende‘ ‚Massenüberwachung‘ statt“) und die Opposition vieles illegal („Anlasslose und unzulässige Massenüberwachung festgestellt“).

Am Montag hat die Opposition ihren Bewertungsteil in einer Pressekonferenz vorgestellt, bundestag.de titelt: Opposition attackiert BND als „willfährig“.

„In der Geheimschutzstelle versenkt“

Eigentlich sollte das Gesamtdokument jetzt an das Ausschuss-Sekretariat gehen, das dann alles vereinheitlicht und eine offizielle Drucksache erstellt. Doch auf den letzten Metern startet die Große Koalition einen weiteren Angriff auf Opposition und Öffentlichkeit. Der Ausschuss-Vorsitzende Patrick Sensburg hat vorgeschlagen, den Bericht der Opposition zunächst als geheim einzustufen. Der vermeintliche Grund: Es könnten ja geheime Dinge wie die Worte „Glotaic“, „Monkeyshoulder“ oder Zitate aus dem von uns veröffentlichten Bericht der Bundesdatenschutzbeauftragten drin sein.

Käme die Große Koalition damit durch, wäre die Bewertung der Opposition bis zur endgültigen Schwärzung und Freigabe nicht öffentlich – und damit nicht Teil des offiziellen Abschlussdokuments und nicht verfügbar für die Bundestags-Debatte nächste Woche.

Wir haben das Dokument jetzt in einer von der Opposition geschwärzten Fassung erhalten und veröffentlichen es in Volltext (PDF).

Auch wir haben schon eine Bewertung geschrieben: Die Aufklärung bleibt Wunschdenken, die Überwachung geht weiter.

„Arroganz der Macht“

Update: Die Große Koalition hat den Antrag soeben in einer Beratungssitzung beschlossen:

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Linksfraktion: „Krone der Bigotterie“

Update: Martina Renner, Obfrau der Linksfraktion, kommentiert gegenüber netzpolitik.org:

Das gab es noch nie. Der Vorsitzende zitiert in seinem Buch aus eingestuften Akten und hatte offensichtlich seinem Ghostwriter dafür auch Akten gegeben. Und gleichzeitig lässt er das Sondervotum der Opposition geheim einstufen, obwohl in unserem Votum keine geheimen Inhalte stehen. Mit der letzten Sitzung des Ausschusses setzt er damit der Bigotterie der Koalition die Krone auf.

„Hier wird keiner schlechter behandelt“

Update: Welt.de hat mehr Details: Eklat im Untersuchungsausschuss zur NSA-Affäre

Am Mittwoch allerdings stellte der Ausschussvorsitzende Sensburg in interner Runde infrage, dass das Sondervotum problemlos berücksichtigt werden könne. Die finale Fassung sei erst am Dienstag im Ausschusssekretariat eingetroffen, kritisierte der CDU-Politiker. Die Mitarbeiter müssten jetzt erst einmal mit der Verwaltung klären, ob das zitierte, als vertraulich eingestufte Material überhaupt veröffentlicht werden dürfe. Vielleicht müsse das Sondervotum deshalb zunächst in der Geheimschutzstelle des Bundestages – und damit fernab der Öffentlichkeit – zwischengelagert werden.

Das wiederum empört die Opposition. „Das Ganze ist ein einmaliger Vorgang und offenbart erneut ein merkwürdiges parlamentarisches Verständnis der großen Koalition“, sagt von Notz. Linke und Grüne verweigern die Unterschriften, die für den Abschlussbericht jedoch notwendig sind. Die Folge: Das Ausschusssekretariat versucht jetzt noch schnell, das Sondervotum zu überprüfen. „Hier wird keiner schlechter behandelt“, sagt der Vorsitzende Sensburg. Gelingt die Überprüfung aber nicht schnell genug, könnten die Überwachungspraxis und der fragwürdige Umgang der Regierung nicht schon kommende Woche, sondern erst im September, also kurz vor der Wahl, im Bundestag besprochen werden.

SPD: „Unwürdig und an Peinlichkeit nicht zu überbieten“

Update: Christian Flisek, Obmann der SPD-Fraktion, kommentiert in einem Pressestatement:

Der uns erst am Tag der eigentlich letzten Ausschusssitzung von Linken und Grünen auf den Tisch geknallte 450-seitige Text musste durch den Ausschuss vorläufig GEHEIM eingestuft werden. Er enthielt nach Prüfung durch das Sekretariat der Bundestagsverwaltung offenkundig geheimhaltungsbedürftige Tatsachen. Zudem war Betroffenen kein rechtliches Gehör gewährt worden.

Hier die Zusammenfassung des Sondervotums, Seiten 8 bis 14 aus dem PDF. (Wir waren mal so frei, die Schwärzungen der Operationsnamen rückgängig zu machen):


Zusammenfassung

1. Blockadehaltung der Bundesregierung mit Unterstützung der Mehrheit

Aus Perspektive der Oppositionsfraktionen war der 1. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode wichtig und ausgesprochen erfolgreich. Trotz der kritikwürdigen Blockadehaltung der Bundesregierung und ihres aktiven Hintertreibens der parlamentarischen Aufklärung, ist es uns gelungen, die durch Edward Snowden bekannt gewordenen, rechtsstaatlich problematisch bis offen rechtswidrigen Geheimdienstpraktiken weiter aufzuklären und eine ganze Reihe von zusätzlichen Problemfeldern, Informationen und skandalösen Verfehlungen an die Öffentlichkeit zu bringen.

Wesentlich erschwert und faktisch behindert wurde die Aufklärung durch eine Bundesregierung, die keinerlei Interesse zeigte, klar untersuchungsgegenständliche, offenkundig rechtlich problematische Praktiken und Kooperationen deutscher Geheimdienste zu offenbaren, geschweige denn sie aufzuarbeiten und zu korrigieren. Viele Geheim-Einstufungen von Akten und Vorgängen lassen sich nur durch den Grad der politischen Peinlichkeit erklären, die ein Bekanntwerden des eingestuften Vorgangs der Bundesregierung verursacht hätte.

Das Grundgesetz selbst enthält mit Art. 44 das Recht des Parlaments, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen und legt das Grundprinzip der Öffentlichkeit der Untersuchung fest. Die Bundesregierung jedoch hat von Anfang an und umfangreichst Akten geschwärzt bzw. aus den Übersendungen pauschal heraus genommen, den Ausschuss gleichzeitig in schlecht aufbereiteten Aktenmassen schier ertränkt, Einstufungen von Akten und Sitzungen vorgegeben, denen die Ausschussmehrheit von CDU/CSU und SPD dann oftmals als „Schutztruppe der Regierung“ (Brocker, DÖV 2014) gehorsam gefolgt ist, und beständig neue Verfahren erfunden, mit denen die Akteneinsicht auf verschiedene Orte außerhalb des Bundestages verlegt wurde. Es hat eine Unzahl „streng geheim“ eingestufter Ausschusssitzungen gegeben, obwohl oftmals nicht zu erkennen war, wie durch das öffentlich werden des Inhaltes der Sitzung das Fortbestehen der Bundesrepublik jemals in Gefahr hätte geraten können. Den Ausschussmitgliedern wurde mehrfach pauschal unterstellt, Geheimnisse zu verraten. Es wurde ihnen mit strafrechtlichen Ermittlungen gedroht. Dabei beschworen Vertreter_innen der Exekutive öffentlich die Gefahr von aus der parlamentarischen Untersuchungsausschussarbeit resultierenden Terroranschlägen, die die Folge davon wären, dass sich die Partner der deutschen Geheimdienste aus den Kooperationen zurückzögen, weil das Parlament seinem Auftrag nachkam, jahrelanges rechtswidriges Verhalten eben dieser Dienste zu untersuchen.

2. Keine Zeugenaussage von Edward Snowden

Durch die couragierten Enthüllungen von Edward Snowden hat die Welt erfahren, dass die Geheimdienste der Five Eyes die Digitalisierung dazu nutzen, ein invasives System der totalen Überwachung voranzutreiben. Snowden wurde als erster Zeuge des Untersuchungsausschusses benannt; seine Aussage wäre für den Ausschuss von größter Bedeutung gewesen. Dass es uns nicht gelungen ist, diese Aussage zu ermöglichen, liegt an den konzertierten Bemühungen der Bundesregierung und der Ausschussmehrheit der Großen Koalition und wurde von Gerichtsentscheidungen gestützt, die wir bedauern.

Das enthebt uns nicht der Verantwortung, uns weiter dafür einzusetzen, Edward Snowden ein Leben frei von politischem Druck zu ermöglichen und darauf zu hoffen, dass er dem Bundestag in der Zukunft Einblick in seine Erkenntnisse über die Massenüberwachung in Deutschland doch noch geben kann.

3. Massenüberwachung in Deutschland und international

Anlasslose und unzulässige Massenüberwachung hat die Beweisaufnahme nicht nur im Rahmen der Operation EIKONAL festgestellt, sondern auch darüber hinaus mittels NSA- und BND-Selektoren. Auch deutsche Staatsbürger_innen und Unternehmen waren davon über Jahre betroffen. Direkte Massenüberwachung durch die NSA in Deutschland und darüber hinaus im Ausland von Deutschland aus konnte nicht näher aufgeklärt werden, weil Akten und Zeugen aus Großbritannien und den USA nicht zur Verfügung standen.

Der Begriff „Anlasslose Massenüberwachung“ wurde als Folge der Snowden-Enthüllungen geprägt. Er bringt die besondere Qualität der seit 2013 bekanntgewordenen Überwachungsinfrastruktur zum Ausdruck. Viele Einzelheiten der in den Dokumenten veröffentlichten Systeme und Aktivitäten der Five Eyes konnten im Ausschuss nicht untersucht werden, weil die Bundesregierung dem Ausschuss fast alle Akten mit Bezug zu den Geheimdiensten der USA, Großbritanniens, Kanadas, Australiens und Neuseelands pauschal vorenthielt. Es gab aber auch keinerlei Anlass und keine Zeugenaussage, die Grund böten, am Wahrheitsgehalt der Snowden-Dokumente zu zweifeln. Dass insbesondere der BND Teil dieser weltweiten Überwachungsstruktur ist, wurde im Ausschuss eindrucksvoll belegt.

4. Die Kooperation des BND mit der NSA in Bad Aibling

Das Memorandum of Agreement, eine Vereinbarung von 2002 zwischen BND und NSA über gemeinsame Telekommunikationsüberwachung in Deutschland sollte der NSA auch Zugriff auf Daten am Frankfurter Netzknoten verschaffen, war jedoch mangels nötiger Zustimmung des Bundestages formell unwirksam.

5. Datenabgriffe in Frankfurt ohne G 10-Anordnung

Zwischen 2005 und 2008 fanden in Frankfurt/Main im Rahmen der gemeinsamen Operation EIKONAL des BND mit der NSA Datenabgriffe durch den BND ohne Rechtsgrundlage statt. Entgegen massiver Bedenken der eigenen Mitarbeiter_innen wurde die Operation █████ ███ ████████ ███████ █████████, ohne dass es dafür G 10-Anordnungen gab. Dabei wurden Daten in Deutschland an den BND ausgeleitet und das Fernmeldegeheimnis über Jahre unbefugt gebrochen. ███ ███████ ███ der BND haben so bewusst die existierenden parlamentarischen Kontrollregime über Jahre getäuscht und unterlaufen sowie einen andauernden Rechtsbruch billigend in Kauf genommen.

6. Der Mythos der funktionierenden Filter

Die praktische Umsetzung der Operation EIKONAL steht beispielhaft für den Ansatz der NSA, Überwachungsmaßnahmen gemeinsam mit den jeweiligen Geheimdiensten vor Ort durchzuführen. Dabei war das Ziel durch das Tauschgeschäft „Daten gegen Technik“ die Überwachungsmaßnahmen technisch entscheidend mitzugestalten: Die NSA liefert Hard- und Software, BND und BfV Daten und Informationen.

Die für die Kabelerfassung erforderliche Technik hätte hier vom BND schon deswegen nicht eingesetzt dürfen, weil sie ohne vollständige Prüfung durch das BSI „zertifiziert“ wurde. Die eingesetzten Datenfilter waren nie in der Lage, die G 10-geschützte Kommunikation vor der Weiterleitung an die NSA zuverlässig auszufiltern.

7. Problematische Selektoren der NSA in den Daten des BND

Teil der Kooperation zwischen BND und NSA war und ist, dass der BND die von ihm erfassten Daten mithilfe von Suchbegriffen der NSA filtert. Die Ergebnisse werden dann an die NSA weitergeleitet. Auf dem Papier hätten alle Kommunikationsdaten, die Deutsche betreffen, ausgefiltert werden sollen. Obwohl die Akten zu diesen Selektoren dem Ausschuss sofort hätten übergeben werden müssen, weil dies zentrale Fragen des Untersuchungsauftrags berührt, bedurfte es eines eigenen Beweisantrags der Opposition. Sehr viele Selektoren betrafen weder Terrorismus noch illegalen Waffenhandel, sondern berührten deutsche und europäische Interessen. Letztlich konnte dieser Komplex aber nicht aufgeklärt werden, weil die Bundesregierung dem Ausschuss die Einsicht in die NSA-Selektoren verweigerte. Über das frei erfundene Konstrukt der „Vertrauensperson der Bundesregierung“, die gemeinsam mit dem BND die NSASelektoren untersuchte, wurde eine Aufklärung vorgegaukelt, die real nie stattfand.

8. Datenübermittlung des BND an die NSA aus Bad Aibling

Im Rahmen der Kooperation in Bad Aibling übermittelte der BND monatlich rund 1,3 Mrd. Daten an die NSA. Der BND unterschied dabei unzulässig zwischen Inhalts- und Metadaten, obwohl auch Metadaten geeignet sind, intimstes Wissen über Betroffene preiszugeben. Metadaten wurden massenhaft erfasst und verarbeitet, die Rohdatenströme ganzer Kommunikationsstrecken automatisiert an die NSA weitergeleitet. Diese automatisierte und unterschiedslose Weiterleitung aller erfassten Metadaten ist unverhältnismäßig und offenkundig rechtswidrig.

9. Die Operationen GLOTAIC und MONKEYSHOULDER

Neben der Operation EIKONAL hat sich der Untersuchungsausschuss mit GLOTAIC einer weiteren Operation des BND gemeinsam mit einem US-amerikanischen Geheimdienst sowie der Operation MONKEYSHOULDER, einem Projekt zur Kabelüberwachung mit einem britischen Geheimdienst befasst. Die Untersuchung beider Operationen war nur sehr eingeschränkt möglich. Die Ergebnisse zeigen aber, dass der BND auch hier vorsätzlich an den Kontrollgremien vorbeigearbeitet hat. Während das deutsch-britische Projekt unmittelbar nach den Snowden-Veröffentlichungen gestoppt wurde, wurde die Operation GLOTAIC unter Vorspiegelung falscher Tatsachen durchgeführt. Dabei wurden rechtswidrig Kommunikationsdaten erfasst und verarbeitet.

10. Die Selektoren des BND

Nicht nur die NSA sucht nach Informationen in den erfassten Daten, der BND setzt auch eigene Selektoren ein. Durch die Erweiterung des Untersuchungsauftrags wurde deutlich, dass auch diese Selektoren nicht nur die Bereiche des Auftragsprofils des BND betrafen, sondern etwa befreundete Regierungen, europäische Institutionen, internationale Organisationen, Journalist_innen und die Zivilgesellschaft. Eine öffentliche Untersuchung des Themas wurde von der Bundesregierung verhindert. Die Bundeskanzlerin war nach eigenem Bekunden selbst ahnungslos bzgl. des Agierens des eigenen Geheimdienstes, als sie sich empört zur Überwachung ihres eigenen Handys äußerte und erklärte „Abhören unter Freunden – das geht gar nicht“.

11. No-Spy-Abkommen, die Wahlkampflüge des Herrn Pofalla

Mit der Behauptung, die US-Seite habe angeboten, „uns nicht auszuspionieren“, zog die damalige Bundesregierung fünf Wochen vor der Bundestagswahl 2013 die Notbremse, um das äußerst ärgerliche und lästige Thema des Sommers einer unzulässigen und rechtswidrigen, anlasslosen und massenhaften Ausspähung von Millionen durch NSA und BND zu beerdigen. Diese Erklärung war falsch. Es gab lediglich Vorschläge für eine Arbeitsgruppe zu Gesprächen über nachrichtendienstliche Probleme, aber kein „Angebot“ für ein „No-Spy-Abkommen“. Ganz im Gegenteil legte das Weiße Haus wert auf die Feststellung, dass von US-Seite von Anfang an und fortwährend klar gemacht wurde, ein solches Abkommen werde nicht geben. Aber da war die Wahl gelaufen und der Zweck der Erklärung Pofallas erreicht.

12. Der blinde Fleck der Wirtschaftsspionage

Die Spionageabwehr ist Aufgabe des BfV. Trotz zahlreicher Hinweise auf (Wirtschafts-)Spionage durch Geheimdienste sogenannter befreundeter Staaten, verharrt das BfV in den Denkmustern des Kalten Krieges. Gezielte Spionageabwehr findet – wenn überhaupt im Digitalen – gegenüber Staaten wie Russland und China statt, bei befreundeten Staaten, wie denen der Five-Eyes wird offenkundig weggesehen trotz proklamiertem „360°-Blick“. Dabei krankt die Spionageabwehr auch an der Tatsache, dass mit dem BND ein Geheimdienst des Bundes einen willfährigen Dienstleister der NSA gibt, anstatt das BfV auf Erkenntnisse hinzuweisen.

13. Die Hauptstelle für Befragungswesen: Freiwillige Informationen für den Drohnenkrieg?

Unter der Legende „Hauptstelle für Befragungswesen“ betrieb der BND bis Sommer 2014 eine Tarnbehörde, die in Kooperation mit US-amerikanischen und britischen Nachrichtendiensten vor allem Asylbewerber_innen ausfragte. Dass sie – teils allein – von US-Geheimdienstmitarbeiter_innen befragt wurden, wussten diese nicht. Es gab weder eine Rechtsgrundlage für die Befragungen selbst, noch für die Übermittlung der Daten an die USA. Fragwürdig ist auch die enge Zusammenarbeit der HBW mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, das dem BND erst die nötigen Hinweise auf möglicherweise interessante Personen gab. Die HBW wurde im Sommer 2014 formal aufgelöst. Befragungen von Asylbewerber_innen durch deutsche Nachrichtendienste finden gleichwohl bis heute statt.

14. Der Geheime Krieg und die Rolle der US-Basis in Ramstein: Die Bundesregierung trägt Verantwortung für die Drohnentoten

Die Rolle Deutschlands im US-Drohnenkrieg ist klar: Die US-Luftwaffenbasis Ramstein ist der zentrale Drehpunkt des US-Drohnenprogrammes in Europa. Hier laufen nicht nur die Daten zwingend zusammen, die nötig sind, damit die Drohnen fliegen können. Das hat die Beweisaufnahme und insbesondere die Aussage des Zeugen Brandon Bryant, einem ehemaligen US-Drohnenpiloten, deutlich gemacht. Ebenfalls steht fest, dass die Bundesregierung seit vielen Jahren die Augen vor der Bedeutung Ramsteins für das US-Drohnenprogramm verschließt. Schon 2011 hatte sie Kenntnis davon, dass Entscheidungen für gezielte Tötungen in Ländern wie dem Jemen, Somalia oder Pakistan und damit der Tod hunderter ziviler Opfer auch auf deutschem Boden mitverantwortet werden. Relevantes dagegen getan hat sie nicht. Die Bundesregierung steht rechtlich in der Verantwortung und hat ihre Pflichten zur Herstellung von grund- und völkerrechtsmäßigem Verhaltens der US-Streitkräfte auf deutschem Boden bislang nur unzulänglich wahrgenommen. Stattdessen hat sie jahrelang den deutschen Bundestag bei der Beantwortung direkter parlamentarischer Fragen zu diesem Thema über die Sach- und eigene Erkenntnislage getäuscht.

34 Ergänzungen

  1. Könnt ihr eure ungeschwärzte Fassung bitte auch als PDF bereitstellen?
    Wäre sehr nett =-)

    1. Wir haben (leider) keine ungeschwärzte Fassung. Die Operationsnamen „Glotaic“ und „Monkeyshoulder“ (sowie weitere Dinge) kann jede/r entziffern, der mal im Ausschuss saß – oder unsere Live-Blogs gelesen hat.

      1. Ich würde mich freuen wenn der Bericht auch in einen anderen Datenformat als PDF erschiene, z.B. als TXT oder ODT.

        Der Grund ist, das man dann vielleicht leichter Analysen und Vergleiche anstellen kann. Z.B. ein Vergleich zwischen dem Sondervotum und dem gemeinsamen Abschlussbericht. Zur Forschung eben.

        1. Wir gucken mal, ob wir das ohne großen Aufwand tun können. Für den Anfang gibt es Tools, PDF automatisch in TXT oder HTML zu konvertieren. Die brauchen aber noch etwas Nacharbeit.

          Aber automatisierte Analysen zwischen den Texten werden nicht so sinnvoll sein, das sind alles getrennte Texte. Das braucht eher eine qualitative Inhaltsanalyse.

  2. Einzig interessant wäre der Feststellungsteil. Bewertungen von politischen Parteien sind doch nur Bewertungen, egal ob Regierungspartei oder Opposition, insbesondere wären Wahlkämpfen.

  3. Manchmal habe ich das Gefühl, dass heutige Parteien wie Lotusblüten sind – alles perlt ab, egal was sie auch sagen, ob es sich hinterher dreimal als falsch herausstellt oder nicht. Irgendwie interessiert es keinen. Man denke nur an die 1960er/70er, was da los wäre, wenn das alles, ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll, seelenruhig publiziert werden würde und es niemanden interessiert, bis auf ein paar ver(w)irrte Blogger.

  4. Es gibt netzpolitik.org und heise-news,
    und es gibt diese beiden Teams um Martina Renner und Konstantin von Notz.
    => Das ist die hoffnungsvolle Seite hier.
    Danke schön !

    Ich habe lange versucht, die Klagen beim Bundesverfassungsgericht auch als Hoffnungsschimmer mit zu zählen, aber was Karlsruhe dem Grundgesetz angetan hat, ist inzwischen zu grausam.
    ( Third-Party-Rule > GG Art. 10 // Edward Snowden ohne Zeugenschutz // Vorratsdatenspeicherung ignoriert auch in diesem Jahr // Oppositionsrechte geschwächt // … ).

    1. Ich muss meine Hoffnungen wohl eher in das Oberverwaltungsgericht Münster setzen (Vorratsdaten NRW gestoppt ) …
      : )

  5. Warum eigentlich gibt es denn in der „normalen“ Presse keinen Aufschrei? Themen, die netzpolitik.org anspricht, warden dort nur knapp und am Rande abgehandelt.
    Liegt das daran, dass die meisten Verlage einer Handvoll Familien gehört oder sind sie so in dem Politikbetrieb eingebunden, dass eine Berichterstattung der wirklich wichtigen Vorgänge nicht mehr möglich ist?
    Dass es zu komplexe Themen sind, glaube ich nicht. Auch die kann man in entsprechend BILDgewaltige Aussagen umformulieren. (Bsp: Rammstein: USA und BRD sprengen Hochzeitsgesellschaft in Pakistan in die Luft. XXX Tote)

    1. Ich will die Frage ja auch beantwortet haben
      ( wann beginnt der Rest der deutschen Journalisten, das Thema so aufzubereiten, dass ALLE Wähler im September wissen, was sie tun, wenn sie die große Koalition wählen ), aber:
      das müssen wir doch überall posten, nur nicht hier, oder ?
      ( Bei ARD, ZDF, Handelsblatt, FAZ, Cicero, FOCUS, … )

      1. Schauen Sie doch mal nach, wer in den Ausschüssen, Gremien und Vorständen sitzt. Dann werden Sie schnell merken, dass die Bezeichnung Lücken- und Lügenpresse es eigentlich immer noch nicht auf den Punkt bringen…

      2. Ach Bitte, seien wir doch ehrlich, die Hälfte aller zur Wahl Berechtigten geht erst gar nicht zur Wahl und die Hälfte die Wählt ist zu dämlich um zu begreifen was sie tut!

        1. Diese Wählerhälfte sind die ARD/ZDF-(Fußball & Schlagermusik)-Zuschauer. Die Parteien wissen schon, wieso sie die so pflegen.

    2. Wow.
      Brauchen sie das wirklich nochmal erklärt oder war das nur so eine Art Geladener Reizfrage um eine Runde Rudelempören anzustiften?

      Der Journalismus als Aufklärungswerkzeug ist Tot. Schon seit langem. Auflage erzielt man mit Themen die dem Bürger wichtig sind. Fußball, Skandale die den gefühlten Lebensraum bedrohen (wehe dem XYZ-im Essen…) und Aufregen über andere Länder. Ach, und das liebe Geld.

      Ich höre jedesmal den Spruch: „Mir egal! Ich hab nix zu verbergen!“

      Damit ist dann auch erklärt warum die Bunderegierung und ihre Handlanger nicht längst wegen Volksverrat im Knast hocken. Dem Volk ist das Latte. Es ist wiedermal 1933 in Deutschland und keinen stört es.

      Ich kann mir nur selbst gratulieren kein Kind in die Welt gesetzt zu haben.

      Nur zu Deutschland (und Welt…), weiter so. Das Trainwreck guck ich mir in Ruhe an.

      Ich hoffe ich lebe lang genug um das Gesicht des Amtierenden US Präsers zu sehen wenn ihm die Küste unter Arsch weggespült wird.

      „Das kam völlig unerwartet!“

      Die Sache mit der Zivilisation hatte sich bei uns bereits erledigt als wir Schröder und Kohorten erlaubten, Menschen als Nutztiere zu deklarieren.

  6. Also wird nächste Woche des Bundestag ganz offiziell feststellen, dass es keine Fehler seitens der Geheimdienste gab/gibt, denn alle illegalen Handlungen können rechtsverträglich erklärt werden (z.B. Weltraumtheorie) oder sind inzwischen legal und die Opposition hat nichts dagegen. Thema abgeschlossen. Die drei Jahre hätte man sich sparen können.

  7. @Andre
    Monkey Shoulder ist eine Whisky Sorte,die von Notz bevorzugt,hat die Operation den gleichen Namen,oder liegt da eine Verwechslung vor?

  8. Dies beweist doch wieder nur eines.

    „freiheitlich-Demokratisch“ scheint ein Produkt zu sein das keiner mehr „kaufen“ will, darum „verschwinden“ die Letzten Anbieter nun auch hier.
    Und statt einer besseren Neuauflage basteln alle lieber an Demokratur 2.0.

    Das Upgrade zu „King of the Hill 3.0“ dürfen wir dann alle „freiwillig“ abnicken.

  9. Ein im Höchstmaß Demokratie gefährdender Eingriff.

    Untersuchungsausschüsse haben die Funktion Regierungshandeln einer öffentlichen Kontrolle zu unterziehen.
    Selbstverständlich kommt der Opposition hier eine wichtige Kontrollfunktion zu, denn eine Regierung kann niemals von der Regierung selbst kontrolliert werden.
    Den Ergebnisbericht der Opposition als geheim einzustufen, macht eine öffentliche Kontrolle der Regierung unmöglich.
    Ich verstehe dies als direkten Angriff auf die Demokratie.
    Die Opposition sollte unverzüglich alle zur Verfügung stehenden Reichsmittel einleiten.
    So etwas darf nicht hingenommen werden.

    1. Der Untersuchungsausschuss hat versagt?!

      Die Aufgabe eines Untersuchungsausschusses ist es alles was der Öffentlichkeit schon längst bekannt und nicht mehr abstreitbar ist zuzugeben und alles Weitere als unbegründet abzuweisen. Dadurch soll eine Aufklärung vorgespiegelt werden damit eine tatsächliche Aufklärung verhindert wird.

      Wenn bei einem Untersuchungsbericht also Teile für die Öffentlichkeit geschwärzt werden müssen, hat der Ausschuss seine politische Funktion verfehlt.
      Da hat wohl jemand bei der Besetzung nicht ganz aufgepasst?!

  10. Ganz einfach Klage vor dem Bundesverfassungsgericht wegen Behinderung der Ausübung des freien Mandates einbringen – vielleicht ein Eilverfahren.

  11. Und an der Stelle muss man sich klar machen: Wer im September SPD wählt, wählt große Koalition. Mit genau solchen Konsequenzen.

    1. Mit anderen Worten, derjenige (der die Große Union durch seine Stimme im Amt bestätigt) bestätigt die aktuellen Gesetzesänderungen der GroKo und darf sich nach der Wahl nicht beschweren, wenn er im Knast landet, weil er irgendwas gemacht hat, was einen Parteifunktionär geärgert hat!

  12. Hmm, wird es nicht allmählich Zeit, einen Parteien Verbotsantrag gegen CxU und SPD zu stellen?

    Die sind ja in der Lage das Grundgesetz zu kippen.
    Desweiteren haben die ja Ihre Verfassungsfeidlichkeit mit der fortwährenden Grundrechteerosion ja bewiesen.

  13. Bitte, bitte, bitte, lasst doch die Genderismen a la „Staatsbürger_innen“ weg. Das liest sich einfach nur scheußlich – insbesondere in der Variante mit dem Underscore. Danke!

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.