Freifunk: Bundesregierung verschleppt Anerkennung von Gemeinnützigkeit (Update)

Der Bundesrat will Freifunk-Initiativen per Gesetz als gemeinnützig anerkennen. Daraus wird vor der Bundestagswahl wohl nichts mehr, weil die Bundesregierung sich mit einer Stellungnahme Zeit lässt. Die Parteien geben sich gegenseitig die Schuld.

Beschilderung für einen Freifunk-Hotspot CC-BY-SA 3.0 Stefan Rovetto

Überall in Deutschland engagieren sich Ehrenamtliche in Freifunk-Initiativen, um mit öffentlichen Wlan-Hotspots Menschen den Zugang zum freifunk-Netz zu ermöglichen, viele davon teilen zudem ihren Internetzugang. Ob in Geflüchteten-Unterkünften, an öffentlichen Plätzen oder einfach in der Nachbarschaft – dank den Freifunkern gibt es dort offenen und kostenlosen Netzzugang. Leider werden der Initiative immer wieder Steine in den Weg gelegt: Neben der Störerhaftung beeinträchtigt auch die fehlende Anerkennung der Gemeinnützigkeit die ehrenamtliche Arbeit der in regionalen Vereinen organisierten Freifunker.

Denn für Breitbandanschluss und Technik fallen Ausgaben an, die unter anderem von Spendern getragen werden. Von der Steuer können die Spenden nicht abgezogen werden, dafür müssten die Freifunk-Initiativen als gemeinnützig anerkannt sein. Der gesellschaftliche Nutzen von öffentlichen Netzzugängen ist offensichtlich, aber die gesetzlichen Regelungen sehen eine Initiative wie Freifunk nicht vor. Als gemeinnützig gelten etwa die Jugendarbeit, Denkmalschutz oder die Völkerverständigung, jedoch nicht die Einrichtung von allgemein zugänglichen Wlan-Hotspots. Die Lösung ist simpel: Das Betreiben von Freifunk-Netzen muss nur in den Katalog von gemeinnützigen Tätigkeiten aufgenommen werden.

Bundesrat unterstützt Gemeinnützigkeit

Deshalb brachte der Bundesrat auf Initiative von Nordrhein-Westfalen und Thüringen vor einigen Monaten einen Gesetzesentwurf (PDF) in den Bundestag ein. Er fügt Freifunk-Initiativen zu den als gemeinnützig geltenden Tätigkeiten hinzu. Das war im März 2017 – seitdem ist es still geworden um den Entwurf. Der Bundestag hat sich bisher nicht mit den Plänen befasst. Tut er es in den verbleibenden zwei Sitzungswochen weiterhin nicht, drohen die Bemühungen zu scheitern.

Grund dafür ist das sogenannte Diskontinuitätsprinzip. Demzufolge verfallen innerhalb einer Legislaturperiode nicht verabschiedete Gesetzesentwürfe automatisch. Der Bundesrat müsste also den Gesetzesentwurf ein weiteres Mal beschließen und in den Bundestag einbringen. Das würde viel Zeit und die Freifunker einiges an Spenden kosten.

„Freifunk wird als Digitales Ehrenamt von vielen Freiwilligen getragen und mittels Spenden finanziert. Unterschiedliche Auffassungen der Finanzbehörden machen es den Vereinen jedoch schwer, langfristig zu planen. Deshalb braucht es das Freifunkgesetz der Bundesländer“, erklärt Markus Drenger von Freifunk Darmstadt. Die Freifunker appellieren an die Parteien, den Gesetzesentwurf auf die Tagesordnung zu setzen und möglichst rasch zu beschließen.

Bundestagsbeschluss unwahrscheinlich

Für die nächste Sitzungswoche steht der Gesetzentwurf jedoch nicht auf der Agenda des Plenums und droht damit zu scheitern. Die Bundestagsabgeordneten schieben sich die Schuld gegenseitig zu. Die Grünen sehen Union und Sozialdemokraten in der Verantwortung. „Statt weiter Lippenbekenntnisse zu äußern, muss die Große Koalition nun endlich handeln“, schreibt Konstantin von Notz, netzpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen in einem Blogbeitrag.

Die SPD weist jegliche Verantwortung von sich. „Die SPD-Fraktion und auch ich persönlich unterstützen uneingeschränkt den Gesetzentwurf zur Anerkennung der Gemeinnützigkeit von Freifunk“, erklärte Lars Klingbeil, netzpolitischer Sprecher der SPD, gegenüber netzpolitik.org. Die Abgeordneten von CDU/CSU würden sich gegen den Gesetzentwurf stellen. „Wir sind aber Partner in einer Koalition und unser Koalitionspartner CDU/CSU unterstützt das Vorhaben bisher nicht“, sagte Klingbeil weiter.

Die Unionsfraktion tut sich schwer mit dem Gesetzentwurf und verweist auf die Bundesregierung. Sie prüfe zur Zeit eingehend den Gesetzentwurf und werde ihn beizeiten an den Bundestag übergeben. Das eine so simple Gesetzesänderung soviel Zeit zur Prüfung benötigt, scheint nur durch fehlendes Interesse seitens der Bundesregierung erklärbar. So ist es sehr unwahrscheinlich, dass der Bundestag den Gesetzentwurf noch in dieser Legislaturperiode verabschieden wird. Eine herbe Enttäuschung für die vielen Menschen, die sich ehrenamtlich in Freifunk-Initiativen engagieren.

Update [22.6.2017]: Der Bundestag hat den Bundesrat-Antrag heute Morgen in die Tagesordnung der heutigen Plenarsitzung aufgenommen. Die Abgeordneten werden den Antrag im vereinfachten Verfahren an den Finanzausschuss überweisen. Stimmen die Abgeordneten der Großen Koalition zu, könnte der Antrag nächste Woche beschlossen werden.

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18 Ergänzungen

  1. Kontaktiert also eure CDU/SPD Abgeordneten, die

    – Mitglied im Finanzausschuss [1],
    – netzpolitische Sprecher,
    – Thomas Jarzombek, CDU/CSU, http://jarzombek.de/kontakt/
    – Lars Klingbeil, SPD, https://lars-klingbeil.de/
    – oder Fraktionsvorsitzende sind. Gerne über Facebook und Twitter.

    Referenziert dazu gerne die Drucksache 18/12105 [2], die kurzfristig auf die Tagesordnung gebracht werden muss.

    Aktionsseite: https://digitales-ehrenamt.jetzt

    1 – https://www.bundestag.de/ausschuesse18/a07/mitglieder/260590
    2 – http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/121/1812105.pdf

  2. Also in NRW wurde Freifunk glaube ich schon als gemeinnützig anerkannt, aber wenn es in ganz Deutschland so wäre, wäre auch gut. Mir persönlich reicht es auch so schon, weil ich selten NRW verlasse, aber auf Bundesebene wird sowas besser gefördert.

  3. Langt § 52 Abgabenordnung (AO) da nicht?

    „Eine Körperschaft verfolgt gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern.“

    1. @Grauhut: Nein, dies verschafft keine Rechtssicherheit. Nur was in der Liste in §52 Absatz 2 AO steht, hat einen Anspruch auf Anerkennung. Länder können darüber hinaus weitere Dinge anerkennen aber das hat bisher noch kein Land (auch NRW nicht!) getan. Es gab aus NRW nur die Bundesratsinitiative, die zu dem oben dargestellten Ergebnis geführt hat.

      Aktuell ist es ein Glücksspiel, ob (und wegen was!) man anerkannt wird. Das kann so doch in Niemanden’s Interesse sein, aber vielleicht liege ich da ja auch falsch.

  4. Ist es denn wirklich erstrebenswert, dass Freifunk gemeinnützig wird? Da sind ja dann auch Bedingungen dran geknüpft. Meine Bedenken sind analog zu dem Widerspruch zwischen „Computer verschenken an den der’s braucht“ und gemeinnützigen Verein.

  5. Das Freifunk Gedöns ist komplett vergeudete Energie. Theoretisch könnte ich mich hier in Berlin Mitte von einem freien Wlan zum nächsten Schleppen. Von BVG zum eigenen Netzanbieter mit Free Wlan Option zu Hinz und Kunz, an jeder Ecke freies Wlan. ABER, in der Praxis habe ich das längst abgeschaltet, da es super nervig ist, bis von einem Netz zum anderen gewechselt wird. Dazwischen ständig Abbrüche, lahmes Netz, ständiges manuelles checken der WLan Verbindung etc. etc. etc. Das ergibt exakt = 0 Sinn, da ich, und so ziemlich jeder andere , ohnehin Gute Abdeckung über das Mobilfunknetz hat. Somit was soll das Ganze??? Es bleibt allein die Option sich irgendwo unerkannt in en Netz einloggen zu wollen um dort Unsinn in welcher Art auch immer treiben zu wollen. Welche Energieverschwendung von parlamentarischer Arbeit wg. ein paar Freaks.

    1. Das ist ja schön, dass es in Berlin-Mitte auch andere Hotspots gibt und ständige Netzabdeckung gewährleistet ist. Die Barbaren, die außerhalb dieses heiligen Landes wohnen, sind sowieso viel zu primitiv, um mit Internetzugang etwas anfangen zu können.

      1. Mit den Funknetz hast Du überall dort Internet Abdeckung, in dem auch Dein Mobilfunkgerät Empfang hat. Ist es dort kritisch, wird es dort erst recht kein WLan geben. Das Freifunk Gedöns ist eine in sich selbstgenerierende Nonsens Beschäftigung von Nerds. Wäre ja auch OK, jeder soll sein Hobby selbst finden. Aber damit anderen auf den keks zu gehen und Parlaments Arbeit für sinnvolle Aufgaben zu blockieren, ist ärgerlich. Zeigt allerdings das abstruse Selbstverständnis der „ Netz aktivistischen Freiheitskämpfer. „ Die NP Praktikantin schreibt ja sogar von Zensur, wenn der „ The pirate bay „ das Netz abgeklemmt wird. Ggf.. mehr ein Fall für die Gruppen Therapiegruppe anstatt der Parlamente.

        1. Ich verstehe durchaus deine Ansicht, und würde ihr in einem gewissen Rahmen auch zustimmen. Allerdings übergehst du auch einige Punkte. Vielleicht möchte man mit seinem Laptop im Cafe surfen, der Vertrag erlaubt aber kein Tethering. Möglicherweise hat man das High-Speed-Volumen seines Vertrages auch einfach aufgebraucht und will trotzdem das Netz in einer annehmbaren Geschwindigkeit nutzen. Theoretisch hat man vielleicht auch gar keinen Vertrag, sondern nur ein Endgerät. Mich persönlich betrifft das zugegeben nicht, wenn man kein oder nur sehr geringes Einkommen hat, könnte das aber der Fall sein. Was mir selber aber oft passiert ist einfach der Umstand, dass ich innerhalb von Geschäften gar kein Netz oder nur sehr schlechten Empfang habe. Ich selbst wohne in der Innenstadt einer der größten deutschen Städte, und setze mich gerne manchmal in Cafes oder Restaurant, um dort zu arbeiten. Eine Reihe von Läden hier haben nur ein WLAN-Angebot dank Freifunk, und ich begrüße das sehr. Das bedeutet für mich guten Empfang und annehmbare Geschwindigkeiten, ohne mich einloggen zu müssen, meine E-Mail-Adresse preisgeben zu müssen, irgendwelche Facebook-Seiten liken zu müssen obwohl ich keinen Account dort habe, nur um ein WLAN nutzen zu dürfen (alles schon gesehen). Bei Freifunk bin ich direkt verbunden und muss mir auch bei größeren Präsentationen etc. im E-Mail-Anhang keine Gedanken um Geschwindigkeit oder Restvolumen machen. Wenn jedes freie WLAN nach diesem Prinzip fungieren würde, hätten auch die Endgeräte weniger Probleme, zwischen denen zu wechseln und eine ununterbrochene Verbindung aufrechtzuerhalten, auch wenn man sich bewegt. Genau der Punkt, den du in deinem ersten Kommentar angesprochen hast.

          Wo ich dir dann doch Recht gebe ist, dass nur weil man was Positives tut, es keinen Anspruch darauf gibt, dass das als gemeinnützig anerkannt wird. Da kann man gerne seine eigene Meinung zu haben. Die würde ich dann aber auch dem Autor dieses Artikels gönnen. Lieben Gruß.

    2. Alles, das sich mit deiner Erfahrungswelt nicht deckt, ist nur für „Freaks“?
      „Abdeckung über das Mobilfunknetz“ -> lass dich totalüberwachen mit Angabe deiner Adresse
      Es geht um selbstbestimmte Vernetzung. Aber das kapiert einer nicht, der Netzabdeckung als selbstverständich hinnimmt … als ein gemachtes Nest, in das man sich hereinsetzt.

      Lieber ein Freak als ein Schaf.

      1. Yo, Men – > Totalüberwachung. KLeiner gehts für die “ Sauger von Content aller Art nicht mehr. Das Recht beim saugen bei TPB nicht erkannt zu werden, wenn schon „Schweinerichter“ durch „Zensurmaßnahmen“ ( -> NP.org Speech ) den Saugzugang beschränken. HIngegen Menschen die sich tatsächlich gegen Überwachung schützen sollten, weiß Gott nicht so dämlich wären, sich nur deshalb in ein Netz einzuloggen, weil „freifunk“ als Kennung gesendet wird.

  6. Man munkelt, die Unionsfraktion tut sich schwer mit dem Thema. Alle anderen Fraktionen befürworten die Bundesratsinitiative explizit.

    Übrigens: ein anderer Antrag, der das Thema noch mal aufgreift hat es für morgen (Donnerstag) noch auf die Tagesordnung des Plenums geschafft. Theoretisch könnte das Thema damit in den Ausschüssen aufgegriffen werden, wenngleich das bei einem Antrag der Opposition wohl sehr unwahrscheinlich erscheint.

    1. Danke für den Hinweis! Ich halte es für unwahrscheinlich, dass der Antrag angenommen wird, weil er von der Opposition kommt, aber ich halte die Augen offen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.