Europol startet Datentauschring mit Geheimdiensten und US-Militär

In der Operation „Gallant Phoenix“ sammelt das US-Militär Informationen zu „ausländischen Kämpfern“ in Syrien und dem Irak. Die Personendaten sollen für europäische Polizeibehörden nutzbar gemacht werden. Aus einem ähnlichen Projekt zog sich das BKA wegen rechtlicher Bedenken zurück. Auch die Teilnahme des BND ist im Gespräch.

Das US-Militär sammelt Fingerabdrücke in Afghanistan. – Alle Rechte vorbehalten US Department of Defense

Die Europäische Union beginnt eine neue Kooperation zum zivil-militärischen Datentausch mit den USA. Die EU-Polizeiagentur Europol in Den Haag soll dafür Fingerabdrücke, DNA-Spuren, forensische Daten oder Abhörprotokolle verarbeiten, die das US-Militär in Syrien und im Irak sammelt. Dies geht aus einem Ratsdokument hervor, das die britische Bürgerrechtsorganisation Statewatch online gestellt hat. Das Papier wurde vom EU-Anti-Terrorismus-Koordinator Gilles de Kerchove verfasst.

Der Austausch soll demnach im Rahmen der Operation „Gallant Phoenix“ erfolgen. Dabei handelt es sich um ein Aufklärungsprojekt des US-Militärs, das in Jordanien angesiedelt ist. Auch US-Geheimdienste nehmen daran teil. „Gallant Phoenix“ steht unter Leitung des Joint Special Operations Command, das die Spezialeinheiten aller US-Teilstreitkräfte (darunter auch Militärgeheimdienste) befehligt. Europol entsendet jetzt einen Verbindungsbeamten zu „Gallant Phoenix“. Darüber wäre es möglich, die dortigen Informationen direkt mit Europol-Datenbanken abzugleichen.

Angebot auch an den BND

Möglicherweise nimmt auch die Bundesregierung mit dem Bundesnachrichtendienst an „Gallant Phoenix“ teil. Ein entsprechendes Angebot habe die US-Regierung laut einem Bericht des Spiegel vom vergangenen Jahr „via Bundeswehr“ an das Kanzleramt herangetragen. Dadurch könnte der Auslandsgeheimdienst an Informationen und Reisebewegungen von „Islamisten aus Deutschland“ gelangen, wenn sich diese im Irak und in Syrien aufhalten.

Auch Interpol soll in den Informationsaustausch mit „Gallant Phoenix“ eingebunden werden. Über die Pläne hatte im März die Berliner Morgenpost berichtet. Die internationale Polizeiorganisation Interpol plant demzufolge die Verarbeitung von „Fingerabrücke[n] von Kalaschnikows, Spuren von Anschlagsorten oder DNA-Proben von getöteten IS-Terroristen“. Laut dem jetzt online gestellten Ratsdokument hat der Datentausch via Interpol bereits zur Festnahme oder Identifizierung von fünf Rückkehrenden gesorgt. Möglicherweise handelt es sich dabei um Maßnahmen des „Projekts Kalkan“, mit dem Interpol Behörden im Irak bei der Verfolgung der Aktivitäten von „ausländischen Kämpfern“ unterstützt.

Daten des Militärs für Schengen-Ausschreibungen

Europol will die aus Kriegsgebieten erhaltenen Informationen auch in den eigenen Datensammlungen speichern. Zunächst muss allerdings noch ein Vertrag mit der US-Regierung unterschrieben werden, der den Austausch auch eingestufter Informationen regelt. Dies beträfe etwa Informationen zu abgehörten Telefonen oder geheimen Dokumenten. Sie müssten eine niedrigere Einstufung tragen, damit sie vom Militär an Strafverfolgungsbehörden übermittelt werden dürfen.

Denkbar wäre laut des Dokuments, Personen aufgrund der aus Kriegsgebieten übermittelten Erkenntnisse im Schengener Informationssystem zur Fahndung oder heimlichen Beobachtung auszuschreiben. Schließlich könnten die vom Militär gewonnenen Daten auch Rückschlüsse auf Finanztransaktionen liefern. Diese könnten bei Europols Zentralstelle für Finanzermittlungen oder über das SWIFT-Abkommen zwischen Behörden der Europäischen Union und den USA genutzt werden.

BKA zog sich aus Vorläuferprojekt zurück

Bereits in zwei Vorläuferprojekten hatten europäische Justiz- und Innenministerien Informationen des US-Verteidigungsministeriums über „ausländische Terroristen“ verarbeitet. Ab 2006 etablierte das US-Militär das Projekt VENNLIG für den Irak und HAMAH für Afghanistan. Der Datentausch wurde über das FBI und das Interpolbüro in Washington abgewickelt. Auch das Bundeskriminalamt (BKA) nahm daran teil, stellte die Zusammenarbeit jedoch nach Angaben des Bundesinnenministeriums im Jahr 2012 wegen rechtlicher Bedenken ein.

Mit dem Rückzug vieler Koalitionstruppen aus dem Irak und Afghanistan endeten die Projekte VENNLIG und HAMAH. Laut dem US-Justizministerium enthielten sie damals Namen von 48.000 Personen sowie 53.000 weitere „Hinweise“. Seit Jahren drängt der EU-Anti-Terrorismuskoordinator auf die Wiederaufnahme. Den neuen Plänen zufolge soll VENNLIG wieder aufgelegt werden, jetzt allerdings unter Federführung der irakischen Behörden. Die Übermittlung von Informationen zu „ausländischen Kämpfern“, ihren biometrischen Daten oder DNA könnte dann über das Interpolbüro in Bagdad erfolgen. Interpol nutzt hierfür die als „Blauecke“ bezeichnete Ausschreibung von Personen zur Aufenthaltsermittlung. Auch die sogenannte „Lilaecke“, mit der das Vorgehen von TäterInnen dokumentiert wird, soll stärker genutzt werden. Über die „Schwarzecke“ könnten zudem Daten zu Getöteten ausgetauscht werden.

Biometrischer Datentausch auch mit der NATO?

Nachdem die US-Regierung „grünes Licht“ für den neuen Datentausch mit dem Irak gegeben hat, könnte mit dem Aufbau der benötigten technischen Infrastruktur begonnen werden. Es ist nicht bekannt, welche Firma hierfür beauftragt wird. In vergleichbaren Fällen erfolgte dies durch die US-Geheimdienstzulieferer CSC Solutions und Booz Allen Hamilton.

Perspektivisch sollen Europol und Interpol auch biometrische Daten mit der NATO austauschen. Die Europäische Union prüft derzeit die Finanzierung eines entsprechenden Projektes im Irak. Europol könnte hierzu Zugang zur militärischen „Biometric Enhanced Watch List“ erhalten. Diese Kooperation mit der NATO wäre nach der im Mai in Kraft getretenen neuen Europol-Verordnung auch für Personendaten möglich.

Zugriff auf FBI-Datenbank

Europol hat bereits Daten zu 26.000 Personen vom „Terrorist Screening Centre“ des FBI erhalten. Sie werden im Europol-Informationssystem gespeichert und sind damit für alle Mitgliedstaaten durchsuchbar. Schließlich prüft Europol auch den Zugang zur „Secure Real-Time Platform“ (SRTP) des US-Heimatschutzministeriums. Auch dort sind biometrische Daten gespeichert, die Europol mit den eigenen Beständen abgleichen will. Enthaltene Fingerabdrücke stammen beispielsweise von Sprengsätzen oder Tatorten. Dem von Statewatch veröffentlichten Ratsdokument zufolge enthält die SRTP 300.000 Einträge. Einige EU-Mitgliedstaaten haben bereits eine bilaterale Vereinbarung mit der US-Regierung zur Abfrage der SRTP. Auch das deutsche Innenministerium wurde hierzu vom Heimatschutzministerium angesprochen, der Vorschlag wird dort geprüft.

Weitere Informationen könnte Europol mit der Kommission für internationale Justiz und Verantwortung (CIJA) austauschen. Dabei handelt es sich um einen privaten Zusammenschluss von ErmittlerInnen und Staatsanwaltschaften, der im Irak und in Syrien Beweise für Kriegsverbrechen sammelt. Die in den Niederlanden registrierte CIJA hat rund 150 Angestellte und wird unter anderem von der Europäischen Union und Deutschland finanziert. Europol sucht nun Möglichkeiten für einen direkten Zugang zur CIJA-Datenbank. Ein nicht genannter EU-Mitgliedstaat will hierfür als Datenmakler fungieren.

5 Ergänzungen

  1. Nach meinem Geschmack ist die Farbgebung in den Ecken doch schon recht einfältig ausgefallen. Für anspruchsvollere Eckengestaltung empfiehlt sich u.a. Goethes Farbenlehre. Man sagt ihr nach, sie habe auch eine therapeutische Wirkung, was doch hilfreich wäre.

  2. Das wird ja immer besser. Ich bin mal gespannt wie die Datenbanken vernetzt sind, wenn ich in ein paar Jahren in das Berufsleben einsteige. Ich fühle mich dadurch eher unsicherer.

  3. Kernprobleme dieser „Fusionen“ sind ganz klar die „Sprunghaftigkeit“ ihrer Akteure sowie die Ungewissheit, wie sich die politischen Landkarten in den nächsten Jahren weiterentwickeln. Ein Land als Hauptakteur, dass seine eigenen Visionen der Freiheit komplett unterwandert und sich im Grunde gegen diese ausrichtet, sollte zunächst zu Korrekturen ermutigt werden, bervor man derart sensible Bündnisse eingehen möchte. Gelebte Demokratie sieht anders aus. Soweit ich mich medial erinnere hat soeben genau dieser Hauptakteur 1,3 Millionen IP-Adressen seiner politischen Gegenseite eingefordert. Bündnisfall?

    1. Diese Fusionen bilden ein Eigenleben, Arbeitsteilung heißt hier das Zauberwort!
      In Deutschland werden die Jobs erledigt, die in Frankreich verboten sind, in Frankreich die Jobs die in Deutschland verboten sind!
      J. Edgar Hoover wäre Stolz auf Europa!
      Den besten Vogel hat ja Bayern abgeschossen, mit seinem Gefährder Gesetz, das die Polizei berechtigt, unschuldige Bürger ohne Gerichtsverhandlung weg zu sperren, bis die Gefahr für die CSU vorbei ist!

  4. Da lächelt doch der Skull and Bones Führungsoffizier. Sehr Private und verschwiegene Firmen dürfen mitmischen ;)

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