Entwurf für Informationsfreiheitsgesetz in Niedersachsen: Landesregierung schwingt die Gebührenkeule

Bald bekommt auch Niedersachsen ein Informationsfreiheitsgesetz. Das hat das rot-grüne Kabinett beschlossen. Der Gesetzentwurf fällt allerdings hinter die Erwartungen an eine moderne Verwaltung zurück. Bürgern drohen für Auskünfte hohe Gebühren.

Niedersachsen (Symbolbild). Foto: kaʁstn Disk/Cat, Pilsumer Leuchtturm 2010-10 CN-I, CC BY-SA 3.0 DE

Fast zwanzig Jahre ist es her, seit Brandenburg als erstes von nunmehr zwölf Bundesländern 1998 ein Informationsfreiheitsgesetz (IFG) einführte. Mit einiger Verspätung zieht jetzt auch Niedersachsen nach: Die rot-grüne Landesregierung hat gestern einem Entwurf für ein IFG (pdf) zugestimmt. Das Gesetz soll es ermöglichen, Daten und Dokumente von Behörden des Landes anzufragen. Staatliche Stellen sind verpflichtet, den Anfragen nachzukommen, sofern keine Ausnahmetatbestände entgegensprechen.

Der Gesetzeszweck einer transparenteren Verwaltung droht allerdings mit der geplanten Gebührenordnung des Entwurfs zunichte gemacht zu werden. Die sieht nämlich vor, dass Behörden ihre volle Arbeitszeit für die Bearbeitung von Anträgen in Rechnung stellen dürfen. Je nach Anfrage und Besoldungsgruppe der Bearbeitenden bedeutet das, das schon recht einfache Anfragen für Antragssteller hunderte Euro kosten können.

Auch Ablehnungen werden teuer

Selbst Ablehnungsbescheide der Verwaltung sollen nach dem Entwurf Gebühren nach sich ziehen. Das würde effektiv gegenüber der Nichtexistenz des Gesetzes eine Verschlechterung bedeuten: Wurden bisher Anfragen an Behörden kurz und knapp abschlägig beschieden, könnten Behörden künftig womöglich seitenlange Ablehnungsbescheide schreiben. Die bringen dann zwar keine neuen Erkenntnisse, werden aber teuer.

Die meisten Bundesländer sehen eine Begrenzung von Gebühren in Höhe von 500 Euro für besonders umfangreiche Anfragen vor. Niedersachsen würde sich hingegen in Gesellschaft mit Baden-Württemberg wiederfinden, das eine ähnliche Regelung vorsieht. Das dortige IFG ist das bürgerunfreundlichste der Republik. International ist eine Berechnung von Gebühren für Anfragen ohnehin unüblich – in den meisten Ländern wird die Beantwortung von Bürgeranfragen als eine der Kernaufgaben der Verwaltung gesehen, die nicht in Rechnung gestellt werden darf.

Anders als angekündigt doch kein richtiges Transparenzgesetz

Ursprünglich hatte die niedersächsische Landesregierung im Koalitionsvertrag eine Regelung vereinbart, nach der zentrale Dokumente wie Verträge der öffentlichen Hand, Pläne und Verwaltungsvorschriften aktiv von öffentlichen Stellen online veröffentlicht werden müssen. Dazu kam es letztlich aber nicht: Da es in Niedersachsen noch keine weit verbreitete elektronische Aktenführung gebe, sei eine solche Regelung derzeit nicht praktikabel, heißt es aus der Landesregierung. Stattdessen sieht der Entwurf vor, dass die Regierung beizeiten ein Online-Informationsregister per Rechtsverordnung schaffen kann. Ob dort dann aber tatsächlich auch Verträge publiziert werden, bleibt abzuwarten.

Die Kommunen des Landes werden von der Veröfentlichungspflicht jedenfalls nicht erfasst werden. Die kommunalen Spitzenverbände haben sich jahrelang sowohl gegen eine aktive Veröffentlichungspflicht wie auch das IFG an sich lautstark gewehrt. Zur Begründung führten sie an, dass die bestehende Transparenz auf kommunaler Ebene ausreichend sei.

Verfassungsschutz muss keine Auskunft geben, Volkswagen bleibt geschützt

Aber nicht nur die Kommunen, auch viele Verwaltungsteile konnten sich erfolgreich gegen mehr Transparenz sperren. So sind etwa große Teile des Landtags selbst, der Hochschulen und Schulen, des Landesrechnungshofs, der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sowie der Gerichte und Finanzbehörden vom Gesetz ausgenommen. Auf den Landesverfassungsschutz wird das Gesetz, wie auch in Bund und den meisten anderen Bundesländern, überhaupt nicht anwendbar sein.

Auch sieht der Entwurf keine Abwägung für viele Ausnahmetatbestände vor. Enthalten Dokumente etwa Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, dürfen diese nicht offenbart werden – selbst wenn das öffentliche Interesse an ihnen höher wäre als das schutzwürdige Interesse von Unternehmen. Dies wäre etwa bei vielen Dokumenten der Fall, die im Zusammenhang mit dem in Niedersachsen beheimateten Konzern Volkswagen stehen. Das Unternehmen, an dem das Land Niedersachsen weiterhin beteiligt ist, hat sich im Zusammenhang mit seinem Abgasbetrug bisher nicht als Transparenzverfechter hervorgetan. Das niedersächsische IFG wird daran auch nichts ändern.

Fehlen bald noch drei: Hessen, Sachsen und Bayern

Tritt das IFG in Niedersachsen wie vorgesehen im Herbst in Kraft, bringt es aber zumindest drei weitere Bundesländer in Zugzwang: Behörden in Hessen, Sachsen und Bayern haben nach wie vor kein eigenes IFG. Die schwarz-grüne Regierung in Hessen prüft seit Jahren, ob sie ein IFG einführen soll. Dazu hat das Land bei allen anderen Bundesländern nach ihren Erfahrungen mit der Informationsfreiheit gefragt. Wie das Hessische Innenministerium gegenüber netzpolitik.org sagte, stehe die Prüfung „der sehr umfangreichen Materialsammlung“ aus anderen Bundesländern zum Thema derzeit noch aus.

Sachsen arbeitet derzeit, obwohl im Koalitionsvertrag festgeschrieben, an keinem Informationsfreiheitsgesetz vor. Bayern plant keines. Laut CSU-Innenminister Herrmann bestehe durch die Herausgabe von zu vielen Akten die Gefahr, dass „der Bürger überfordert“ werden könnte.

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20 Ergänzungen

  1. Daran, dass auch Ablehnungen u.U. Geld kosten, ist Netzpolitik nicht ganz unschuldig mit seinen regelmäßigen Trollanfragen, bei denen schon vorher feststeht, dass sie abgelehnt werden. Auf die Demokratie hat es keine Auswirkungen wenn solche Beiträge nun teurer werden. Bleibt zu hoffen, dass hier nicht vorgezeichnet wird, was demnächst auch auf Bundesebene geschieht.

    1. Genau! Selber schuld! Und Demokratie ist sowieso selbsterhaltend und überbewertet…. (Manchmal möchte ich weinen…)

      1. Was sollen solch offensichtlich abzulehnenden Anfragen bringen? Wenn man die Ausschlüsse thematisieren will, gern, aber doch nicht auf diese Art. Nur weil einige, wenig sinnvolle Anfragen nun kostenpflichtig sein könnten, wird doch nicht die Aufdeckung irgendwelcher Misstände verhindert. Wenn es ein Misstand ist, wird sich immer jemand finden die Anfrage zu bezahlen, vor deren Kosten Lieschen Müller vielleicht zurückschreckt. Genau um diese Anfragen geht es nicht, sondern um das wiederholte Stellen sinnfreier Anfragen. Und auf solche leeren Lückenfüller hier kann ich gut verzichten. Diese Lückenfüller haben nichts mit Demokratie zu tun, außer dass ihre Kosten bisher von allen bezahlt werden mussten. Da könnte man weinen.

    2. „Auf die Demokratie hat es keine Auswirkungen wenn solche Beiträge nun teurer werden. “
      Man muß sie sich nur leisten können. Oder: Die schönste Demokratie, die man für Geld kaufen kann.

      1. Demokratie findet in gewählten Gremien statt, nicht durch demokratisch auf alle verteilte Kosten solcher Anfragen.

        Es gibt eine einfache Lösung: Einfach mehr an Netzpolitik spenden, dann kann immer weiter gefragt werden, auch wenn per Gesetz die Anfragen a´bzulehnen sind. Ich find gut, wenn dafür nicht alle bezahlen müssen, sondern die, die auch zum 10. Mal einen Mehrwert darin sehen zu erfahren, dass per Gesetz abzulehnende Anfragen abgelehnt werden.

        1. Lies bitte nochmal!
          Es sind nicht nur die Ablehnungen zu bezahlen, sondern auch die, bei denen die Beantwortung nicht verweigert werden kann.

        2. Wer eine Information haben möchte, der muss eben zahlen!
          Wer sich diese Information nicht leisten kann, der bekommt sie nicht!
          Das ist doch Wunderbar!
          Je unangenehmer die Auskunft wird, desto mehr hat der Anfragende zahlen!
          Das ist doch echte Marktwirtschaft!

  2. Wenn solche Anfragen so teuer sind, kann man dann nicht das Land verklagen weil es sehr unwirtschaftlich handelt? Immerhin entstehen ja die gleichen Kosten auch bei jeder internen Anfrage bzw. bei Anfragen von anderen Behörden.
    Gibt es nicht ein Gesetz gegen Steuerverschwendung?

  3. Hofft noch jemand auf mehr Demokratie, wenn die Grünen am regieren sind?

    „Die rot-grüne Landesregierung hat gestern“
    „schon recht einfache Anfragen für Antragssteller hunderte Euro kosten“
    „Auch Ablehnungen werden teuer“
    „Die schwarz-grüne Regierung in Hessen prüft seit Jahren“

      1. @h s
        Sie meinen die konservativen Grünen sind wohl saturiert und propagieren daher die käufliche Demokratie ? :-))

  4. „Laut CSU-Innenminister Herrmann bestehe durch die Herausgabe von zu vielen Akten die Gefahr, dass „der Bürger überfordert“ werden könnte.“

    Erinnert stark an „Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern.“
    Außerdem: Bayern muss es ja nicht sofort so wie Wikileaks machen und alles im Volltext inklusive der vergangenen 500 Jahre an Archivmaterial ins Netz stellen.
    Naja, wobei… wieso eigentlich nicht? Wo doch (CSU) Politiker oft von Big Data und dem „IT Standort Bayern“ reden.

    1. Innenminister Herrmann hat völlig recht, der Bürger läuft durch zuviel Informationen Gefahr, einen Herzinfarkt zu bekommen oder zumindest wird ihm so schlecht, das dieser sich Hilfe holen müsste, z.B. von diesen Leuten von Correktiv!

  5. @Arne
    Vielleicht schmeisse ich einiges durcheinander.
    Gab es nicht mal ein Gerichtsurteil,wo jemand geklagt hatte, weil die Behörde die Antwort salamischeibenartig in unzählige Tranchen gesplittet hatte, um einen exorbitanten Betrag vom Fragesteller zu fordern und ihn damit abzuschrecken, welches vor Gericht als unzulässig erklärt wurde.

  6. In Anbetracht der Aufwandsschätzung in der Begründung zum Gesetzesentwurf sollten gar keine Gebühren erhoben werden. Die erwarteten ca. 1.000 Anfragen bei einer Kostenschätzung von ca. 200.000€ verteilen sich auf das Land und viele Gemeinden und Kreise. Die Vorteile einer offenen – individuell nicht abschreckenden – Bürgerinformation würden diesen Mehraufwand bei Weitem übersteigen.

  7. Da hier Beamte tätig werden, die eh im Auftrag des Staates/Bürger tätig sind, dürfte gar kein Aufwand anfallen, da diese Anfragen im Rahmen eines Gesetzes auch einen Verwaltungsakt darstellen, die an sich erstmal kostenneutral sein sollten, es sei denn, es werden nicht pauschal, sondern für bestimmte Vorgänge, feste Gebühren in das Gesetz diktiert, die aber kein Hindernis für den Antragssteller darstellen dürfen. Was bedeutet, dass bei z.B. Arbeitslosen, Geringverdienern und Rentnern eine Ausnahmeregelung bestehen muss.

    Das Transparenz sich in Bayern – kein Politiker – bzw. niemand leisten kann, ist nicht neu. Auch Badenwürtemberg müsste dann ja erklären, wie es sein kann, dass sich die Parlamentarier vor 4 Jahren einen 36% Aufschlag auf Ihre Bezüge genehmigt haben, mit dem Versprechen, für Ihre Rente selbst zu soregen – und nun – meinen, es wäre für Sie viel schwerer eine ‚anständige‘ Rente zu erhalten, natürlich ohne Ihre Bezüge wieder um 36% zu senken (7K/Monat).

    Transparenz bedeutet letztendlich, dass der gemeine, stets überforderte Bürger nachvollziehen könnte, was in manchen Amtsstuben für ein Wahnwitz angezettelt und mit paralleler Lobbyarbeit durch das Parlament gepuscht wird und wie man mal eben den Bürger dazu zwingt, für Dinge zu zahlen, für die er mind. schon einmal Steuern bezahlt hat. Ich verweise da nur auf eines – Wetterdaten.
    Der DWD hat zum Beispiel bis Mitte 2004 noch hochauflösende Radarbilder kostenlos online gestellt (<50km), bis diese dann plötzlich nicht mehr verfügbar waren und nun nur noch 'käuflich' an kommerzielle Verwerter abgegeben werden. Gleichzeitig schwafeln Politiker infolge der Klimaveränderungen von lokalen Warnsystemen vor Windhosen etc. dabei könnte zB jede Familie und jeder Hausbesitzer – mit den schon durch Steuern erhobenen 'echtzeit' Radardaten – bis auf 15 Min. genau wissen, wann sein Ausflug/Haus ggf. in der Wanderzone einer Unwetterzelle liegt – und das ist nur ein Beispiel, das aufzeigt, dass Politik und Behörden mitunter gar keine Ahnung haben, wofür und für wen sie eigentlich tätig sind.

    Demokratie besteht solange, solange die Bevölkerung nicht nur demokratisch wählt, sondern auch den Anspruch hat, das die führenden Beamten und Politiker für die Demokratie und die Gesellschaft als ganzes mitdenken – do wie wir alle wissen, Mitdenken ist in vielen Teilen der Bevölkerung Ansichtssache – und letztendlich ist Europa ja immer ein Sonderfall, vergleicht man es mit Afrika, Amerika oder Asien – sollen wir also einfach froh sein, dass wir überhaupt leben dürfen und seien wir unseren Politikern dankbar, dass wir nie die ganze Warheit darüber erfahren, wie wir den gestrigen Tag nur um Haaresbreite überlebt haben. Ja, Bayern erklärt was die Welt im innersten zusammen hält. Wenn Wikileaks uns die Welt auf E-Mail Ebene erklärt, zeigt Bayern auf ein schwarzes Gebäude und sagt: "Seht Ihr, so schützt Bayern seine Bürger, unser Cybersecurity Team in Partnerschaft mit Microsoft und SAP unterstützt die bayrische Verwaltung und Wirtschaft."

    Ich kann daher nur empfehlen: Mitdenken, zur Wahl gehen und seine lokalen Politiker persönlich zu befragen oder Ihnen die Meinung schreiben, immerhin 30% antworten auch, laut meiner Erfahrung, und solange wir noch 30% im Amt haben, die halbewegs wissen was zu tun ist, geht noch nicht alles den Bach runter.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.