E-Privacy-Verordnung: Verlage wollen Leser beim Tracking entmündigen

Beim Thema Datenschutz zeigen sich Verlage einmal mehr als Gegner der Rechte von Bürgerinnen und Bürgern. Mit einem offenen Brief lobbyieren die Verleger gerade gegen die informationelle Selbstbestimmung – und für die Beibehaltung des lästigen Werbetrackings. Ein Kommentar.

– CC0 frank mckenna

Im Entwurf zur E-Privacy-Verordnung ist eine Passage enthalten, die den Nutzerinnen und Nutzern erlaubt, selbstbestimmt das allgegenwärtige Tracking auf Webseiten zu unterbinden. Gegen diese tatsächliche Verbesserung des Datenschutzes lobbyieren Verleger aus ganz Europa: Sie wollen, dass Tracking standardmäßig erlaubt bleibt. In einem offenen Brief an das Europaparlament singen sie nicht nur das immergleiche Lied von den großen Internetkonzernen, die von dieser Regelung profitieren würden, sondern wehklagen auch, dass die neue Selbstbestimmung der Leser über ihre Daten den Journalismus an sich gefährde.

Dabei sind es die Verlage, die mit ihren Multi-Tracking-Werbenetzwerken die persönlichen Daten und damit das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ihrer Leser mehr als gefährden. Welche Wege diese Daten gehen, wird im Projekt trackography.org nachgezeichnet. Als das Projekt beim CCC-Kongress 2014 vorgestellt wurde, kam so beispielsweise heraus, dass ein Besuch auf Spiegel Online dazu führt, dass die erhobenen Tracking-Daten auf 37 Servern und Instanzen aufgezeichnet und gespeichert werden – und das in Deutschland, Niederlande, Großbritannien, Dänemark, Spanien und den USA. Das Lesen eines Artikels führt derzeit also zum Totalverlust der eigenen Daten.

Die Verlagsbranche als Datenschutzhemmnis

Gegen ein solches Tracking will die E-Privacy-Verordnung nun einführen, dass die Leser direkt im Browser einem Tracking zustimmen müssen. Lehnen sie es ab, darf der Verlag oder die Webseite nur noch klassische anonyme Nutzerzahlen erheben, nicht aber standardmäßig ein Verhaltenstracking von Menschen durchführen, wie das heute der Fall ist. Die Änderung des Datenschutzes in der E-Privacy-Verordnung ist ein Schritt in die richtige Richtung. Wirklich wegweisend wäre, wenn Browser „ab Werk“ direkt so konfiguriert wären, dass Tracking ausgeschlossen ist.

Die Verlagsbranche hat sich immer wieder gegen den Datenschutz gestellt, beispielsweise bei der Zweckbindung von Daten. Zuletzt war sie auch noch damit aufgefallen, dass sie ihren Lesern den Einsatz von Werbeblockern verbieten will. Auch hier wird mit hanebüchenen Argumenten hantiert: Der Zeitungsverlegerverband NRW machte Werbeblocker gar für Trump und den Brexit verantwortlich. Dabei ist die digitale Auslieferung von Werbung einer der Superspreader für Schadsoftware geworden. Wer Werbeblocker nutzt, macht seinen Computer sicherer.

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9 Ergänzungen

  1. Das ist doch wieder mal typisch. Erst findet nicht mal ansatzweise der Versuch statt, sich in die eigenen Kunden hinein zu versetzen, sondern es wird nur das gemacht, was den eigenen Bedürfnissen dient. Wenn die Kunden dann nicht bereitwillig alles mit sich machen lassen, sondern sich gegen den ganzen Schwachsinn mit Händen und Füßen wehren, dann fallen die Verlage aus allen Wolken und verstehen die Welt nicht mehr. Als nächstes wird nach dem Gesetzgeber geschrien, um Adblocker zu verbieten oder eine Blankovollmacht zur Bespitzelung der eigenen Kunden zu bekommen. Das immer mehr Kunden einen Adblocker verwenden hat sich die Industrie auch selbst zuzuschreiben. Nur kapieren tut sie das nicht. Selbst Fehler gemacht? Wir doch nicht. Aber von uns Kunden erwarten, das wir wie Lämmer fröhlich selbst zum Metzger rennen, und dabei auch noch Hurra schreien.

    Bei manchen Firmen hab ich den Eindruck, die sind dermassen lernresistent, da hilft nur noch dichtmachen. Die Nase, die die sich holen, kann gar nicht blutig genug sein, bis sie endlich was verstehen und anfangen, auf ihre eigenen Kunden einzugehen.

  2. NaJoNee, das wird aber langsam unlustig. Erst „cookie zustimmen [ja(jep)|nein(leavenow)]?“ anklicken (was für ein hirnloser blödsinn), dann „dürfen wir sie tracken [ja(juhu,ok)|nein(fuckoff)]?“ und was als nächstes?
    Und wie implementiere ich das über alles weg (plugins, etc.) rechtssicher? Das funktioniert ja schon mit der cookie-nummer nicht zuverlässig.
    Auf was das denn wohl rausläuft? Schätze in der art: „Wenn du diese site benutzt … dann kann es sein, dass wir dich tracken, muss aber nicht (ok|ok).“
    Und finden sich dann all die betreiberinnen kleiner gewerblicher und ggf. privater websites, die weder plan noch finanzen haben sich darum zu kümmern in den liebevollen armen privater abmahner wieder?
    Ich kann der „Verleger-Lobby“-boygroup nicht in ihrem ansinnen zustimmen. Aber so wie angedacht gehts doch auch nicht so einfach. Abgesehen davon, VDS.

  3. Gut, dann wird eben geblockt.
    Und wenn ich deren Webseiten dann nicht mehr besuchen kann, ist mir das auch *piep*.
    Ich vermisse bild.de nicht.
    Werbeblocker in Kombination mit Scriptblocker, anders lässt es sich im Internet leider nicht mehr bewegen. Und von unaufdringlicher Werbung wollen viele auch nichts mehr wissen. Ohne Adblock auf Heise? Schon startet irgend ein Banner und labert mich auch noch voll. Danke. Nein. Nur eines von vielen aktuellen Negativbeispielen.
    Und Tracking geht eben gar nicht. Inwiefern das Nicht-Tracken den Journalismus gefährdet, erschließt sich mir nicht. Meine Surfgewohnheiten gehen jedenfalsl exakt eine Person etwas an und sonst niemandem: Mich!

    Die Werbeindustrie wird immer bekloppter. Was die sich inzwischen herausnehmen dürfen, ist schockierend. Ich wäre für ein komplettes Trackingverbot. Weg mit „personalisiertem“ Schrott. Das hat, bevor das alles möglich war, davor auch hervorragend funktioniert. Mir kann niemand erzählen, dass auf die Person zurechtgeschnittene Werbung tatsächlich erwünscht ist. Also bei mir ist im Regelfall gar keine Werbung erwünscht, diese wird bestenfalls geduldet/ertragen, weil die Notwendigkeit der Werbung zur Finanzierung durchaus erkannt wird. Aber dann bitte neutral, unaufdringlich und trackingfrei. Klappt beim Fernseher, im Kino und auf Werbeplakaten doch auch.

    1. Ergänzung:
      Mich hat noch nie (!) eine Mail oder Webseite, die mich ggf. sogar persönlich anspricht und mir ihre Dienste offeriert, zu einer Bestellung oder einem Vertragsabschluß bewegt. Und das wird auch nie passieren. Im Gegenteil, mich stösst das eher als potentiellen Kunden ab, wenn ich mir überlege, was da wohl für ein Datensammler dahintersteckt und was der mit meinen Daten anstellt, sollte ich dort Kunde werden…

  4. „Dabei sind es die Verlage, die mit ihren Multi-Tracking-Werbenetzwerken die persönlichen Daten und damit das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ihrer Leser mehr als gefährden.“

    Das ist richtig. Aber, es sind nicht nur die Verlage, die die Internet – Nutzer auf Schritt und Tritt versuchen zu verfolgen. Genauso sind es Betriebssystemhersteller wie Apple&Microsoft (Betriebssystem als Dienstleistung), Provider, unterschiedlichste Internetseiten, und auch Browserhersteller selbst wie Mozilla, Chrome oder Opera. Die Verbindungen zu Akamai, Amazon, Google, Facebook, Twitter &. co. lassen sich kaum noch zählen.

    Man installiere einfach mal wireshark, starte das Teil mit der Schnittstelle eth0 und rufe mit einem der Browser drei oder vier x-beliebige Seiten auf. Dann halte man wireshark an und sehe sich die Endpunkte an. Schon wenige beliebige Seiten verbinden einen mit hunderten Servern. Auf die Art und Weise wird nebenbei immer mehr Bandbreite der Internet – Nutzer für nichts und wiedernichts verschleudert.

    Wenn man Opera verwendet und die VPN einschaltet, gibt man dem Browser-Hersteller Exklusivrechte an seinen Daten. :-) Opera hat nebenbei auch einen uBlock Werbeblocker gleich eingebaut. Wer Facebook- und Twitter-affin ist, kriegt beim Opera besonders leicht einzurichtende Zugänge mitgeliefert.

    Um sich halbwegs anonym im Netz zu bewegen, müsste man Tor mit hoher Sicherheitsstufe benutzen, dann bekommt nur die NSA die Daten. Das ist auf jeden Fall besser, als wenn jeder zweit Halbaffe den Nutzer besser kennt, als der sich selbst. Denn genau darauf läuft der „Datenreichtum“ hinaus. Was kommt dabei raus? Gigantische Rechenzentren mit unglaublicher Speicherkapazität und sonst rein garnichts. Denn die Internetkonzerne melden zwar unglaubliche Werbeeinnahmen, aber das passt hinten und vorne nicht zu den Gewinnen der Werbung treibenden Konzerne. Insofern erleben wir gerade eine Internet-Blase 2.0, zum Teil sogar staatsfinanziert.

    Die „Zinsen“ sind ja sooo niedrig, das nutzt Rentner(in) Müller, Hartz IV – Enpfänger(in) Maier oder Tage- und Billiglöhner(in) Schulze garnichts. Otto Normalverdieners Lohnanstiege werden von den hochgetriebenen Mieten und Nebenkosten, sowie Benzinpreisen und Steuern komplett aufgefressen. So ist „Wachstum“ des BIP nicht mit Wohlbefinden der übergroßen Mehrheit zu verwechseln. Deshalb gibt es Trump und Brexit als Einleitung größerer Verwerfungen.

  5. So ein Blödsinn. Was hat Tracking mit Datenschutz zu tun. Da werden überhaupt keine personenbezogenen Daten erhoben. Eventuell sollte der Autor sich mal darüber informieren, inwiefern Tracking, das Setzen von Cookies und die daraus resultierende Logik in der Ansprache eines Konsumenten etwas mit dem Einbruch in die Privatsphäre zu tun haben. Ein Scheiß Retargeting a la Zalando ist einfach nur der Dummheit oder Gier des Bediener zuzuorden, aber ebenfalls hat das nichts mit Datenschutz zu tun. Die ePrivacy spielt ausschließlich Facebook, Google und Co. in die Hände. Super.

    1. den letzten Vorwurf höre ich immer wieder und finde dazu keinerlei kritische Berichterstattung. behauptet wird hingegen, dass Google und Facebook zusammen mit den Verlagen massiv Lobby-Front gemacht haben gegen e-privacy.
      Was denn nun?

  6. Ich sehe hier nur Menschen reden, wie in der tagesaktuellen Innenpolitik auch. Keiner kennt sich wirklich aus, keiner hat Interesse für das Detail. Wieso setzt man sich nicht mal mit der Gegenseite wenigstens 5 Minuten distanziert auseinander? Aber für eine weitgehend objektiv argumentativ geführte Diskussion reicht es intellektuell immer seltener. Es gibt selbst im „aufgeklärten“ Internet nur noch Rechts und Links und eine Hand voll Ableger.
    Freilich gibt es im Internet viel Müll mit vielen Cookies und Popups. Der mündige Internet-Nutzer umgeht dies allerdings.
    Freilich gibt es Internetseiten rein für kaufbereite Menschen, um die Komission abzugreifen. Der mündige Internet-Nutzer sortiert irrelevante Informationen aus.
    Warum habe ich absolut kein Problem mit der aktuellen Situation im Internet, manche greinen sich aber die Seele aus dem Leib? Jeder Pfosten kann sich selber aussuchen, welche Dienste er online nutzen will. Was, denkt ihr eigentlich, wird besser? Freilich, lassen wir uns wieder schön entmündigen.. Und Werbung wird wieder unpersönlicher und weit aufdringlicher… Schonmal Fernsehen geschaut??
    Ach und die Kleingeister, die meinen, das Internet wieder richtig nutzen können zu wollen.. ihr denkt nicht wirklich, dass all die kostenfreien, barrierefreien Informationen und Geistesbereicherungen weiter vorhanden sein werden, wenn es keine simplen Monetarisierungsmöglichkeiten mehr dafür gibt?! Viel Spaß mit Wikipedia & Co.
    Ich versteh auch nicht, wieso jeder uninteressante Otto Angst um seine anonymisierten Halbdaten hat. Was er Amazon gibt, da hat er selbst aktiv zugestimmt (als mündiger Otto). Aber wenn er jetzt Halbaffen ins Visier nimmt, dann sollte er sich vielleicht eher um Ganzkriminelle sorgen; denn die werden auch an seine Daten kommen, wenn das Gesetz es nicht will – solange er sich nicht adäquat schützt. Da hat Otto meiner Meinung nach nur halb gedacht.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.