Der Spion in der Hosentasche: Weiterhin viel Überwachung von Mobiltelefonen durch Bundesbehörden

Das BKA hat im ersten Halbjahr fast jeden Tag eine Funkzellenabfrage durchgeführt. Das geht aus einer aktuellen Statistik des Bundesinnenministeriums hervor. Der polizeiliche Einsatz von IMSI-Catchern steigt wieder an. Zahlen zum Bundesverfassungsschutz und dem Zoll werden jedoch verschwiegen.

Mobilfunkgeräte können nicht nur über die Funkzellenabfrage überwacht werden. CC-BY 3.0 Ikar.us

Wie oft nutzen das Bundeskriminalamt (BKA), die Bundespolizei, der Zollfahndungsdienst sowie das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) ein Mobiltelefon als Spion in der Hosentasche? Das fragen die linken Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko und Jan Korte mittlerweile regelmäßig ab. Die Anfragen werden durch das Bundesinnenministerium beantwortet.

Versand stiller SMS beim BKA nimmt zu

Sogenannte stille SMS werden auf dem Handy der EmpfängerInnen nicht angezeigt. Sie erzeugen jedoch Verbindungsdaten, die unter anderem den ungefähren Standort des Geräts protokollieren. Ermittlungsbehörden können die Daten anschließend mit richterlichem Befehl von den Mobilfunkbetreibern abfragen und dadurch Bewegungsprofile erstellen.

Im letzten Halbjahr nahm der Versand stiller SMS beim BKA deutlich zu, beim Verfassungsschutz und der Bundespolizei aber wieder ab. Der bereits im vorangegangenen Halbjahr zu beobachtende Rückgang bei der Bundespolizei ist vielleicht auf den Abschluss eines Ermittlungsverfahrens zum Nachteil der Deutschen Bahn zurückzuführen. Dies hatte das Bundesinnenministerium in der Antwort auf eine andere Anfrage mitgeteilt.

Die Zahlen zu den einzelnen Überwachungsmaßnahmen müssen mit der Zahl der betroffenen Personen und Ermittlungsverfahren ins Verhältnis gesetzt werden. So kann beispielsweise die Zahl von stillen SMS deutlich zurückgehen, aber trotzdem mehr Personen betreffen. Leider lässt sich hierzu keine Aussage machen, da die Anzahl überwachter Personen oder Ermittlungsverfahren nicht statistisch erfasst wird. Ebenfalls unbeantwortet bleibt die Frage, ob die Maßnahmen überhaupt Erkenntnisse liefern, die zur Aufklärung von Straftaten bzw. Gefahren beitrugen.

Geheimniskrämerei um technische Fähigkeiten

Schließlich bleiben viele Fragen zu den technischen Fähigkeiten ebenfalls geheim oder werden nach intransparenten Erwägungen mal mitgeteilt, mal verschwiegen. Erst in 2015 machte das Bundesinnenministerium bekannt, dass das BKA (wie beispielsweise Hamburg) den Versand von stillen SMS nunmehr „als integrierte Funktion in der TKÜ-Anlage“ selbst durchführt. Bis dahin wurde eine Anlage des Landesamts für zentrale polizeiliche Dienste (LZPD) des Landes Nordrhein-Westfalen genutzt. Bei der Bundespolizei dürfte das Informations- und Kommunikationstechnikzentrum (IKTZ) mit Sitz in Potsdam für die Durchführung zuständig sein.

Weiterhin ist nicht bekannt, inwiefern der Bundesnachrichtendienst (BND) stille SMS einsetzt. So hatte der Rechercheverbund aus NDR und Süddeutscher Zeitung berichtet, dass dieser die Maßnahme in Amtshilfe durch andere Behörden nutzt, ohne das Parlament darüber zu informieren. In einem Mailwechsel habe dem Medienbericht zufolge ein BND-Mitarbeiter darum gebeten, dies bei der Beantwortung einer Anfrage nicht zu erwähnen. Die Bundesregierung bestreitet den Sachverhalt.

Funkzellenabfragen gewöhnlich Ländersache

Mithilfe der nicht-individualisierten Funkzellenabfrage kann ermittelt werden, welche Mobiltelefone sich zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer bestimmten Funkzelle aufgehalten haben. Die Behörden erhalten dann die Verbindungsdaten (Gerätenummern und Telefonnummern). Anschließend können Daten zu den BesitzerInnen der Telefone abgefragt werden.

Funkzellenabfragen der Bundespolizei wurden früher nicht ordentlich protokolliert, bis Mitte 2015 sollen sie „weniger als 50“ betragen haben. In der Statistik sind sie deshalb mit dem Wert 49 angegeben.

Sehr auffällig ist der diesjährige Ausreißer mit 149 Funkzellenabfragen beim BKA, wofür wir auch keine Erklärung haben. Möglich wäre, dass das BKA in einem einzelnen Verfahren besonders viele Maßnahmen durchführt. Funkzellenabfragen werden auch in Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof (GBA) angeordnet, dieser beauftragt damit das BKA. Ein solches Verfahren waren die zahlreichen gleichzeitigen Sabotageakte auf Signalanlagen der Bahn vor dem G20-Gipfel.

Auch die Landeskriminalämter übernehmen Funkzellenabfragen für den GBA. Im letzten Halbjahr waren dies Bayern und Berlin sowie das Polizeipräsidium Bochum. Die allermeisten Funkzellenabfragen zur Aufklärung von Straftaten sind aber sowieso Ländersache. Auch dort nehmen die Zahlen stetig zu, wie eine Aufstellung für Berlin belegt.

Deutlich mehr Einsätze von IMSI-Catchern

IMSI-Catcher simulieren in der Nähe befindlichen Mobiltelefonen eine reguläre, starke Funkstation. Das Gerät bucht sich automatisch dort ein. Dadurch kann der Standort genauer berechnet werden. Auf diese Weise ist es etwa möglich herauszufinden, welche Mobilfunknummer zu einer bestimmten Person gehört. Technisch möglich ist auch, die Telefone abzuhören. In früheren Antworten hieß es, diese Funktion werde von Bundesbehörden nicht genutzt.

Ab dem 2. Halbjahr 2014 werden für das BfV keine Auskünfte mehr zu IMSI-Catchern gegeben, ein Grund wird nicht genannt. Ähnliches gilt seit 2015 für den Zoll. Nur deshalb tauchen sie in der Statistik mit dem Faktor Null auf. Laut den Antworten verfügt die Behörde des Finanzministeriums über keine eigenen IMSI-Catcher (mehr?) und bedient sich der Amtshilfe anderer Bundes- oder Landesbehörden.

Für eine aussagekräftige Übersicht müssten also in allen Bundesländern ähnliche Anfragen gestellt werden. Das Gleiche gilt für den Generalbundesanwalt, der im 1. Halbjahr 2017 für den Einsatz von IMSI-Catchern Amtshilfe beim BKA sowie zahlreichen Landeskriminalämtern und Polizeipräsidien beantragte.

Quellen:

1. Halbjahr 2014
2. Halbjahr 2014
1. Halbjahr 2015
2. Halbjahr 2015
1. Halbjahr 2016
2. Halbjahr 2016
1. Halbjahr 2017

10 Ergänzungen

  1. Ähm…kann jemand etwas zu dem Link sagen? Sehe nur ich nicht den Zusammenhang zu dem obigen Artikel? Den ich im übrigen wieder einmal sehr interessant fand.

  2. Also ich habe mich heute positiv mit der Herausnahme der Simkarte und dem Zurücksetzen des Googleschnüffelphones begnügt und werde wieder analog durchs Leben wandeln. So kann man staatliche und fremdstaatliche Trumpschnüffelei fern jedweder Achtung von Persönlichkeitsrecht, Menschenrecht einfach deaktivieren, sozusagen manipulierend eingreifen ;-). Wird das BKA nicht gut finden, aber was soll man machen. Sind doch alle frei in unseren Entscheidungen, nicht wahr? Selbstbestimmtheit und weitere wertvolle Tugenden sind doch jederzeit willkommen in unserem demokratischen Rechtssystem. Da würde doch niemand auf die Idee kommen, diese tollen Errungenschaften abschaffen zu wollen oder sich in die Selbstbestimmtheit des Individuums einzuklinken?

    1. Berufliche Erreichbarkeit ist das Eine, aber wieso musst du für Freunde immer erreichbar sein? Hältst du dich für so wichtig?

      1. Jedenfalls nicht so wichtig, als dass die Mehrheit des Freundeskreises sich die Mühe machen würde, eine Mail oder SMS aufzusetzen, um dann auch noch 8 Stunden auf eine Antwort zu warten.
        Tatsächlich verliert man ohne mobile Erreichbarkeit a la WhatsApp & Co heute sehr schnell den Anschluss.

    1. Stimmt, weil er schon fast vollendet ist!
      Dumm nur, das die meisten diese Form des „ertrinkens“ nicht mehr Bewusst mitbekommen und alle anderen, die noch in der Lage sind Bewusst zu „Schwimmen“, mit in die Tiefe ziehen!
      Im September wird es so weit sein!

      1. Das Kernproblem, ohne freie und vertrauliche Kommunikationsmedien gibt es keine gelebte Demokratie. Denn Systeme korrigieren ist nur dann möglich, wenn eine Gesellschaft objektiv und in der Breite informiert wird über Missstände und diese kommunikativ dagegen arbeiten kann, jene Missstände zu beheben ohne staatlicherseits dafür verfolgt, in ihrer Freiheit eingeschränkt zu werden. Hier ist insbesondere die Presse extrem wichtig.

        Dies ist im Bereich IT, ganz speziell Smartphones jedoch gar nicht der Fall / ungewünscht. Der Informierte weiß, dass auf einem Androiden alle Informationen des Nutzers in andere Staaten transferiert werden. Auch wenn der Nutzer keine APP startet läuft die als Backupfeature getarnte Datensammlung im Sekundentakt weiter. Dazu lauschen weitere fremde Staaten mit und haben es leicht, wenn das Mikrofon daueroffen ist, das nennt man aber nicht Abhörfunktion sondern Sprachassistenz. Will man das Teil rooten kann man sich bedingt der Probleme entledigen, allerdings ist auch eine SMS von quasi Jedermann lesbar. Diese ganzen TANs, die die Banken als SMS an ihre Kunden schicken sind hochgradig gefährlich, denn sie geben finanziell tiefe Einblicke zum Ziel / Empfänger. Warum Banken keine TANs an gut abgesicherte E-Mail-Konten transferieren bleibt ein offenes Geheimnis. Doch das wissen vielleicht 5% der Bevölkerung, nicht die Masse die in der Nebelkerze umherstolziert und allem was man erzählt blindes Vertrauen schenkt. Das ist der perfekte Nährboden für ein totalitäres System.

        Die Technologien sind für uns alle zukunftsweisend, doch der Mensch entwickelt sich derzeit eher zurück als weiter. Viel Unvernunft, Eitelkeit, Machtgeplänkel, militärisches Aufrüsten, Verfolgung von Kritikern, Journalisten usw. weltweit sorgen dafür, dass eine digitale FUNKTIONIERENDE Zukunft der Menschheit fraglich wird. Denn dazu müsste diese globale Technik politisch neutral arbeiten, wenn sie in globalen Dimensionen die Menscheit voranbringen möche, und sie müsste jene Kritik verarbeiten, nicht sperren / zensieren. Die Politik kann diesen ehemals innovativen Prozess somit jederzeit vollkommen zerstören. Jedes Überwachungspaket hemmt die innovativen Prozesse und die zukunftsweisenden Wege werden dadurch immer weiter eingeschränkt auf bekannte Größen, die nicht neutral agieren sondern politische Ziele verfolgen, wenn auch nur indirekt.

        Warum derart viel Unvernunft existiert ist schwer zu sagen, vielleicht sind wir einfach nicht in der Lage globalisiert und mit Weitblick zu denken und zu handeln.

        1. Wir sind letztendlich mehr oder minder Bequem geworden, ich mag auch nicht mehr auf das Internet in der Hosentasche verzichten!
          Es ist auch nicht leicht ständig gegen die Bequemlichkeit des Umfeldes anzukämpfen, Freiheit möchte verdient und mit etwas Energie erhalten werden, diese in ihrer Gesamtheit geringe Energie, müssen immer weniger Menschen aufwenden, da die Mehrheit sich diese Energie spart!

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.