Dauerfeuer gegen das Grundgesetz – so treibt die Große Koalition das Land in den Überwachungsstaat

Bis zum bitteren Ende baut die große Koalition den Überwachungsstaat aus. Eine umstrittene Ausweitung wie den Staatstrojaner versteckt sie mittlerweile sogar in einem anderen Gesetz, damit es keine Debatte gibt. Ein Kommentar.

Dauerfeuer gegen das Grundgesetz (Symbolbild) – CC0 Arny Mogensen

Mit einem heftigen Überwachungsgesetz wird die große Koalition ihre Regierungszeit abschließen: Vollkommen an der öffentlichen Debatte vorbei und gegen alle Urteile des Bundesverfassungsgerichts wird sie eine massive Ausweitung von staatlicher Spähsoftware beschließen. Was nur für den äußersten Notfall und schwerste Verbrechen wie Terrorismus gedacht war, soll jetzt zum Standardinstrument der Ermittler werden. Handys und Computer aufknacken, private und intimste Daten abgreifen – und dabei die IT-Infrastruktur insgesamt unsicher machen. Die Ausweitung des Staatstrojaners ist das krasseste Überwachungsgesetz der Legislaturperiode. Es kommt versteckt in einem ganz anderen Gesetz, damit erst gar keine politische Debatte darüber entsteht.

Als wäre das nicht genug, schwebt weiterhin das Damoklesschwert des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes über der Presse- und Meinungsfreiheit im Netz. Das Hate-Speech-Gesetz von Maas wird schon jetzt fast einhellig als Fall für Karlsruhe gehandelt.

Das Land in den Überwachungsstaat treiben

Die Liste der grundrechtsfeindlichen Gesetze dieser großen Koalition ist lang: Von der Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung über die Erweiterung der Befugnisse des Bundesnachrichtendienstes bis zur Ausweitung der Videoüberwachung hat diese Regierung wenig ausgelassen, was dieses Land weiter in den Überwachungsstaat treibt. Die Budgets der Geheimdienste erhöht und ihre Unkontrollierbarkeit versteckt ausgebaut. Den Diensten nebenbei vollautomatischen Zugriff auf die Passbilder aller Bürger gewährt und die massenhafte Handydurchsuchung für Flüchtlinge eingeführt. Mal von der Speicherung der Fluggastdaten aller Bürger ganz zu schweigen.

Der Hunger ist damit nicht gestillt. Die düsteren Träume der Hardliner gehen immer weiter: Vorratsdatenspeicherung für Postsendungen, Erfassung aller Reisebewegungen, Gesichtserkennung im öffentlichen Raum, Fußfesseln für alle möglichen möglichen Täter, Verknüpfung von Geheimdiensten, Polizei und Datentöpfen aller Art. Garniert mit dem gerade eingeübten Einsatz der Bundeswehr im Innern und Gesetzen, die Ordnungshütern nach obrigkeitsstaatlichen Vorbild eine Sonderrolle zuweisen, wird unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung und mit Verweis auf ein subjektives Unsicherheitsgefühl mittlerweile alles gerechtfertigt. Ohne Augenmaß. Und ohne jeglichen Beweis von Effizienz und Wirksamkeit.

Die letzten vier Jahre waren Dauerfeuer gegen das Grundgesetz und sind eine DDos-Attacke gegen das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Kaum auszudenken, was es für die bundesrepublikanische Demokratie bedeuten würde, wenn die Koalition aus Union und Sozialdemokraten nach der Bundestagswahl weitere vier Jahre Raubbau an Grund- und Freiheitsrechten betreiben dürfte. Dystopische Aussichten – mal ganz abgesehen davon, welche Instrumente dieser mittlerweile gut ausgebaute Überwachungsstaat für die Profiteure eines populistischen Rechtsrucks bereithalten würde.

 

Auswahl an Überwachungsgesetzen und -maßnahmen des Jahres 2016. - CC-BY-NC 4.0

 

31 Ergänzungen

    1. Auf jeden Fall nicht CDU und SPD. Und auch nicht AfD, denn die wollen ja Grundrechte und Datenschutz nur für Deutsche und sind sowieso nicht glaubwürdig in Sachen Bürgerrechte.

    2. …wüsste ehrlich gesagt nicht wen oder was.
      Für mich sieht das schon länger in etwa so aus:

      ParteienBlubb
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      Y
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      [Modulare HighTech Diktatur]

    3. B: Die Linke? Wärn doch grad die einzigen, die nicht so nen Haufen Dreck an anti-sozialer, anti-demokratischer Politik vertreten.
      A: Jaachnee, echt so nen paar Sachen und einige der Genossen gefallen mir nicht.
      B: Wie schneidet das denn im Vergleich zu den Präsenzparteien, den Grasfarbenen, den Altneoliberalen und den Nazis ab?
      A: Ja, aber die „Stimme“ ist doch vergeben, weil wählen ja eh nur nich genug.
      B: Im Ernst jetzt? Skaliert das Argument denn so?
      A: Und wenn das doch nicht klappt, dass die ausreichend WählerInnenstimmen bekommen, dann gibts wieder Groko oder CDU.
      B: Ja, und? Das ist doch den Versuch wert. Alles kann daneben gehen. Vor allem dann, wenn man es gar nicht erst versucht.
      A: Hach ich wünsche mir so was wie ne linke, demokratische und soziale Menschen- und nicht Industriefreundliche SPD zurück.
      B: Tja. Nee.

    4. JEDEN, ausser CxU, SPD, Grüne, FDP.
      Es gibt ca 30 Parteien, die sich zur Wahl stellen. Und das Argument „aber die haben ja keine Chance..etc.pp.“ ist Schwachsinn.

    5. Da die Bundeskanzlerin in devoter Haltung nur der Wirtschaft zugeneigt ist, sollte der mündige Bürger versuchsweise für drei Monate weitgehend seine elektr. Medien boykottieren. Nur die Finanzwirtschaft kann diese Frau durch ihre finanz. Verluste (Werbeeinbrüche) umstimmen. Bekanntlich setzt diese „Grande Dame“ auf Wachstum, Wachstum … Ich benutze bspw. nur für Transaktionen mein Cell-Phone, keine SocialNetworks wie Facebook, WhatsApp usw.

      Back to the roots!!! Was früher sehr gut klappte, klappt auch heute noch. Ich lebe beschwerdefrei ;-)

    6. Bündnis Grundeinkommen … die 1 Themen Partei … bringt die Gesellschaft voran :P
      Alle anderen Parteien haben den Nachteil das die ihre Meinung eh änder wenn sie an der Macht sind.

      Und mal ganz ehrlich … wieso sollte der Bürger sich nicht sein Stück vom Kuchen (oder Trog) abschneiden dürfen … machen unsere korrupten Eliten doch jeden Tag! ^^

  1. Okay, dann wähle ich die xxxxx-Partei, was aber leider nichts bringt, weil nur 12 andere für die xxxxx-Partei stimmen und die Mehrheit meiner Mitwähler erneut CDU und CDU2 wählen werden und damit die Große Koalition fortgeführt werden kann.

    1. Aufgeben bringt ja auch nix bzw. beschleunigt den autoritären Überwachungskapitalismus. Es braucht Protest!

    2. Genau. Und weil JEDER so denkt, kommen die kleineren Parteien auch NIE an die Macht. Die Gehirnwäsche hat hervorragend funktioniert.

  2. Es ist ein Wunder dass noch kein Politiker/in ein Verbot für VPN und Tor gefordert hat in Deutschland!

    1. Vielleicht wissen sie nicht, was das ist.

      Ne im Ernst: Verschlüsselungsverbot bzw. Hintertüren hatten wir jetzt schon einige Male im Gespräch.

    2. Weil das eine für Firmen gebraucht wird, auf die Politiker der etablierten Altparteien hören, und das andere viel zu wenig verbreitet ist.
      Warum ist von WhatsApp die Rede und nicht von Signal oder Theresa? Weil zu wenig verbreitet unter dem Volk ist. Das mag bei Verbrechern anders aussehen, aber gegen die richten sich die Gesetze.

  3. Wovor haben denn die Parteien zu große Angst, dass sie diese Maßnahmen beschließen?
    Es gibt eine alte Weisheit: Einbrecher haben die besten Schlösser.

    1. Ich glaube ein Teil des Problems ist, dass die Medien der Öffentlichkeit die ganze Zeit Angst vor Terrorismus schürt. Die Politiker denken sich dann, sie müssen den ganzen Kram in Richtung „Sicherheit“ mitmachen, damit sie nach dem nächsten Anschlag sagen können „an uns liegts nicht, wir wollten ja das und das machen, dann wär das nicht passiert“. Und so kommen immer neue Forderungen, die immer weiter gehen; es wird im Endeffekt schließlich nie ausreichen

      1. Die verlautbaren doch immer nur, dass die Attentäter bereits bekannt gewesen seien.

        Wann wird wohl dieser Halbsatz verboten?

  4. Nur aus persönlichem Schaden werden #Politiker, #Minister und #Parlamentarier klug.
    Der eingeschlagene Kurs zur Totalüberwachung von jedem und Allem wird nur dann als Falsch erkannt werden, wenn die oben genannten selbst die Auswirkungen zu spüren bekommen, weil sie wegen ihres persönlichen „Risiko-Scores“ nicht mehr reisen können, keinen Kredit mehr bekommen, überteuerte Versicherungspolicen bezahlen müssen, oder sich im besten Falle eine Ransomware einfangen, welche alle ihre persönlichen Daten statt zu verschlüsseln auf einen Wikileaks oder anderen öffentlich einsehbaren Server hochlädt…

  5. Liebe Netzpolitik.org Betreiber,

    plant ihre eine Verfassungsbeschwerde eventuell auch mit einstweiliger Verfügung?

    Wie kann man euch unterstützen?

  6. Besonders markant finde ich dass ab 1. Juli 2017 Ausweispflicht für SIM-Kartenkauf und -freischaltung besteht. Bereits in der Vergangenheit sind entsprechende Bestandsdaten gestohlen worden. Über die nur notdürftig bzw. unzureichend geschlossene SS7 Sicherheitslücke lassen sich alle Mobiltelefone abhören, von jedem Ort der Welt. Die organisierte Kriminalität und Geheimdienste haben nun folgende Möglichkeit:
    1. Schritt: Bestandsdaten stehlen
    2.Schritt: gesuchte Person ermitteln
    3. Schritt: Person abhören.

    Nun sind russische Dissidenten, chinesische Dissidenten oder sonstige politische Flüchtlinge die bisher die Anonymität von Prepaidkarten nutzten, sicher. Auch eventuelle Tippgeber aus kriminellen Mileus für die Staatsanwaltschaft und Journalisten haben weniger Möglichkeiten.

    1. Korrektur: Natürlich war gemeint: Die genannten Personengruppen (Dissidenten etc.) sind nicht mehr sicher (vor Abhören).

  7. Ich versteh die Diskussion nicht. Dass wir in einem Überwachungsstaat leben, dürfte der letzte begriffen haben. Wir (als Bürger) haben die Möglichkeiten, und in einzelnen Fällen der Überwachung zu entziehen. Das Problem sind die Abwiegler in Politik, Presse und Medien und der Öffentlichkeit. Was wir brauchen, ist der Gegenschlag. Die totale Überwachung der „Mächtigen: Regierungen, Unternehmer, Politiker, Beamte, der komplette Staat. Die Infrastruktur dazu gibt es theoretisch. Aber es fehlt an der praktischen Umsetzung; besser: schon allein am Gedanken daran. Man muss unten Anfangen. Beim Busfahrer des öffentlichen Verkehrsunternehmens bis zur Kandesbunzlerin. 24 h in Bild und Ton. Aussonderung aus allen Vereinigungen, die nicht staatlich oder ein Unternehmen sind. Jedem Politiker, jedem Unternehmer sind zwei Personen zuzuordnen, die sie rund um die Uhr überwachen. Telefonate, die Bedienung eines Computers, Gespräche mit einer oder mehreren Personen…einfach alles. Besonders die Finanzdaten: Entgegennahme von Geld, Zahlungen, Zahlungsweisen, Empfänger müssen notiert werden. Alles an von den Bürgern, die nicht Staat oder Unternehmer sind, gesammelten Daten über Politiker, Beamte, Unternehmer sind zu veröffentlichen und jedermann in einer Datenbank öffentlich zur Verfügung zu stellen. Der total überwachte Staat von unten. Wer sich dem widersetzt und nicht mitmacht, also sich gegen Transparenz ausspricht, muss gesondert behandelt werden.

  8. Um es nochmal klar zu sagen: Wir brauchen die 100%ige Überwachung und öffentliche Dokumentation bei Staat, Justiz, Wirtschaft, Polizei, Verwaltung. Sozusagen den total überwachten Staat von unten. Vollständige Transparenz von unten.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.