Bundestagsdebatte: Maas findet sein Hate-Speech-Gesetz gut, alle anderen wollen Änderungen

Der Bundestag hat das Netzwerkdurchsetzungsgesetz debattiert. Während Justizminister Maas sein Gesetz verteidigte, gab es Kritik und Änderungswünsche – auch aus den Reihen der großen Koalition.

Bundesjustizminister Heiko Maas (Archivbild) CC-BY-SA 2.0 JouWatch

Der Bundestag hat in erster Lesung das Netzwerkdurchsetzungsgesetz beraten. In der lebhaften einstündigen Debatte verteidigte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) seinen Gesetzentwurf. Hass und Hetze seien die wahren Feinde der Meinungsfreiheit, sein Gesetz verlagere die Rechtsdurchsetzung nicht auf Private.

In seiner Rede sprach der Minister von Volksverhetzung und Morddrohungen. Das NetzDG in seiner bisherigen Form listet aber mehr als 20 Straftatbestände auf, von denen viele überhaupt nichts mit Äußerungsdelikten zu tun haben. Laut Maas würden Bußgelder auch nur verhängt werden, wenn es systematische Verletzungen beim Beschwerdemanagement gäbe und nicht in Einzelfällen. Im Gesetzestext ist dies jedoch bislang nicht so verankert.

Union: Löschentscheidung soll nicht beim Unternehmen selbst fallen

Auch von Seiten des konservativen Koalitionspartners gab es Kritik am Gesetzentwurf. Alle Rednerinnen und Redner der Union beklagten unisono die wenig verbleibende Zeit bis zur Sommerpause und forderten, dass die Löschentscheidungen durch eine Instanz der „regulierten Selbstregulierung“ getroffen werden sollten. Das würde bedeuten, dass nicht die einzelnen sozialen Netzwerke über Löschungen entscheiden, sondern eine Institution, beispielsweise die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Dienstanbieter (FSM), die dafür von den sozialen Netzwerken mit Geld ausgestattet würde. Im Gesetzentwurf ist diese Variante allerdings bislang nicht vorgesehen und es bleibt unklar, ob eine solche Änderung nicht ein neues Notifizierungsverfahren bei der EU nötig machen würde.

Der Unionsabgeordnete Hansjörg Durz forderte eine Konkretisierung der Definition, wen das Gesetz betreffe. Andererseits stellte er die bislang im Gesetzestext enthaltene Schwelle von zwei Millionen Nutzern in Frage, weil diese zu hoch sei, um bestimmte gesellschaftlich relevante Plattformen abzudecken. Um welche es sich handle, ließ er offen. Sowohl Durz wie seine Kollegin Elisabeth Winkelmeier-Becker konnten sich verbale Attacken auf die „Anonymität im Internet“ nicht verkneifen, ein schon lange beliebtes Thema bei der Union, das nun mit dem im NetzDG enthaltenen Klarnamen-Internet durch die Hintertüre angegangen werden soll.

SPD will den Richtervorbehalt und Konkretisierungen im Gesetzestext

Die Abgeordneten der SPD sprachen sich gegen einen zivilrechtlichen Auskunftsanspruch ohne Richtervorbehalt aus. Der Auskunftsanspruch gilt vor allem als ein Wunsch der Union im Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Für die SPD sei der Richtervorbehalt „die rote Linie“, sagte dann auch der Sozialdemokrat Lars Klingbeil. Er forderte zudem eine Einschränkung des Auskunftsanspruches auf gewisse Straftatbestände. Klingbeil wünschte sich ferner eine Klarstellung im Gesetz, welche Unternehmen vom Gesetz betroffen seien. Bei der freiwilligen Selbstkontrolle hingegen signalisierte er Gesprächsbereitschaft gegenüber der Union.

Von Seiten der Opposition gab es scharfe Kritik am Vorhaben der großen Koalition. Petra Sitte (Linke) warnte davor, dass durch das Gesetz auch legale Inhalte im großen Stil gelöscht werden könnten. Die Definition, welche Netzwerke unter das NetzDG fallen, sei zu weit gefasst. Nicht einmal die Bundesregierung könne sagen, welche Unternehmen denn betroffen wären. Der zivilrechtliche Auskunftsanspruch könne gerade beim Themenfeld Hate Speech nach hinten losgehen, ein neues Betätigungsfeld für die Abmahnindustrie eröffnen und dazu führen, dass Rechtsradikale an die Adressen von antirassistischen Aktivisten gelangen könnten.

Gefährdung politischer Gegner durch Auskunftsrecht

Für die Grünen warnte Konstantin von Notz, dass das Gesetz Probleme nicht löse, sondern neue Probleme schaffe. Das NetzDG würde Anbieter in eine Richterrolle drängen. Problematisch sei auch das Auskunftsrecht, so von Notz: „Hier droht nicht nur ein schleichender Zensureffekt, sondern auch die digitale Bloßstellung und damit eine Gefährdung politischer Gegner – übrigens auch für alle Kritiker von AfD oder Erdogan!“ Notz kritisierte auch, dass die Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren nicht einmal Stellungnahmen der Zivilgesellschaft abwarte. Doch genau dort gebe es einhellige und breite Kritik. Auf diese verwies auch seine Fraktionskollegin Renate Künast, die in der Vergangenheit eher mit weitgehenden Löschforderungen aufgefallen war: „Der Gegenwind von allen Seiten sollte zu denken geben“. Sie beklagte zudem eine Engführung des parlamentarischen Verfahrens beispielsweise durch den Zeitplan und die EU-Notifizierung.

Eines ist nach dieser Debatte sicher: Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz ist alles andere als in trockenen Tüchern. Viel Zeit bleibt nicht, denn Ende Juni soll das Gesetz in zweiter und dritter Lesung vom Bundestag beschlossen werden. Wenn denn nichts dazwischenkommt.

Gegenwind von allen Seiten

Schon im Vorfeld der Debatte hatte es viel Aufregung um das umstrittene Anti-Hate-Speech-Gesetz gegeben. Erst hatte die SPD Änderungen angekündigt und war dann aber nur mit kosmetischen Kleinigkeiten angekommen. Am Donnerstagnachmittag erschien dann eine Pressemitteilung der CDU, die substanzielle Änderungen am Gesetz und dem Gesetzestext forderte. Bei den Rechtsaußen-Gegnern des Gesetzes wie der AfD und Alternativmedien wie „Tichys Einblick“ hatte dies Begeisterungsstürme ausgelöst, dass die Union nun das Gesetz kippen würde. Das hat sich in der heutigen Bundestagsdebatte eher als Wunschdenken herausgestellt.

Gleichzeitig wird das Gesetz von einem ungewohnt breiten gesellschaftlichen Bündnis kritisiert. Wirtschaftsverbände laufen gemeinsam mit netzpolitischen Vereinen und Bürgerrechtsorganisationen in einer „Allianz für die Meinungsfreiheit“ seit Wochen Sturm. Das Bündnis wandte sich gestern noch einmal in einem Schreiben an die Fraktionsvorsitzenden von CDU/CSU und SPD, an die Mitglieder des Rechtsausschusses sowie an den Vizepräsidenten der EU-Kommission und warnte vor dem gesetzgeberischen Schnellschuss.

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16 Ergänzungen

  1. Täglich grüßt das Murmeltier. Wie gehabt wird ein, jedem gesundem Menschenverstand widersprechender Gesetzesentwurf vorgelegt, der sämtliche Maximalforderungen enthält. Nach dem Ritt durch den Bundestag wird anschließend ein in homöopatischen Dosen „verbesserter“ Entwurf Nachts kurz vor 24 Uhr vor leeren Rängen von 3 – 4 Parteihanseln beschlossen. Punkt.

    Solange dieses sich selbst erhaltende System aus CDU/CSU/SPD/FDP/GRÜNE/LINKE installiert bleibt, wird sich nichts ändern. Es ist wird Zeit für etwas NEUES (ich spreche hier nicht von der AfD). Frankreich und Österreich machen es vor.

    1. So sehr ich mich (nicht nur als Österreicher) über den Wahlsieg von van der Bellen gefreut habe, würde ich die österreichische Politik nicht unbedingt als Blaupause weiterempfehlen.

      1. @Tomas Rudi
        Bei der Nationalratswahl 2013 waren so viele Rechtsausleger und dunkelbeige Parteien am Start und auch leider erfolgreich,dass man den Österreichern jegliche Aufarbeitung der NS Zeit absprechen konnte.Tendenz 2017 leider noch negativer.
        Ein Musterbeispiel an Weltoffenheit und Demokratie ist Ösiland wahrlich nicht,nicht von ungefähr ist Österreich das Mekka der Psychologen, Psychotherapeuten…,denn dort haben die Wissenschaftler jede Menge Probanden um sich und können bei ihren Studien vollkommen aus dem Vollen schöpfen.

    2. Day 1 Patches und DLCs sind ja inzwischen eher Norm als Ausnahme und da will die Politik natürlich nicht nachstehen.

      – übrigens auch für alle Kritiker von AfD oder Erdogan!“ – übrigens auch für alle Anhänger von AfD, Erdogan, Trump, Schariah und Diskriminierungsfreiheit

  2. Immer wenn Ich Herrn Maas sehe, erinnert mich das Bild an J.Göbbels!
    keine Ahnung wieso der dem so ähnlich sieht?

    1. “ ….erinnert mich das Bild an J.Göbbels!“

      Kritik ja; auch zugespitzt. Aber Deinen Vergleich empfinde ich als „unterste Schublade“. Vielleicht hast Du die Grösse, Dich zu entschuldigen. Wäre angemessen.

      1. Appeasement? Wann hatten wir zuletzt, vor den Maas Gesetzen, in Westdeutschland so viel gesetzlich erlaubte staatliche Spitzelei und Zensur?

        Denk mal darüber nach.

      2. Wie kann einem im Zusammenhang mit Herrn Maas noch so ein Wort wie „angemessen“ in den Kopf kommen?

        Die Assoziation ist vielleicht kein guter Stil. Könnte/sollte aber eher dazu anregen, wie es dazu kommen kann.

        Meine Assoziation bei diesen Leuten ist z.B. die, daß ich sie nächtens auf feuchten Laken sehe und mich frage, warum denen keiner Windeln umbindet.

  3. Karl-Theodor zu Guttenberg ist in einem Berliner Café von linken Aktivisten mit einer Torte attackiert worden. Kann das keiner auch mal mit diesen Bundesjustizminister Heiko Maas machen?

    1. Was soll das bringen?
      Dann fühlt der sich doch nur noch mehr bestätigt in seinem Handeln.
      Der Mann ist schlicht kriminell. Genauso wie die gesamte Regierung. Aber da niemand auch nur in Erwägung zieht, diese Regierung restelos zu entfernen, wird sich auch nichts ändern. Was sagt die Sonntagsfrage? Knapp 40% für die Rautenfrau? Da ist doch alles gesagt. Die SPD kommt langsam an die Position, an die sie gehört, aber wieso bitte CDU? Andererseits: Wieso nicht CDU? Wen den sollst? Die FDP? *lach*
      Es gibt einfach keine Partei, die sich wählen lässt. Und ein Blick ins Wahlprogramm zeigt, wohin der Hase hüpft: Mehr Überwachungsgesetze. Mehr „Sicherheit“. Bedeutet: All die ganzen Gesetze, die jetzt im Schnelldurchlauf durchgeprügelt wurden, werden in der kommenden Legislaturperiode verschärft werden.
      Und der Maas ist da mittendrin.

      Wie soll man dem beikommen? Ich bin ziemlich ratlos.
      Dauert nicht mehr lange, dann überholen wir Großbritannien mit ihrem Überwachungswahnsinn laut johlend mit Licht- und Akkustikhupe auf der rechten Spur.

      Denn das habe ich von Deutschland gelernt:
      Überall wo Bürger entrechtet werden, kommen die Deutschen und „perfektionieren“ diesen Wahnsinn, in dem sie noch einen oben drauf setzen.

      Der Bürger hat nichts davon, er ist nur das Opfer dieser Politik. Und auch noch dämlich genug, dass er für all die Überwachung noch selbst zahlt. Denn schließlich wird der Irrsinn aus unseren Steuergeldern finanziert, während die Armen immer ärmer werden und statt anständiger Sozialpolitik lieber Panzer gekauft werden.

  4. Dass dieses Gesetz kompletter Blödsinn ist, dürfte partei- und unternehmensübergreifend Konsens sein. Nur der deutsche Bundestag zeigt sich (wie immer) lernresistent. Maas als „Jurist“ sollte wissen, dass vor der Löschung eines Kommentars theoretisch ein Richter feststellen müsste, dass der Kommentar gelöscht werden muss. Aber in einem Land, in dem man irgend eine AfD-Tante als Nazi-Schlampe bezeichnen darf wundert einen wirklich nichts mehr. Darf man die Mitglieder des deutschen Bundestages auch als einen Haufen grenzdebiler Vollidioten bezeichnen? Oder wäre das etwa hate, und damit zu löschen?

    Bei so einem Gesetz kann man sich wirklich nur an den Kopf fassen. Da kann es nicht um „Änderung“ gehen, das Gesetz ist völliger Unsinn. Von einem „Voll…sten“ verzapft, der hat sein Staatsexamen bestimmt am Stammtisch ausgewürfelt. Wir haben ja schon so manche Gesetzesblüte erlebt, aber dieses Ding ist die Krönung. Da fühlt man sich schon fast so wie in Nordkorea, China oder Putins gelenkter „Demokratie“. Also völlig vom Denken befreit.

  5. Ich bin empört – was sind das für A N M A S S U N G E N !!! Ich bin Jahrgang 1963 – im Westen sozialisiert – aus gutem bürgerlichem Haus – studiert – und ich und meine Generation hätten uns so eine unmögliche politische Entwicklung in unserem Land nie und nimmer träumen lassen – wo bleibt unsere
    F R E I H E I T ???
    Gibt es in Deutschland nur noch Bevormundung und Gesetze die wir als mündige Bürger unseres Landes ertragen sollen ???
    Ich glaube fest daran und hoffe das sich da einige Personen sehr verrechnet haben !!!!

    1. Glauben kannst Du in der Kirche.
      Die Realität kannst Du jeden Tag in der Zeitung lesen.
      Das ist noch lange nicht das Ende, da kommt noch viel mehr.
      Als Maas die Nackedeis zu Pornos umdiffamierte, haben wir alle geschwiegen. Denn niemand interessiert sich für Nackedeis. Bereits dort hätte man ansetzen müssen. Und trotz massiver Kritik kam das Gesetz ohne Probleme durch.
      Und seitdem ist der Mann auf Tournee. Demnächst dreht er dann die zweite 4-Jahres-Runde. Und wenn nicht er, dann machts ein anderer. Wir werden noch viel mehr schwammige Gesetze erleben, die willkürlich gegen jeden angewandt werden kann. Der soziale Frieden wird massiv gestört, aber das scheint nur noch wenige zu tangieren, denn Jeder ist sich selbst der Nächste.

      Und wenn dann einer fällt, dann ist das Geschrei groß, nutzt aber nichts. Denn wen das Regime im Fadenkreuz hat, der wird aus der Herde selektiert, allein gestellt und dann auf allen Ebenen abgeschossen. Ob da ein schuldhaftes Verhalten dabei war oder nicht, spielt keine Rolle. Denn das Praktische dabei: Es hört ohnehin niemand mehr zu.

      Und unsere Hirten legen ihr Kostüm immer deutlicher ab und wir erkennen, dass es sich um den reissenden Wolf handelt, um das ganze „liebevoll“ in Metaphern zu umschreiben.

      Wir brauchen Menschen in der Regierung.
      Das würde bedeuten, wir müssten nahezu alle Profiteure aus den Landtagen, Bundestag und Bundesrat abwählen. Aber, das reicht noch lange nicht. All die Lobbyisten und die ganzen Behördenköpfe müssten ebenso weg. Denn die treiben das Ganze maßgebend voran. Nur die Regierungsköpfe austauschen bringt nichts. Aber dieser Teil der Wahrheit würde die Bevölkerung verunsichern. Also wegschauen und weitermachen… bis in den Abgrund.

  6. „Hass und Hetze seien die wahren Feinde der Meinungsfreiheit“

    Dem halte ich entgegen:
    „Maas und De Maizere sind die wahren Feinde der Bürgerrechte und tatsächlichen Terroristen unserer freiheitlichen Grundordnung.“

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.