Berliner SPD: Unrechtmäßige Videoüberwachung vor Parteizentrale

Rund zwei Jahre lang betrieb der Berliner Landesverband der SPD eine Videoüberwachungskamera an ihrer Parteizentrale in unlauterem Umfang: Sowohl der Bereich der Bilderfassung sowie die Speicherdauer von zehn Tagen überschritten das rechtlich zulässige Maß.

Videoüberwachungskamera an Berliner SPD-Zentrale

Anlässlich der Beschwerde eines Anwohners setzten sich Mitarbeiter der Berliner Datenschutzbeauftragten mit der Videoüberwachung der SPD am Kurt-Schumacher-Haus in Berlin-Wedding auseinander. Aus einer Stellungnahme des Landesverbandes, samt Screenshot, gehe hervor, dass der gewählte Bildausschnitt eine „weiträumige Erfassung des gesamten Bürgersteigs vor dem Gebäude“ darstellt und damit zu groß ist.

Aufgrund von wiederkehrenden Vorfällen wie eingeworfenen Scheiben und Farbschmierereien sei die Videoüberwachung nach Einschätzung der Datenschutzbeauftragten grundsätzlich gerechtfertigt. Gemäß des sog. Dussmann-Urteils des Amtsgerichts Berlin-Mitte von 2003 hätte aber der Erfassungsbereich auf maximal einen Meter vor der Hausfassade reduziert werden müssen.

Speicherdauer zu lang

Die Bilddaten wurden nach Angaben der SPD für circa zehn Tage gespeichert – „deutlich zu lang“ urteilte die Landesbehörde. Sie teilte der SPD mit, dass für die genannten Zwecke eine Speicherdauer von drei Tagen ausreichend ist. Laut Bundesdatenschutzgesetz sind Daten aus der Videoüberwachung „unverzüglich zu löschen“, wenn sie nicht mehr für die Zweckerfüllung erforderlich sind.

Die Datenschutzbeauftragte attestiert, dass die Videokamera offensichtlich einen abschreckenden Effekt habe, denn seit ihrer Installation wurde keine Sachbeschädigung mehr festgestellt. Sie kommt aber damit auch zu dem Schluss, dass die Kamera wieder abgeschaltet werden müsste; Wenn über einen längeren Zeitraum („circa ein Jahr“) auch künftig keine Vorfälle mehr festgestellt werden, sei der ursprüngliche Überwachungszweck nicht mehr gegeben.

Hinweisschild auf Fußhöhe

Passanten werden durch ein Hinweisschild an der Tür auf den Umstand der Videoüberwachung hingewiesen. Dieses befindet sich allerdings in Fußhöhe. Die Behörde hat der Partei empfohlen, es auf Augenhöhe anzubringen und zudem so, dass es Betroffene auch vor Betreten des Erfassungsbereichs erkennen können.

Die Kamera wurde nach Angaben der SPD im Januar 2015 installiert. Der Blickwinkel der Kamera hat sich seit der Eingabe der Beschwerde im Juni 2016 bis zum heutigen Tage nicht geändert – allerdings dürfte eine Reduktion des Bildausschnittes auch mittels Software realisiert werden, so der zuständige Sachbearbeiter der Datenschutzbeauftragten.

Die Berliner SPD diskutiert heute mit Linken und Grünen in einer Senatsklausur die Ausweitung von polizeilicher Videoüberwachung in Berlin – ein Vorstoß des neuen SPD-Innensenators Andreas Geisel.

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7 Ergänzungen

  1. Gilt dies auch für die S-Bahnen und Bahnhöfe. Sind ja alles private „Unternehmen“.
    Bitte Feedback und vielen Dank im Voraus.

    1. Ich denke es geht hier um öffentlichen Raum, die Straße. Wenn du einen Bahnhof betrittst ist das wohl rechtlich was anderes

  2. Ich finde Videoüberwachung ok, solange die Daten nur lokal (im selben Gebäudekomplex) gespeichert werden und die Videos nicht automatisch ausgewertet werden. (abgesehen von Bewegungseekennung). Ob die Kamera dann auch den Bürgersteig filmmt ist unerheblich finde ich.
    Ich sehe es erst dann als Problem, wenn viele Kameradaten zusammenlaufen und über die Daten Bewegungsprofile erstellt werden. z.B. an mehreren Bahnhöfen.
    Die Daten können schon da sein, aber eben nur lokal! Falls etwas passiert muss man sich die Aufnahmen halt holen!

    1. Das Problem damit ist die fehlende Nachprüfbarkeit. Es werden immer mehr Dinge sinnfrei und ohne jegliches Problembewusstsein ans Internet angeschlossen, auch Kameras. (schau mal auf http://www.insecam.org)

      Wieviele Rückschlüsse sich auch aus niedrigauflösenden Bildern ziehen lassen, wird spätestens mit Dingen wie Gesichtserkennung mittels neuronalen Netzen + Massendatenbanken und Mimikerkennung klar.

      Videoüberwachung gehört vor diesem Hintergrund IMHO komplett verboten. Ich weiß, das ist gegen den ängstlich-autoritären Zeitgeist, der selbst hier inzwischen durch die Kommentarseiten wabert. Ich stelle mich diesem Zeitgeist und prophezeie: ihr werdet über euer heutiges Bedürfnis nach „Sicherheit“ noch ganz anders denken, wenn erst einmal alle Daten verknüpft werden und ein für immer gespeichertes tägliches Bewegungsprofil von Behörden, Versicherungen, Auskunfteien oder – ja – Einbrechern gegen euch verwendet wird.

      Geht der Trend zum schäfchenhaften Beobachtetseinwollen so weiter, dann dürfte der Zeitpunkt an dem es echt problematisch wird selbst für den freigiebigsten Post-Privacy-Idealisten oder „Sicherheits“-Gläubigen in wenigen Jahren da sein.

      Gewalt wird es immer noch geben, Freiheit und Selbstbestimmung nicht mehr.

  3. Muss entfernt werden, weil seit einem Jahr nichts passiert ist“ Sehr lustige Argumentation, erst recht, wenn der DS-Beauftragte im selben Atemzug erwähnt, dass es wohl an der abschreckenden Wirkung der Kamera lag. Die sollen sie lieber mal dranlassen und auf einen Meter Sichtbreite beschränken. Da man das nun weiß, kann man den Molli, Farbbeutel oder was immer eben aus zwei Metern Entfernung starten.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.