Am Freitag schafft der Bundestag die Störerhaftung ab

Endlich mal wieder eine gute Nachricht aus dem Bundestag: Am letzten Tag der Legislaturperiode will die große Koalition ihr Wahlversprechen umsetzen und die leidige Störerhaftung abschaffen. Restlose Rechtssicherheit für offene WLANs gelingt ihr aber nicht.

Unerhört: Bald kann man in Deutschland (vermutlich) im Cafe aufs Internet zugreifen. – CC0 Unsplash

Diese Woche ist es nun also soweit: Nach endlosem Hin und Her haben sich die CDU/CSU- und SPD-Bundestagsfraktionen auf die Abschaffung der Störerhaftung verständigt. Damit sind Betreiber von offenen WLANs künftig vor etwaigen Abmahnungen geschützt, sollte über ihren Anschluss urheberrechtlich geschütztes Material verbreitet werden. Diese deutsche Besonderheit ist der Hauptgrund dafür, dass hierzulande eine WLAN-Wüste vorherrscht und nur wenige Cafés oder Hotels drahtlosen Internetzugang bereitstellen.

Eine offizielle Bestätigung der Unionsfraktion steht zwar derzeit noch aus [Update: Hier ist sie], allerdings feiert der Koalitionspartner SPD bereits die Einigung, die bis zuletzt nicht unter Dach und Fach war. „Mit der Verabschiedung des Dritten Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes schaffen wir Rechtssicherheit für WLAN-Hotspots“, erklärten die zuständigen SPD-Politiker Marcus Held, Christian Flisek und Lars Klingbeil in einer gemeinsamen Stellungnahme. Auf der Tagesordnung steht der Gesetzentwurf am kommenden Freitag, dem letzten Sitzungstag der laufenden Legislaturperiode.

Im Vergleich zum Kabinettsbeschluss vom April haben sich laut Klingbeil, der die Einigung gegenüber netzpolitik.org bestätigte, lediglich zwei unwesentliche Details geändert: Zum einen wurde eine Doppelung gestrichen, zum anderen die Klarstellung hinzugefügt, dass freiwillige Maßnahmen wie die Verschlüsselung eines WLANs oder die Identifizierung von Nutzern weiterhin möglich bleiben.

Netzsperren weiterhin enthalten

Ein großer Wermutstropfen bleibt allerdings, enthält der Entwurf doch nach wie vor die Verpflichtung zu Netzsperren. Stellt ein Rechteinhaber fest, dass über einen bestimmten Zugang eine Urheberrechtsverletzung begangen wurde, dann kann er vom WLAN-Betreiber eine Sperre des jeweiligen Diensteanbieters verlangen. Das soll eine Wiederholung der Rechtsverletzung verhindern. Eine zentrale Datenbank sieht der Gesetzentwurf nicht vor, stattdessen müssen sich die WLAN-Betreiber selbst um die Blockierung kümmern.

Problematisch an den Netzsperren ist nicht nur, dass halbwegs geübte Nutzer sie leicht umgehen können, während sich andere möglicherweise mit „Overblocking“ herumschlagen müssen – also mit im Zweifel zu vielen gesperrten Diensten, die irgendwann auf der Sperrliste gelandet sind und dort vor sich hinschlummern, obwohl der ursprüngliche Anlass längst Geschichte ist oder vielleicht von vornherein nicht legitim war. Eine richterliche Anordnung muss nicht vorliegen, um Betreiber zum Sperren aufzufordern. Ebenfalls fehlt eine Regelung, die klärt, wie lange der Zugang zu bestimmten Diensten blockiert werden muss.

Anhörung von Sachverständigen bloß Makulatur

Auf diese und andere Mängel machten am vergangenen Montag mehrere Sachverständige bei einer Anhörung im Bundestag aufmerksam, offenkundig erfolglos. Immerhin aber konnte sich die Urheberrechtslobby nicht durchsetzen, die auf eine Verschiebung der Abstimmung auf den Sankt-Nimmerleinstag gedrängt hatte. Ebenso erfolglos blieben die Hardliner aus dem Sicherheitsapparat mit ihren Warnungen vor einer „gefährlichen Sicherheitslücke“, die durch offene Netze entstünde.

Der Weg für mehr offene WLANs in Deutschland ist also nun weitgehend freigeräumt. Ob potenzielle Betreiber ähnlich viel Rechtssicherheit gewährleistet sehen wie die große Koalition, wird sich aber noch zeigen müssen.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

12 Ergänzungen

    1. Touristen und Normalos auch. Also etwa 99 Prozent aller Nutzer. Blackhats schmeißen wie bisher ihren VPN-/Tor-/Was-weiß-ich-Tunnel an.

      1. Du hast den Witz offenbar nicht richtig verstanden.
        Zeit für den Kabelhai! *burp*
        & VPN-Anbieter sind SPOF.

  1. Overblocking,Netzsperren,Blockierung,Sperrliste.
    Genau, größere Kommunikationsfreiheit ist böse, geschäftsschädigend und muss eingezäunt werden. Am besten mit Stacheldraht.
    Für die totale End(benutzer)lösung.

    Nennen wir es KommunikationsZaun. Damit kennen sich deutsche Regierungen bekanntlich gut aus.

  2. Bin ja mal gespannt, wer dann tatsächlich öffentliches WLAN anbietet? Und wie mit den Daten der User umgegangen wird? Denn einer Kneipe zB will ich meine Daten auch nicht übergeben!

    1. Kneipen (bzw. der jeweilige Betreiber) dürfen nicht ohne vorherige Zustimmung personenbezogene Daten sammeln.

  3. Freier Zugang zu Informationen?! Demnächst sollen wohl wieder SIM Karten ohne Ausweis verfügbar werden? :P

    Na mal sehen welche Kneipen in uns’rer das jetzt überzeugt.

  4. Kann mir jemand sagen, ob dieses neue Gesetz auch für private gilt? Vor zwei Jahren hat jemand von meiner Familie etwas hochgeladen. Da kam prompt Post vom Abmahnanwalt. Der droht jetzt mit Verfahren. Wir wissen nicht, wer aus meiner Familie das war, es können auch Freunde meiner Kinder gewesen sein. Hat der Anwalt nach diesem neuen Gesetz noch eine Chance vor Gericht?

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.