Weitere Verfassungsbeschwerde gegen Vorratsdatenspeicherung eingereicht

Bundesverfassungsgericht CC BY-NC 2.0 via Flickr/Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

Eine Gruppe von zwanzig FDP-Politikern hat eine weitere Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht gegen die Vorratsdatenspeicherung eingereicht. Zu den Klägern gehören unter anderem Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Wolfgang Kubicki und Christian Lindner. Die Gruppe war bereits im Jahr 2010 erfolgreich mit ihrer Beschwerde gegen den letzten Versuch der Bundesregierung, die Vorratsdatenspeicherung einzuführen.

Die Beschwerde umfasst 198 Seiten und kritisiert viele Punkte des aktuellen Gesetzes. Ausgearbeitet wurde sie von Heinrich Amadeus Wolff, Rechtsprofessor der Universität Bayreuth. Der Beschwerde nach muss die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur gekippten EU-Richtlinie der Vorratsdatenspeicherung berücksichtigt werden. Das würde bedeuten, dass aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nur die Daten von Verdächtigen gespeichert werden dürfen. Nach dem aktuellen Gesetz würden aber anlasslos alle Daten gespeichert werden und damit die gesamte Bevölkerung unter Generalverdacht gestellt. Außerdem beinhaltet die neue Vorratsdatenspeicherung keinen Schutz für Berufsgruppen mit Berufsgeheimnis, wie Ärzte, Anwälte oder Journalisten. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass die Vorratsdatenspeicherung nicht ausschließlich Verbindungsdaten speichert, bei SMS wird auch der Inhalt festgehalten. Zudem ist nicht geregelt, ob die Landesregierungen ihren Verfassungsschutzämtern Zugriff auf die Daten erlauben dürfen, wie es in Bayern bereits geschehen ist. Heribert Prantl schreibt über die Beschwerde in der Onlineausgabe der Süddeutschen Zeitung:

In 24 Punkten rügt die Verfassungsbeschwerde daher eine Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, in 17 Punkten eine Verletzung des Bestimmtheitsgebots. Das Gesetz regele schwere Freiheitseingriffe „nachlässig und ungenau“, wo das Grundgesetz zum Schutz der Bürger höchste Präzision verlange.

Eilantrag abgelehnt

Am Verfassungsgericht liegen bereits drei weitere Beschwerden gegen die Vorratsdatenspeicherung. Ein Eilantrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Vorratsdatenspeicherung wurde gerade erst abgelehnt, ist aber kein Anzeichen dafür, dass die Beschwerden nicht inhaltlich erfolgreich sein können. Zur Zeit befindet sich die Vorratsdatenspeicherung in einer technisch bedingten Übergangsfrist von 18 Monaten, danach haben die Provider nochmal sechs Monate Zeit, die Vorratsdatenspeicherung technisch einzurichten. Demnach sieht das Verfassungsgericht keine Eile geboten, dem Kläger würde kein Schaden entstehen, wenn das Gesetz erstmal in Kraft bleibt. Bei solchen Eilverfahren findet außerdem keine weitergehende Prüfung der eigentlichen Beschwerde statt. Es wird lediglich geprüft, ob der Schaden größer ist, wenn ein Gesetz gestoppt wird, aber nach dem Hauptverfahren doch verfassungsgemäß ist, oder wenn es zunächst bestehen bleibt, aber am Ende verfassungswidrig ist.

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11 Ergänzungen

    1. Unsere regierenden Politiker interessieren sich nur für Europa Recht, wenn dieses gerade zu ihrem Kram passt, oder?

  1. Sicher wird das nicht morgen (vollständig) technisch umsetzbar sein, aber im Gesetz heißt es „Die Speicherverpflichtung und die damit verbundenen Verpflichtungen … sind spätestens ab dem 1. Juli 2017 zu erfüllen.“ Damit ist die Speicherung seit 18.12.15 möglich, ein Teil davon wird aus Abrechnungsgründen sowieso schon gespeichert und wäre dann auf entsprechende behördliche Nachfragen ganz sicher auch abrufbar.

  2. Als Bürger, der ehrenamtlich Aufgaben wahrnimmt, die eigentlich der Staat zu leisten hätte, da bin ich für den Staat vertrauenswürdig. Wenn ich mit meiner Familie, mit meinen Freunden und Bekannten kommunizieren, will mir der Staat nicht mehr vertrauen.

    Ich habe beschlossen, an dem Tag, an dem die Vorratsdatenspeicherung praktische Anwendung finden wird, alle meine Ehrenämter aufzugeben. Vertrauen gegen Vertrauen.

    1. Damit triffst du aber genau die falschen, nämlich diejenigen, die am wenigsten für die VDS können.

  3. SLS ist die Beste! Ich bin überrascht und unglaublich froh darüber, dass sie sich auch jetzt noch für Bürgerrechte einsetzt, obwohl sie gar kein Mandat und kein Ministerialamt mehr inne hat. Sie ist wohl einfach von einem Rechtstaat, der korrekt mit seinen Bürgern umgeht, überzeugt. Man stelle sich dagegen mal Zensursula vor, die willkürlich Ämter übernimmt und dann irgende zweifelhafte Politik abspielt.

    Zurück zu SLS: Für mich eine großartige Frau, wenn ich mal über diese PorNo-Aktion in den 90ern hinwegsehe, die … gut gemeint war ;)

  4. Die Eilanträge sind nicht gerade, hm, angemessen. Die Beschwerde umfasst nach allgemeiner Information auch Patienten und Mandanten, nicht nur Ärzte und Anwälte. Es ist eine Schande, dass es überhaupt so weit kommen muss! Wer keinen Anlass gibt, dessen soziale Verbindungen und Aufenthaltsorte – gerade auch in Wohnungen, aber auch sonst – dürfen auch nicht gespeichert werden, das ist ein, nein der Grundsatz unserer Werte schlechthin.

    1. Welche Werte? Dass das alles nur Schönwetter Werte sind, zeigt sich doch an allen Ecken und Enden, nicht nur für unsere Politiker. Für die meisten Menschen sind Grundrechte doch auch nur interessant, wenn sie einem selber zupasse sind. Aber Gnade Gott, wenn sie selber einmal zugunsten von Grundrechten anderer zurückstecken sollen.

  5. Folgende Probleme sind dazu eindeutig bekannt, wenn man die VDS stoppt. Dann werden die Daten beim GCHQ oder der NSA gelagert. DIe VDS verschiebt das eigentliche Problem lediglich, aber ohne VDS wäre es nicht gelöst. Das Verfahren ist gleich. Es gibt keinen Filter „Täter“ „verdächtig“ „nicht verdächtig“ man nimmt alles mit. Und das ist das eigentliche Problem.

    So erhält man jede Information über jeden Menschen, jedes Unternehmen, jede Behörde. Somit hat man die volle Kontrolle ganz egal, wer diese Daten sammelt.

    Das ist der generelle Tot des Internets. Was Ihr machen könnt, nur noch mit Tor reingehen, Anonbox nutzen falls eine Mail gebraucht wird, passiv informieren und auf die ganzen sensiblen Netzwerke FB Twitter und CO verzichten, die eure Leben stehlen. Denn euer Leben gehört Euch, nicht Deutschland, den USA oder GB!

    1. Mann, die VDS betrifft nur zu einem kleinen Teil das Internet (schlimm genug), was sie vor allem interessiert sind Ortsdaten (die werden bei Smartphones so alle paar Minuten vom Staat gespeichert), auch und gerade in Verbindung mit Telefonkontakten (soziale Verbindungen). Nein, die wenigsten können oder wollen darauf verzichten, per Telefon ständig erreichbar zu sein, sei es aus privaten Gründen, oder geschäftlichen.

  6. „Wer Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren!“ Der Spruch ist über 200 Jahre alt und daher leider nicht von mir, sondern von einem US-Amerikaner namens Benjamin Franklin!!

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.