„Unendlicher Spaß“: Ambitioniertes Hörbuchprojekt sucht Sprecher

Dicke Bretter versucht der WDR mit dem Versuch zu bohren, den über 1500 Seiten starken Kultroman „Infinite Jest“ („Unendlicher Spaß“) von David Foster Wallace in ein Hörbuch zu verwandeln. Mit 80 bis 100 Stunden Audiomaterial rechnet der Hörspielproduzent Andreas Ammer, was die Frage aufwirft, wie sich ein solches Mammutprojekt realisieren lässt. Wie Wired berichtet, hat sich der WDR für einen unorthodoxen Ansatz entschieden:

Statt die 1500 Seiten von Schauspielern einsprechen zu lassen, will er sie mit Laien aufnehmen. Das erste Kapitel wurde noch von Schauspielern eingesprochen, die verbleibenden 1404 Seiten warten auf der Website des Projektes ab heute auf Sprecher und Sprecherinnen: Jeder kann sich eine Seite reservieren und sie dann binnen einer Stunde einsprechen und hochladen – entweder mit dem eigenen Telefon oder direkt über die Webseite und das eingebaute Mikro des eigenen Computers.

Das Ergebnis soll anschließend nicht im Radio, sondern im Internet zu hören sein. Untermalt wird das „Unendliches Spiel“ genannte Projekt von einer „Unendlichen Komposition“ der Musiker Andreas Gerth und Acid Pauli, die über das kommende Jahr über 8000 Stunden sich ständig wandelnde Musik generieren wird. Das Musikmaterial, das zum Zeitpunkt des Einsprechens der jeweiligen Passage entstanden ist, soll anschließend passgenau darüber gelegt werden, gemeinsam mit Anmerkungen des Übersetzers Ulrich Blumenbach. Wir sind schon gespannt!

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15 Ergänzungen

  1. Hier geht’s offensichtlich um ein Hörbuch (Buchtext wird vorgelesen), nicht um ein Hörspiel (Geschichte wird szenisch, ggf. mit verschiedenen Charakteren, inszeniert). Wäre vielleicht sinnvoll, den Titel dahingehend anzupassen. :-)

    1. Stimmt, guter Hinweis. Im Fließtext steht’s richtig, in der Überschrift nicht – ich korrigiere das.

      1. Ja, aber das ändert doch nichts am vorgelegten Skript. Das steht doch schon fest. Also HÖRBUCH und kein HÖRSPIEL.
        Wie wäre es, wenn ihr mal DAS SCHIFF ESPERANZA ins Netz stellt.
        Dies wurde in den 80ern produziert und an Schulen gehört.
        Ist kürzer und auch wahrscheinlich unterhaltsamer.
        Wer hört sich den 1.500 Seiten im Netz freiwillig an.
        Lieben Gruß SUSI

        1. Doch doch, ich würde es mir anhören, denn wie ich finde, entpuppt sich vieles, was zu lesen endlos dauert und oft ermüdend und spröde ist, als Hörbuch als interessant und als Gewinn. So ging es mir mit James Joyce, bei dem ich in seinen Büchern (außer dem „Portrait…“ und „Dubliners“) meist schon auf Setie 5 aufgebgeben hatte. oder – was ganz Anderes – Th. Manns Roman-Tetralogie „Josef und seine Brüder“. Ich sollte es mal mit Th. Pynchon versuchen…

  2. … aber wer bitte ist denn nicht nur gewillt, sondern auch fähig, sich 80-100 Stunden in die Ohren einzupfeifen?

    Egomanen, die nur eines im Sinn haben, nämlich sich selbst in irgendwelche Rekordlisten zu katapultieren, sollten mit unendlichem Spaß hereingelegt werden.

    Vermutlich merkt es der Macher kaum, wenn man anstatt des vorgegebenen Textes irgendwo gegen Ende der Aufnahme seine eigenen Sinnteilchen einstreut. Bei der Menge hätte der Künstler eine Menge zu tun, um trojanisierte Kunst zu erkennen.

    Warum erst am Ende? Das erhöht den Spass, weil Audiodateien nun mal sequentiell gehört werden müssen. Die Überraschung ist also am Schluss am effektivsten, weil Zeit so kostbar ist – auch für Künstler.

    1. Vermutlich hören sich _die_ EgomanInnen so etwas an, die auch dicke Bücher wie den „Unendlichen Spaß“ oder „Harry Potter“ lesen (oder die Lesung von Rufus Beck hören). Oder die alle Staffeln „Sopranos“ schauen.
      Daß die gelesenen Seiten gegengehört und mit dem Text abgeglichen werden, ist ziemlich sicher. Schon wegen solcher Schlauköpfe, die meinen, sie könnten Kunst trojanisieren …

    1. Warum wäre es der Kunst (welcher?) zuträglicher, wenn der WDR das Werk 4’33 von John Cage in Endlosschleife senden würde?

  3. Kostenloses Outsoucing. Während hauptberufliche Sprecher nicht wissen, wie sie ihren Lebensunterhalt verdienen sollen, lässt der öffentlich-rechtliche Rundfunk lieber kostenlos Laien agieren.
    *** An dieser Stelle würde eine üble Beschimpfung der Verantwortlichen stehen, wenn sie nicht zur Nichtveröffentlichung dieses Eintrags führen würde! ***
    Ich habe mal Respekt vor der Kompetenz eines Tom Buhrow gehabt. Aber Meldungen wie diese und die Zusammenstreichung des Etats des ‚Funkhaus Europa‘ haben mich eines Besseren belehrt.
    Leider habe ich nicht die finanziellen Reserven, die man benötigen würde, um durch alle Instanzen gegen die Erhebung des Rundfunkbeitrags ( früher GEZ ) zu prozessieren.
    Es ekelt mich inzwischen an, dass ich für eine Leistung zahlen muss, die an den Interessen der Konsumenten weit vorbei geht. Aber wozu sollten die Verantwortlichen Qualität abliefern, wenn der Kunde (unabhängig davon, ob er das Angebot nutzt oder gar wertschätzt) sowieso bezahlen muss?

    1. Ich habe die Zahl der jährlich in Deutschland mit hauptberuflichen Sprechern produzierten Hörspiele gerade nicht vorliegen, aber ich glaube, daß das europaweit ziemlich weit vorn sein dürfte. Und die Zahl ist auch ziemlich ident mit den vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk produzierten, denn die Privaten bieten da eher nichts. (Natürlich gibt es noch die Hsp. der Audioverlage.) Und dieses eine Hörstück mit Laien bringt jetzt die SprecherInnen um Lohn und Brot?

      Aber damn!!! Wenn ich unsere Kommentare hier bedenke: Das ist doch voll kostenloses Outsoucing!!! Während hauptberufliche JournalistInnen nicht wissen, wie sie ihren Lebensunterhalt verdienen sollen, läßt netzpolitik.org lieber kostenlos Laien die Seiten vollkommentieren!!! Also, Peter Zippo, besser nicht mehr machen!!!

  4. Und damit das Kommentar-Verhältnis von Nörglern und Gutfindern (10:1? / 100:1?) auch für diesen Artikel gewahrt bleibt: Tolles Projekt. Ich bin gespannt.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.