UN-Experten kritisieren Frankreichs flächendeckende Überwachung

„Ich, der Präsident, legalisiere die Massenüberwachung“ – CC BY-SA 3.0 via laquadrature.net

Fünf UN-Experten kritisierten in einer gemeinsamen Erklärung vom 19. Januar Frankreichs Ausbau der flächendeckenden Überwachung und das Gesetz zum Ausnahmezustand. Die Berichterstatter erklärten die Maßnahmen für exzessiv, unverhältnismäßig und im klaren Widerspruch zu internationalen Abkommen.

Es ist eine echte Seltenheit, dass sich UN-Sonderberichterstatter gemeinsam an einen Staat wenden. In einer öffentlichen Stellungnahme äusserten sich nun fünf Berichterstatter des UN-Menschrechtsrats* zur Sicherheitspolitik Frankreichs, welche im letzten Jahr Überwachungsmaßnahmen national und international massiv ausbaute. Die unabhängigen UN-Berichterstatter sorgen sich über die Durchsuchungsmöglichkeiten von Geräten einschließlich Daten in der Cloud, ohne richterliche Aufsicht oder Kontrolle, welche durch den Ausnahmezustand möglich wurden. Sie weisen darauf hin, dass Durchsuchungen, die nicht durch den Verfassungsrat authorisiert werden müssen,

Durchsuchungen von anderen Computern im Netzwerken ermöglichen, was zu einem Zugriff auf eine sehr große Anzahl von Speichersystemen und Geräten führt, vom sozialen Leben und bis hin zu allen digitalen Aktivität von Personen, je nachdem, was vom Erstgerät aus zugänglich ist.

Weiterhin bemängeln sie die Aufweichung der Kontrollen für die Sperre von Webseiten durch das Ausnahmezustands-Gesetz: „Wir wollen unsere Bedenken wiederholen, insbesondere im Hinblick auf das Fehlen einer richterlichen Kontrolle.“

Schließlich kritisieren sie das im Sommer 2015 verabschiedete Geheimdienstgesetz, welches Telekommunikationsunternehmen dazu verpflichtet, Black Boxen in ihren Rechenzentren aufzustellen, um Kommunikationsmetadaten mitzuschneiden und diese mit vorher eingestellten Filtern nach „auffälligen“ Mustern zu durchsuchen. Problematisch seien auch „die vage definierten Bestimmungen – inbesondere die Speicherung von internationalen Kommunikationen, die unter sehr weitgefassten Umständen erlaubt ist – und die langen Speicherfristen, ohne dass Garantien oder eine unabhängige richterliche Kontrolle vorgesehen wurden.“

Bürgerrechtler, die schon seit Monaten vor dem Marsch Frankreichs in den Sicherheitsstaat warnen, freuen sich über die Verstärkung.

Die Quadrature du Net begrüßt die Analyse der Berichterstatter und sorgt sich um den internationalen Ruf Frankreichs. Es wird Zeit, dass die französische Regierung ihre Verantwortung und Taten hinterfragt und die ungeteilte Meinung der Menschenrechtler berücksichtigt, die seit einem Jahr öffentlich vor dem Abrutschen Frankreichs in einen Sicherheitsstaat und der systematischen Untergrabung der Grundrechte warnen

erklärt Adrienne Charmet, Sprecherin der Quadrature du Net, gegenüber Netzpolitik.org.

Trotz der ausdrücklichen Bitte der Sonderberichterstatter, den Ausnahmezustand nicht zu verlängern, plädiert Präsident Hollande nun genau hierfür. Europe1 berichtete heute morgen, dass bereits ein entsprechendes Gesetz in Vorbereitung sei. Das derzeitige Totschlagargument: „Stellen Sie sich vor, wir verlängern nicht und zwei Wochen später wird ein Anschlag verübt…“

Die Bürgerrechtsorganisation La Quadrature du Net ist Ende letzten Jahres gegen die von den UN-Experten kritisierten Maßnahmen (unter anderem die Vorratsdatenspeicherung, das Geheimdienstgesetz und Websperren) vor das französischen Verfassungsgericht gezogen. Erste Ergebnisse im Fall gegen das Dekret von 2008 werden jedoch nicht vor dem Sommer erwartet, beim Geheimdienstgesetz kann es noch ein wenig länger dauern, hier wird vorraussichtlich nicht vor Ende des Jahres entschieden.

*Zu den fünf Unterzeichnern der Erklärung gehören der Sonderberichterstatter für den Schutz der Meinungsfreiheit, David Kaye; der Sonderberichterstatter für das Recht auf Versammlungsfreiheit, Maina Kiai; der Sonderberichterstatter zur Lage von Menschenrechtsaktivisten, Michel Forst; der Sonderberichterstatter zu Menschenrechten im Rahmen der Terrorismusbekämpfung, Ben Emmerson; und der Sonderberichterstatter für das Recht auf Privatsphäre, Joseph Cannataci.

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12 Ergänzungen

  1. Hollande folgt einer interessanten Strategie. Den islamistischen Terror mit der vom französischen Staat erzeugten Terrorangst überlagern.

    So bleibt Frankreich Marktführer im Segment Terror und Angst.

  2. Der Terror-Nerd hat doch schon lange seine eigene apk für android und gut, aber unsere Behörden überwachen lieber die 99.9999999…% Datenverkehr harmloser Bürger.

  3. Und in Deutschland liegen die Gesetze dazu schon in der Schublade. Man wartet nur und hofft, dass es bald passiert. Wenn nicht, ist unser Verfassungsschutz sicher behilflich und hilft etwas nach.

    1. Wenn dies stimmt, was ich nicht anzweifle, stellt sich mir die Frage wo die Grünen und Linke war.
      Die hätten doch dann die Mehrheit gehaupt. Auch so, war ja schon feierabend und nicht so wichtig.

  4. C’est ne pas possible. Est-ce que le francais besoin l’advocat pur utilise le computer?
    Le Quadratur de Circle a dormir, n’est ce pas?
    Malheuresement c’est la meme probleme en tout europe?
    IS IT POSSIBLE TO SOLVE THIS PROBLEM?
    I grew up with my think ing about possibilities of our future.
    Nowadays I see many jurists. Is it necessary. WHO IS BAD?
    I don’t understand politics, I AM only able to use my cultural identity.
    MERCIE SUSI

  5. Es ist angerichtet für Holland!!
    Europol warnt vor schweren Anschlägen des IS in Europa mit „Massenhaft Opfern in der Zivilbevölkerung“
    Keiner kann es prüfen, keiner hinterfragt es, ist aber die Steilvorlage für den weiteren Ausnahmezustand in Frankreich. Und die Franzosen machen dies mit. Unglaublich, soweit haben die Geheimdienste/Polizei/Politik durch Panikmache vor dem Terror die Bevölkerung schon gebracht.
    Und die Presse kann eins und eins nicht mehr zusammenzählen. Was arbeiten dort nur noch für Pfeifen.

  6. Zu Wahlkampfzeiten herrscht immer Ausnahmezustand.
    Ist fast wie Karneval, der wird aber nicht verlängert.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.