Snowden zu Journalisten: „Der Kampf um Privatsphäre wird auf euren Titelseiten gewonnen“

In einer Live-Schalte hat NSA-Whistleblower Edward Snowden gestern Journalisten aufgefordert, ihrer Verantwortung als kritischem Korrektiv von Regierungen und Unternehmen nachzukommen. Von der Bundesregierung zeigte er sich enttäuscht.

Edward Snowden im Livestream des Süddeutsche Zeitung Editors Lab. Screenshot: Youtube.

Während die Farce um eine Vernehmung des Zeugen Nr. 1 im Geheimdienstuntersuchungsausschuss gerade um ein weiteres Kapitel reicher geworden ist, kritisierte NSA-Whistleblower Edward Snowden, dass er in Deutschland kein Asyl bekomme. Dies geschehe, obwohl der Bundesregierung klar sei, dass durch seine Veröffentlichungen niemand zu Schaden gekommen ist und die Strafverfolgung durch US-Behörden politisch motiviert ist. Das sagte Snowden gestern in einer Live-Schalte zu internationalen Journalisten bei einer von Süddeutscher Zeitung und dem Global Editors Network ausgerichteten Veranstaltung zur Zukunft des investigativen Journalismus.

Besonders enttäuscht zeigte Snowden sich darüber, dass in diesem Zusammenhang mit der Angst vor einer Bestrafung durch die USA argumentiert wird. Die Drohkulisse, die Vereinigten Staaten könnten Geheimdienstkooperationen einstellen und Informationen zurückhalten, von denen das Leben deutscher Bürger abhängt, sei eine beschämende Fantasie.

Wenn Menschenrechte verhandelbar werden, weil es da eine andere mächtige Regierung gibt, die Vorteile verspricht, wenn man nicht auf die Menschenrechte achtet – wie soll Deutschland sich da etwa China gegenüberstellen, wenn dort ein solcher Fall eintritt?

Massenüberwachung als spezifische Gefahr für guten Journalismus

Entsprechend der thematischen Ausrichtung der Veranstaltung drehte sich ein großer Teil des Gesprächs um Verantwortung und Möglichkeiten des Journalismus. Der ehemalige NSA-Dienstleister nutzte die Gelegenheit, sein einflussreiches Publikum für die Gefahren zu sensibilisieren „Könnt ihr eure Quellen geheim halten?“, fragte Snowden in dem knapp 70-minütigen Gespräch. Das „goldene Zeitalter der Überwachung“ stelle gerade für den Journalismus eine große Gefahr dar, so Snowden. Erneut betonte Snowden, dass der Kampf um Privatsphäre nur politisch und nicht technisch zu gewinnen sei. Deshalb spiele journalistische Berichterstattung so eine entscheidende Rolle und deshalb befürworte er die (verantwortungsvolle) Veröffentlichung von geheimen Informationen, die im öffentlichen Interesse liegen.

Journalisten trifft es zuerst. Sie werden immer mehr zu einer bedrohten Klasse, wenn wir an das Recht auf Privatsphäre denken. Ich kann Tipps geben, wie ihr eure Kommunikation schützen könnt, aber das ist ein Kampf, den ihr so nicht gewinnen könnt. Ihr müsst ihn auf den Titelseiten führen und ihr müsst ihn gewinnen, wenn ihr in der Zukunft in der Lage sein wollt, so zu berichten, wie ihr es bislang konntet.

Kritik am BND-Gesetz

Die Snowden-Leaks machten 2013 das Ausmaß der weltweiten Geheimdienstüberwachung öffentlich. Eine der Folgen ist der NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages, der mit einer Untersuchung der Verstrickung des Bundesnachrichtendienstes in illegale Massenüberwachung begonnen hat. Dass mit dem vergangene Woche verabschiedeten BND-Gesetz nun lediglich bereits bestehende Überwachungspraktiken legalisiert würden, anstatt eine echte Reform anzustreben, kritisierte Snowden:

Ja, wir werden jeden ausspionieren, aber wir sagen euch, dass wir es tun – und damit ist es dann ok.

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26 Ergänzungen

  1. bc ac
    b 9/11 a 9/11
    b swnd a snwdn
    jesus revisited
    who leads the flock and where is the promised land

    1. „Before Christ, after Christ (B.C. A.C.)
      Before 9/11, after 9/11
      Before Snowden, after Snowden
      Jesus revisited.
      Who leads the flock and where is the Promised Land?“

      The author seemingly tries to compare Snowden to Jesus, picking up the often used terminology of 9/11 and Snowden’s leaks as turning points in the discussion and treatment of fundamental human rights and privacy, while ignoring that it’s not „A.C.“ but „A.D.“

      I can’t decide whether this should be a poem, a revelation or the drug-induced ramblings of a mad-person.

  2. Also soweit ich das verstanden habe, lernen die amerikanischen Zeitungsleser gerade, dass die german angst sich in Richtung Wutbürger entwickelt. Doch trotz soviel geballter Emotionalität scheint mir leider auch, dass die Amerikaner am längeren Hebel sitzen, was das powerplay angeht. Darauf eine Flasche Ahornsirup auf ex! ;-P

          1. „Besonders enttäuscht zeigte Snowden sich darüber, dass in diesem Zusammenhang mit der Angst vor einer Bestrafung durch die USA argumentiert wird. Die Drohkulisse, die Vereinigten Staaten könnten Geheimdienstkooperationen einstellen und Informationen zurückhalten, von denen das Leben deutscher Bürger abhängt, sei eine beschämende Fantasie.“

            Wieso irgendwas konstruieren, ich schwinge lediglich mit mit dem mit, was ich in und zwischen den Zeilen lese ;-)

            Und danke fürs Kompliment, ich fand den Vers auch irgendwie nett.

        1. Falls das wieder einen 9/11-Bezug darstellen sollte: Dann müsste es „the 11th of September“ heißen. In Amerika schreibt man den Monat vorn, den Tag dahinter.

  3. Massenüberwachung als spezifische Gefahr für guten Journalismus

    Auf den Internetseiten deutscher Qualitäts-Zeitungen lauern im Schnitt zwischen 20 und 50 Tracker. Wer dort seine Nachrichten liest, wird vollumfänglich überwacht, kategorisiert und bewertet.

    Man kann auch sagen, die Privatsphäre der Leser wird eben durch genau jene vernichtet, die auf ihren Seiten heuchlerisch beklagen, dass die Privatsphäre überall geschändet wird. Gleichzeitig werden die Daten der Leser an die Werbemafia verhökert.

    „Der Kampf um Privatsphäre“ kann auf den Titelseiten dieser Pharisäer gerade nicht gewonnen werden.

  4. Die Amerikaner beanspruchen die Softpower und die Deutungshoheit für sich … ich finde es auch beschämend , wie sich unsere Regierung verhält… ich befürchte jedoch, dass sich Regierungen vorher hier zu Lande nicht viel anders verhalten hätten…

    In den 50er 60er Jahren wurde auch von der Adenauer Regierung , die Folter durch Amerikaner in Hessen gedeckt… Niemand ist strafrechtlich belangt wurden… Die CIA veranstaltete Menschenversuche und man hat weg geschaut.

    Genauso bei den CIA Überführungsflügen in Black Sites… über Ramstein und Fürstenwalde…
    Man hat die Amerikaner nicht kritisiert seitens der Regierung…

    Edward Snowden hat großartiges geleistet! Nur haben viele Politiker leider nicht das notwendige Rückgrat und den Mut dies anzuerkennen… und einigen stoßen seine Enthüllungen wohl bis heute auf, weil diese eine Debatte angeregt haben, die einige hier zu Lande gezielt vermeiden wollten.

    https://enidanx.wordpress.com/2016/03/27/kubark-manual-made-in-germany/

    https://enidanx.wordpress.com/2016/07/04/extraordinary-rendition/

    1. In den 50er 60er Jahren wurde auch von der Adenauer Regierung , die Folter durch Amerikaner in Hessen gedeckt… Niemand ist strafrechtlich belangt wurden… Die CIA veranstaltete Menschenversuche und man hat weg geschaut.

      Vielen Dank dafür, dass auch dies einmal öffentlich genannt wird. Viele dieser ethisch abzulehnenden Experimente sind in einschlägigen englischsprachigen Journals der Fachbereiche Psychiatrie und Psychologie nachlesbar. Sie sind auch in deutschen Uni-Bibliotheken zugänglich.

  5. Da kann ich Herrn Snowden aber nicht voll zustimmen.
    Richtig müsste der Satz heissen:„Der Kampf um Privatsphäre wird auf euren Titelseiten verloren“!

  6. Jetzt habe ich interessehalber noch einmal im Internet danach gesucht, was eigentlich aus der amerikanischen green party und Jill Stein geworden ist. Ich finde es naheliegend, dass in Anbetracht von zwei für Frauen kaum wählbarer Kandidaten andere Optionen gegeben sind.

    Doch dazu findet sich bei vice.com ein guter Kommentar:

    … „Within the existing system, the Green Party itself is a marginal force, and can only be a distraction.“
    But Stein maintains that she can win. „We don’t have to persuade people, we don’t have to change people’s minds. All we have to do is flick that switch in our own minds from powerlessness to powerfulness,“ she said. „The minute we do that, the future is in our hands.“
    http://www.vice.com/read/can-the-green-party-make-a-comeback-in-2016-209

    Somit dürfte die Wahl kaum eine Veränderung in der Position der Amerikaner bringen. Damit ist die EU in der Pflicht, sich dem Asyl-Thema erneut und deutlich lösungsorientierter zu widmen.

  7. Die Medien, nicht nur in Deutschland, haben sich selbst gleichgeschaltet. Damit sind sie weitgehend überflüssig. Sehen die Leute auf der Straße auch so, anders ist der dramatische Rückgang der Abos von Zeitungen nicht zu erklären. Die Zeitungen im Internet sind im Prinzip nur Kurzdarstellungen mit viel mehr Werbung. Es ist genauso mit Zeitschriften und Büchern. Das Internet ersetzt sie in keiner Hinsicht.

    Jetzt zur Schnüffelei. Snowden hätte wissen können, wer die „Bundesregierung“ ist und was sie tut. Sie dient noch nicht und nicht mehr dem deutschen Volk. Deshalb wird sie früher oder später gestürzt. Alternativ dazu kann man Staaten abschaffen. Das bedeutet dann, dass sozial Schwache einfach erfrieren und verhungern werden. Jetzt mögen die Geheimdienste ja jeden und alles bespitzeln. Nur ihre Ergebnisse lassen derartig zu wünschen übrig, dass es der bessere Einfall wäre wieder in die Zeit vor dem albernen Terrorkrieg zurückzukehren. Auch die Amerikaner haben keineswegs das Recht andere Völker mit anderen Religionen zu vagabundierenden Kiffern und Konsumenten umzuerziehen. Das wäre wohl das Resultat der „grenzenlos frei beweglichen“ Völker. Der Terrorkrieg mag diversen Elektronikfirmen tolle Gewinne schaffen, deshalb hält sich der technologische Fortschritt trotzdem in Grenzen. Den Spitzeln und Cyberkriegern sollte man einfach die Budgets zusammenstreichen. Sie selbst sind die einzige ernstzunehmende Bedrohung im und für das Internets. Auch die jüngsten DDoS-Angriffe hätten leicht ins Nirvana umgeleitet werden können.

    Für den Normalverbraucher reicht auch heute ein WinXP, das immerhin 15 Jahre alt ist, auf aktuellem Stand – Sicherheitsupdates gibt es bis 2019, die funktionieren. Darauf VLAN für Videos, Tor für das Internet, Office für Bürokramn, Thunderbird für e-mail und noch etwas Kleinkram. Win 7 war die Steigerung, aber auch sehr gut. Win 8 und 10 ohne die Schnüffelfunktionen und Cloud für Tablets und Smartphones. Arbeitsspeicher und Festplattenkapazität sind spottbillig, da macht eine Serverfarm namens Cloud keinerlei Sinn. All diese Dinge brauchen benötigen keine erfolglosen Spitzel, die gigantische Datenmüllhaufen durchsieben. Ebensowenig wie Cyberkrieger, die man auch einfach dadurch zu Hilfsmuschkoten degradiert, indem man physisch Kraftwerke und Stromnetze lahmlegt. Genau das haben die USA bei ihrer letzten Aggression gegen Irak getan. Danach haben sie den quasi blinden Saddam bzw. seine Truppen im Vorbeigehen totgeschlagen. So würde es uns auch gehen, wenn wir zufällig nicht von Freunden (für deren Freundschaft wir zahlen müssen, also nuttiges Mileau) umgeben wären.

    Was hat sich denn in Wirklichkeit seit 2000 geändert? Was wird sich, angenommen Clinton wird Präsidentin, ändern? Nichts zum Besseren! Deshalb die weltweiten Unruhen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.