Reportage in der taz: Sieben Jahre Haft für NATO-Whistleblower

Symbolbild Passwortsicherheit. Foto: CC-BY Schill (Flickr)

Die taz hat in einer Reportage die Geschichte eines Informatikers nachgezeichnet, der beim Militärbündnis NATO die IT-Sicherheit verbessern will und deswegen im Jahr 2013 verurteilt wird. Wegen Landesverrat.

Manfred Klag arbeitet 30 Jahre für die NATO, baut schon früh EDV-Infrastrukturen auf. Als das Militärbündnis 2008 das neue Informationssystem DHS einführt, entdeckt er Sicherheitslücken. Diese führen dazu, dass geheime Dokumente allen im System zugänglich sind. Auch seine private Gehaltsabrechnung steht im NATO-Netz den Kollegen zur Verfügung.

Weil er mehrmals erfolglos Kritik angebracht hat, erstattet er schließlich am 24. Februar 2010 beim Leiter der Nato-Behörde Anzeige. Um eine Antwort zu erzwingen, fordert Klag 5.000 Euro Schadensersatz. Der Stein gerät ins Rollen.

In Folge seiner Anzeige drängen ihn Generale der NATO immer wieder zum Schweigen. Doch der Whistleblower entdeckt weitere Sicherheitslücken, wie Kai Schlieter in der Reportage berichtet:

Klag, ein Nerd, über 30 Jahre im Dienst des mächtigsten Militärbündnisses der Welt, mailte sich 11 Excel-Dateien, in denen Passwörter steckten. Diese gelten später als Staatsgeheimnis. Sie waren allerdings nicht als Verschlusssache eingestuft. Die Passwörter bestanden aus fünf Buchstaben und entsprachen der Werkseinstellung des Hardwareherstellers.

Der Fall nimmt seinen Lauf, der NATO-Geheimdienst heftet sich an Klags Fersen. Das Magazin Focus spricht von kriminellen Machenschaften des Whistleblowers. Der Bericht ist geschrieben von Josef Hufelschulte, einem Focus-Reporter, der vom BND als Mitarbeiter geführt wird. Als der Fall bei Generalbundesanwalt Harald Range landet, verfasst dieser die 56-seitige Anklageschrift. Dort steht, der Verrat der Daten bedrohe die Bundesrepublik in ihren Grundfesten. Range „übersieht“ in der Anklageschrift die komplette Vorgeschichte und die zahlreichen Versuche Manfred Klags, die NATO-Sicherheit zu verbessern. Das Oberlandesgericht Koblenz verurteilt Manfred Klag am 19. Dezember 2013 zu sieben Jahren Haft wegen Landesverrat.

Die komplette, lesenswerte Reportage und viel mehr Details gibt´s in der taz.

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14 Ergänzungen

  1. Ist das eine bösartige Form von Staatskommödie?
    Konservieren von altertümlichen Staatsstrukturen auf Kosten seiner engagiertesten Mitarbeiter?

    1. > Ist das eine bösartige Form von Staatskommödie?

      Das ist keine Komödie, denn das Lachen bleibt einem im Hals stecken.

      Manfred Klag hat sich durch sein schrulliges Verhalten in Schwierigkeiten gebracht. Hier wäre die NPD-Episode zu erwähnen, sowie das Verstecken der Sticks in seiner Wohnung. Vergleiche mit dem Kleist’schen Kohlhaas drängen sich auf. War es das wert?

      Es ist auch – zunächst – gerechtfertigt, Klag unlautere Absichten zu unterstellen, doch sollte es in einem rechtsstaatlichen Verfahren möglich sein, dass auch Entlastendes seine Wirkung entfalten kann. Doch warum geschah dies hier nicht? Ganz im Gegenteil, es wir noch bösartig hinzu konstruiert. Warum werden Ihm Rechtsmittel abgeschnitten?

      Man möchte wieder Mal ein Exempel statuieren – möglichst zur wiederverwendbaren Abschreckung geeignet (Abschreckung ist ja das Kerngeschäft der NATO). Und die Rache ist mein, sprach der Herr General: „Den Klag, den machen wir fertig. Seinen Ruhestand werden wir ihm schon noch besorgen.“

      Klag hat durchgehend mit guten Absichten gehandelt, doch er ist abgewiesen worden. Im Zorn hat er dann vereinzelt den Pfad der Klugheit verlassen. Aber wie man mit ihm umgeht ist keinesfalls verhältnismäßig. Der Mann hat Anspruch auf wirksame Solidarität, sein Handeln war nicht auf Schädigung ausgerichtet, ganz im Gegenteil.

      Die NATO-Passwörter sind allerdings Kleinkunst-würdig. Sie sollten wohl schnelles passieren ermöglichen und weniger Schutz. Überkomplexe Passwörter sind erfahrungsgemäß nicht kompatibel mit unterkomplexen Persönlichkeiten. So gesehen wäre die Verteidigungsfähigkeit der NATO im Ernstfall natürlich in Frage gestellt. Die Nato funktioniert nicht mit komplizierten Passwörtern. Das muss natürlich unter allen Umständen cosmic top secret bleiben.

      1. Ich werd das Gefühl nicht los, das hier Entscheidungspersonal Angst vor etwas bekommen hat, dass sie selbst nicht beherrschen, obwohl sie dafür Verantwortung tragen. In der falschen Annahme, dass Klag der einzige ist, der die Sicherheitslücken kennt, sperrt man ihn lieber weg, als die Lücken zu schließen. Denn man müßte ja nicht nur zugeben, dass es die Lücken gibt, man müsste auch wieder jemandem vertrauen, der sie schließt. Vertrauen ist aber so eine Sache, wenn man nichts von der Sache versteht. Also scheint es menschlich angemessener, einen Menschen zu unterdrücken. – Wenn so die NATO funktioniert, dann Gute Nacht!

  2. Nicht das die ganze Geschichte ganz übel stinkt… Aber ist das auch normal dasFokus Mitarbeiter beim BND sind? Nur wegen Neutralität usw…?

    1. Egal ob sie da direkt arbeiten oder nur netzwerktechnisch mit den Geheimdiensten verbunden sind: Das ist offen bekannt für Focus und Bild.

      1. Es ist offen bekannt, das Geheimdienstmitarbeiter bei Blöd un focus Artikel schreiben?
        Das finde ich generell falsch. Hast du da eine Quelle?

  3. Tja, hätte er anstatt seine Vorgesetzten zu informieren und dafür bestraft zu werden diese Daten an Russland verkauft, dann wäre er jetzt Reich und könnte es sich im Exil sehr gut gehen lassen.

    Ehrlichkeit wird eben bestraft im Deutschen Lande, deshalb gilt entweder Sicherheitslücken verschweigen dann passiert einem nix schlimmes. Oder man verkauft diese Lücken und kassiert prächtig ab. Nur eine Sache sollte man nie tun,die vorgesetzten inkompetenten Internetausdrucker informieren denn für die sind ja alle welche sich mit Sicherheit beschäftigen ja sowieso nur kriminelle.

    Ich an seiner Stelle hätte die Daten auf externe Festplatte gesichert und damit wäre ich dann nach Moskau in den Urlaub gefahren ;)

    1. “ diese Daten an Russland verkauft, dann wäre er jetzt Reich und könnte es sich im Exil sehr gut gehen lassen“
      Warum Russland? Schweden, Österreich und Schweiz sind auch keine Nato-Mitglieder und zahlen bestimmt besser…

  4. Hab ich auch 2 Mal übersehen, dass der Überbringer der schlechten Nachricht IMMER geköpft wird. Diese Systeme (soziologisch) wollen nicht sicher sein, sondern Sicherheit ausstrahlen. Sicherheitslücken sind Gift für die Sicherheitsstrahlkraft. Und in diesen Organisationssystemen ist die Gefährdung der Sicherheit ein Kapitalverbrechen. Vollkommen logisch also, dass jemand der den Anschein der Sicherheit gefährdet als Sicherheitsrisiko beseitigt wird. Deutsche Justiz in ihrer Verschränkung mit Geheimgerichtsbarkeiten und Besatzungsstatuten hat einen reichen Erfahrungsschatz wie man Systemschädlinge fachgerecht ausschaltet. Das ist ein Kinderspiel für die Verfahrensakrobaten. Militär, Politik und Geheimdienste sind nicht von ungefähr in jeder halbwegen Verfassung per Gewaltentrennung streng von der Justiz ferngehalten. Dass es operative Mittel und Wege gibt, den Schein einer Gewaltentrennung aufrecht zu erhalten und trotzdem Einfluss auf „unabhängige“ Ermittlungen und Verfahren zu nehmen gehört zu den abwechslungsreicheren Herausforderungen im stupiden Beamtendasein.

  5. Wäre interessant, wenn die taz den Teil „6,5 Mio Euro auf ausländischen Tarnkonten .. die er gespart hatte …weitgehend geklärt“ etwas ausführlicher dargestellt hätte. Als Beamter, selbst bei 300 Dienstjahren, sind solche Summen nicht zu „ersparen“. Auch mit 30 Jahren Diensterfahrungen hätte er wissen müssen, was er tat. So wie der taz-Artikel fragt, weshalb die Dienste Monate mit der Durchsuchung warteten, kann man fragen, weshalb Klag die Dateien, die er nur von außen an seinen Vorgesetzten schicken wollte, damit solange wartete. Die Geschichte ist so unvollständig, dass sich jegliche seriöse Bewertung verbietet.

    1. „Und für seine Verurteilung spielten die Millionen, die er gespart hatte, keine Rolle, weil die Herkunft weitgehend geklärt werden konnte.“ – Was ist daran unklar? Es ist zwar selten, aber manche Leute schaffen es eben durchaus, im Lotto oder an der Börse zu gewinnen. (Oder durch Porno-Webseiten oder den Betrieb von Bordellen oder Gründung einer lukrativen Sekte oder …) Und wenn ein Gericht bereits zum Schluss gekommen ist, dass das alles mit dem Fall nichts zu tun hat, dann gehört es sich für die Presse nicht, die erwiesenermaßen irrelevanten Details vor den sensationsgierigen Lesern auszubreiten.

      Zu einer seriösen Berichterstattung gehört es tatsächlich, dass ein Journalist sich da nicht auf das Gericht verlässt, sondern sich selber erst mal informiert, was es mit den Millionen auf sich hat. Dazu gehört aber auch, dass er das Ergebnis *nur dann* ohne explizite Erlaubnis des Betreffenden ausbreitet, wenn es tatsächlich relevant ist, und dass er anderenfalls seine Privatsphäre respektiert.

  6. Sorry, dieses Vorgehen ist der „Normalfall“. Ob in diesem Fall oder bei FBI z.B. Sibel Edmonds oder in einer ganz normalen Firma, wo sich Angestellte weigern bei „Untreue“ behilflich zu sein oder sich weigern eine Falschaussage zu machen nur um einen Mitarbeiter loszuwerden. Systeme die über längere Zeit keinen Legitimationszwang unterworfen wurden, tendieren dazu totalitär zu werden. Dies zu verhindern ist die Aufgabe von uns allen.

  7. Die letzte Hoffnung des Manfred K. ruht nun auf dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, den sein Rechtsanwalt Ulrich Sommer angerufen hat. Groß ist die Hoffnung nicht. Und bis zu einer Entscheidung in Straßburg können Jahre vergehen.
    http://www.spiegel.de/politik/deutschland/verurteilter-nato-spion-herr-k-und-das-staatsgeheimnis-a-1082245.html

    Der Rechtsstaat auf Abwegen. Letzte Hoffnung EuGH. Für einen mutmaßlichen „Spion“ der niemals einer war. Whistleblowing in Deutschland. Ein Ende wie in der Türkei.

    Manfred K. darf niemals vergessen werden. Das einzige, womit er Schuld auf sich geladen hat ist: Er versuchte die NATO besser zu machen. Was für eine Torheit!

    Und dennoch braucht Manfred K. unsere Solidarität. Er ist ein Whistleblower, der zu sieben Jahren Knast verurteilt wurde. Sieben schreckliche Jahre Lebensentzug für einen Menschen, nur damit andere nicht auf ähnliche Gedanken kommen.

    Es darf nicht geduldet werden, dass der Rechtsstaat in Deutschland zur Schreckensherrschaft und zum Unrechtsstaat verkommt.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.