Regierungserklärung von Sigmar Gabriel: Wenig Digitales, zu viel Hysterie

Quelle: Deutscher Bundestag, Fotograf Steffen Unger

Obwohl der gestern beschlossene Jahreswirtschaftsbericht den Titel „Zukunftsfähigkeit sichern – Die Chancen des digitalen Wandels nutzen“ (pdf) trägt, sprach Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel in seiner Regierungserklärung heute Morgen wenig über Digitales. Stattdessen betonte er ausdrücklich, wie gut es Deutschland im europäischen Vergleich gehe, und warnte vor Hysterie: Man könne „nun wirklich nicht sagen, dass dieses Land handlungsunfähig sei“, auch und vor allem in Hinblick auf die Aufnahme von Flüchtlingen – eine Krise in der Koalition gebe es nicht.

Zum Ende der 22-minütigen Erklärung, die sich in der Bundestag-Mediathek findet, geht der Bundeswirtschaftsminister dann doch kurz auf den digitalen Wandel ein. So sei das Breitbandausbau-Ziel, sämtliche deutsche Haushalte bis 2018 mit 50 MBit/s zu versorgen, wie es im Koalitionsvertrag festgeschrieben steht, zwar wichtig – könne jedoch nur ein Zwischenziel sein, um zu „wesentlich schnellerem Netz“ zu kommen. Gabriel wies auf die neue Aufstellung des digitalen Ordnungsrahmens durch die EU-Datenschutz-Grundverordnung hin sowie die Novellierung des Gesetzes über Wettbewerbskontrolle – damit verknüpft sei die Frage, ob „[wir] zulassen können, dass die Giganten der Datenmärkte immer größer werden“.

In der Übersicht zu den Schwerpunkten (pdf) des Jahreswirtschaftsberichts heißt es zum digitalen Ordnungsrahmen:

Die Digitalisierung bietet große gesellschaftliche Chancen und eröffnet enorme Potenziale für zusätzliche Wertschöpfung. Die Bundesregierung greift den digitalen Wandel auf und schafft gemeinsam mit Wirtschaft, Gewerkschaften, Wissenschaft und Zivilgesellschaft die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Digitalisierung. Sie entwickelt den ordnungspolitischen Rahmen weiter und berücksichtigt dabei die Besonderheiten digitaler Märkte. So wird die Bundesregierung einen Entwurf für eine 9. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) vorlegen, der auch den Anforderungen der voranschreitenden Digitalisierung Rechnung trägt. Mit der Vergaberechtsreform hat die Bundesregierung ein einfaches und anwenderfreundliches Vergaberecht geschaffen. Mit dem IT-Sicherheitsgesetz hat sie die Sicherheit informationstechnischer Systeme signifikant verbessert. Wichtig ist außerdem eine schnelle Einigung über die europäische Datenschutz-Grundverordnung, die einen einheitlichen europäischen Rechtsrahmen für die Verarbeitung personenbezogener Daten schafft.

Zum Handelsabkommen TTIP (Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft) zwischen den USA und der EU heißt es, die Bundesregierung setze sich dafür ein, „hohe Schutzstandards, insbesondere im Bereich des Umwelt-, Arbeitnehmer-, Verbraucher- und Datenschutzes sowie der IT-Sicherheit und der Daseinsvorsorge“ aufrechtzuerhalten oder zu schaffen. Über diese können sich seit in naher Zukunft auch Abgeordnete des Deutschen Bundestages in sogenannten TTIP-Leseräumen informieren.

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5 Ergänzungen

  1. wenn der Staat handlungsfähig ist, dann kann er ja den ehrenamtlichen Helfern auch mind. den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn von 8,50 EUR/h zahlen, bis dahin sollten alle ehrenamtlichen Helfer in den Streik treten, damit VDS-Siggi seine Behauptung belegen kann, so fair sollte man schon sein. Ach so, Digitales … *auchblub*.

  2. Sigmar Gabriel ist Mr. TTIP in der SPD. Er ist Transatlantiker und TTIP ist gewollt und beschlossen in der SPD. Die Frage für die SPD ist nur, wie man das Vertragswerk schnell verabschieden kann, ohne den Schaden bei der nächsten Bundestagswahl zu vergrößern.
    Der SPD-Vorstand ist es mittlerweile überdrüssig, sich mit lästigen Verbraucherschutz-Fragen auseinander zu setzen. „German Socialists just want to get TTIP done!“ – So what?

  3. Wer im Neuland lebt, sollte nicht mit Phrasen (und Daten) werfen.

    Wozu braucht Sigmar Gabriel eigentlich eine Regierungserklärung? Den will doch eigentlich keiner haben, der war nur zufällig im richtigen Moment SPD-Chef.

    1. > der war nur zufällig im richtigen Moment SPD-Chef.

      Es gab ein Zeitfenster, wo Gabriel möglich wurde. Die Frage ist nur, ob sich dieses Tool selbst installiert hat. Es gab transatlantische Königsmacher.
      Gabriel wird vom Großteil der Parteibasis als Fremdkörper empfunden, während Konkurrenten ihn als redundant ansehen.

      Dann gibt es noch die Gruppe der Denker, die der Partei nahelegen, auf eine Kanzlerkandidatur zu verzichten. Dies ist nur teilweise bezogen auf die Persönlichkeit Gabriels. Gabriel ist für jene ein Platzhalter, ein Dummy für eine Zeit, die es zu überstehen gilt. Solange der Dummy seinen Zweck erfüllt, muss man niemanden anderen auf dem Schleudersitz gefährden.

  4. „Die Digitalisierung bietet große gesellschaftliche Chancen…“, und wenn jemand seinen Strom nicht zahlen kann hat er/sie dank VoIP Umstellung auch kein Telefon mehr. Da erhält das Wort Fortschritt eine andere Bedeutung.

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