Reaktionen auf Reformvorschläge der EU-Kommission: „Es hätte nicht schlimmer kommen können“ (Update)

Die heute vorgestellten Pläne der EU-Kommission zur Urheberrechtsreform und zur Neuregelung der Telekommunikationsmärkte werden mit Kritik überschüttet. Wir geben einen ersten Überblick.

Günther Oettinger (Archivbild). Foto: CC-BY 2.0 connect@epp.eu

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Bei einer Pressekonferenz haben heute der Vizepräsident der EU-Kommission, Andrus Ansip, und Digitalkommissar Günther Oettinger die Vorschläge der EU-Kommission für eine Modernisierung des Urheberrechts und der Telekommunikationsmarktregeln vorgestellt. Beide Initiativen sind Teil des zentralen Großprojekts der EU-Exekutive, einen digitalen Binnenmarkt für Europa zu schaffen. Die Pressekonferenz selbst war gewohnt schwammig, die konkreten Vorschläge für die beiden Reformvorhaben haben es jedoch in sich.

Dass gleich zwei so unterschiedliche Projekte auf einmal präsentiert werden, dürfte kein Zufall sein. Der Großteil der öffentlichen Aufmerksamkeit liegt auf der heiß diskutierten Urheberrechtsreform und hier vor allem auf dem absurden Vorschlag für ein europäischen Leistungsschutzrecht. Doch auch die anderen Vorschläge zum Urheberrecht, etwa Upload-Filter für urheberrechtlich geschütztes Material, sind kritisch zu sehen. (Unsere ausführliche Kritik des bereits im Vorfeld geleakten Entwurfes findet sich hier: Viele Versäumnisse, dafür 20 Jahre Leistungsschutzrecht)

Wie unsere erste Analyse der Vorschläge zur (De-) Regulierung des Kommunikationsmarktes zeigt, verdient jedoch auch der zweite Vorschlag ausgiebige Diskussion. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen sieht den Wettbewerb im EU-Telekommunikationsmarkt gefährdet, so Lina Ehrig, Leiterin Team Digitales und Medien:

Die Kommission riskiert mit ihren Vorschlägen, den Wettbewerb zugunsten von nationalen Platzhirschen auszuhöhlen. Höhere Preise für Verbraucher, geringere Angebotsvielfalt und weniger Innovation könnten langfristige Folgen sein.

Reaktionen auf den Copyright-Vorschlag: vernichtend

EU-Kommissar Günther Oettinger ahnte womöglich bereits, wie die Reaktionen auf die Reformvorschläge ausfallen würden. Er gab sich während der PK jedenfalls vergleichsweise bescheiden:

Wir behaupten nicht, dass wir alleine wissen, wie man das richtig macht.

Diese Sichtweise bestätigt unser Überblick der Reaktionen auf den Vorschlag zur Copyright-Reform: Außer den Verlagen, die sich über ihren Lobbyerfolg in Sachen Leistungsschutzrecht freuen, ist eigentlich niemand zufrieden.

Medien und Zivilgesellschaft

Joe McNamee, Geschaftsführer bei European Digital Rights, stellt den neuen Urheberrechtsplänen ein vernichtendes Urteil aus(unsere Übersetzung):

Wir brauchen eine Urheberrechtsreform, die Europa für das 21. Jahrhundert fit macht. Jetzt haben wir einen Vorschlag, der Gift für europäische Meinungsfreiheit, europäische Unternehmen und Kreativität ist. Es hätte nicht schlimmer kommen können.

Für Ars Technica UK, schreibt Glynn Moody (unsere Übersetzung):

Dass die Kommission keinerlei Schritte — wie zum Beispiel sich um eine Panoramafreiheit zu kümmern — vorgenommen hat, um der Empörung entgegenzuwirken, zeigt, dass sie entweder vollkommen den Bezug zu den Wünschen und Bedürfnissen von Online-Nutzern verloren hat oder dass sie diese kennt aber ignoriert.

Der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands, Frank Überall, drückt genauso klar seine Unzufriedenheit aus:

Der von Digitalkommissar Günther Oettinger am heutigen Mittwoch vorgestellte Entwurf [nützt] den Urhebern wenig und [hat] deshalb sein Ziel verfehlt, ein modernes europaweites Urheberrecht zu schaffen. […] Die EU-Kommission [hat] die Chance vertan, mit einem innovativen Rechtsrahmen die Position der Urheber zu stärken. Das Oettinger-Papier liest sich so, als hätten die Lobbyisten der Verlage dabei die Regie geführt. In der jetzt vorliegenden Fassung [darf] das Papier keinesfalls angenommen werden.

Die Mozilla Foundation bemängelt ebenso die unzeitgemäßen Vorschläge und resümiert:

Der Richtlinienentwurf, der heute veröffentlicht wurde, verfehlt voll und ganz das Ziel einer modernen Reform, die Kreativität und Innovation im Binnenmarkt erlaubt.

iRights, das sich besonders für ein fortschrittliches Urheberrecht einsetzt, gibt sich enttäuscht:

Statt das Urheberrecht zu modernisieren, will die EU-Kommission die Probleme durch mehr Rechte, mehr Lizenzen und mehr Kontrollen lösen. Mit ihren Plänen stellt sie sich hinter alte Industrien – doch im Ergebnis würden erneut die großen Plattformen gestärkt.

Angela Gruber kommentiert auf Spiegel Online die Pläne und sagt zum geplanten Leistungsschutzrecht:

In Deutschland hat die Idee nicht gezündet, in Spanien ist sie ebenfalls gescheitert: In der Logik von EU-Digitalkommissar Günther Oettinger sind das offenbar gute Voraussetzungen, umstrittene Regeln für den Schutz von geistigem Eigentum bald europaweit auszuprobieren. Am Ende könnte sein Plan dem einzelnen Internetnutzer schaden.

Die Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) hat sich auch nochmal zu den geplanten Urheberrechtsänderungen geäußert. Der Vorstand Klaus Müller drückt seine Enttäuschung aus:

Aus Verbrauchersicht sind die Vorschläge der EU-Kommission eine große Enttäuschung. Das Urheberrecht ist schon längst Alltagsrecht für jeden Verbraucher geworden. Es kann nicht sein, dass bei jedem Posten, Verlinken, Teilen oder Erstellen eines Bildes, Videos oder Textes die Gefahr besteht, abgemahnt zu werden. Diese massive Rechtsunsicherheit muss dringend abgeschafft werden.

Wirtschaft

Der Digitalverband Bitkom kritisiertzentrale Punkte aus den heute veröffentlichten Entwürfen“ und tritt dafür ein, dass diese „in den anstehenden Beratungen im EU-Parlament im Sinne innovationsfreundlicher Lösungen korrigiert werden.“ Der Bitkom-Generalsekretär sieht hier noch viel Verbesserungspotential.

Von einer „verpassten Chance“ spricht ebenso eco, der Verband der Internetwirtschaft:

Eine Novellierung böte die Chance, den rechtlichen Rahmen neu zu definieren und dabei nicht nur an die gegenwärtige Realität anzupassen, sondern die Regelungen zukunftstauglich zu machen. Doch mit dem heute von der Europäischen Kommission veröffentlichten Entwurf zur Urheberrechts-Richtlinie scheint diese große Chance vertan.

Auch Maximilian Schubert, Generalsekretär der Internet Service Providers Austria, zeigt sich nicht sehr begeistert:

Anstatt an Reformen zu arbeiten, die einerseits dem Konsumverhalten der Nutzerinnen und Nutzer Rechnung tragen und andererseits innovative Online-Angebote stärken, lässt die Europäische Kommission mit Vorschlägen aufhorchen, die aus unserer Sicht letztendlich auf eine Schwächung der digitalen Wirtschaft Europas hinauslaufen.

Politik

Die Grünen Netzpolitiker Tabea Rößner, Jan Philipp Albrecht, Malte Spitz und Konstantin von Notz fassen im Blog GRÜNDIGITAL zusammen:

Die europäische Kultur- und Digitallandschaft wartet seit Jahren auf eine zukunftsgewandte und vereinheitlichende europäische Urheberrechtsreform. Die EU-Kommission legt heute Reformvorschläge vor, die teils versuchen herkömmliche Geschäftsmodelle dem Netz aufzuzwingen, anstatt Kreativität und Innovation zu fördern. Zudem geht sie dringend erforderliche Reformen für Urheberinnen und Urheber und Nutzerinnen und Nutzer nicht konsequent an.

Und auch Halina Wawzyniak, stellvertretende Vorsitzende und netzpolitische Sprecherin der Partei DIE LINKE, findet keine guten Worte:

Was schon Dank Leaks vor ein paar Wochen zu erahnen war, wird nun bittere Realität. Geht es nach Oettinger, bräche in der EU bald die digitale Steinzeit aus.

Julia Reda, Abgeordnete der Piratenpartei im Europaparlament, befürchtet nicht nur eine „Einschränkung der Meinungsfreiheit“, generell stellt sie dem Vorschlag ein sehr schlechtes Zeugnis aus:

Kommissar Oettingers rückschrittlichen Pläne sind rückschrittlich und eine Katastrophe für das Internet. Er hat die Urheberrechtsform von Wirtschaftsinteressen vereinnahmen lassen und die Bedürfnisse von Künstler*innen und Nutzer*innen ignoriert. Der Versuch, das Internet an analoge Geschäftsmodelle anzupassen, ist zum Scheitern verurteilt. Er wird verheerende Kollateralschäden anrichten.

Update: Die Auswahl der Stimmen wurde durch iRights, Spiegel Online und vzbv ergänzt.

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14 Ergänzungen

  1. Natürlich wappnet sich die Lobby der Verleger und Medienunternehmen nicht für die digitale Steinzeit sondern für die digitale Zukunft. Das Ausschlachten der Resourcen die in den letzten Jahren bereitwillig von den Urhebern in die Medienunternehmen mit Buy-Out Verträgen, Lizenzmodellen al la Royalty Free, Microstock und CreativeCommons investiert wurde. Jetzt ist es an der Zeit Kasse zu machen. Wer jetzt immer noch davon spricht die Urheber an den wirtschaftlichen Erträgen fair zu beteiligen streut Sand in die Augen aller beteiligten.

    Als Knecht zu schaffen um den Mediengiganten seine geldwerten Arbeiten Gratis oder zumindest weit unter Wert zur Verfügung stellen, um ein Minimum des Augenblicks kurzer Prominenz und Berühmtheit zu genießen, scheint für erstaunlich wieviele Menschen die Erfüllung zu sein.

    Wohl ein Phänomen der digitalen Ära – Aufmerksamkeit um jeden Preis und Menschen sind offensichtlich bereit umsonst bzw. am Rande des Existenzminimums zu arbeiten . Nebenbei – das gehört zur Umverteilung von unten nach oben dazu.

  2. War wohl ein Kardinalfehler, Politiker auf der Resterampe ins EU-Parlament abzuschieben, in der Hoffnung dass sie dort schon nichts kaputt machen. Vom Lobbyisten-Honeypot Öttinger hab ich nichts anderes Erwartet.

      1. BTW, das „Reda “ Ihren Namen bzgl. des durchausgelungen Berichtes nicht zurückgezogen hat, spricht Bände bzgl. politischer Karriere um jeden Preis und politischer Mentalität Wirbelloser Tiere. Der Bericht hat nach knapp 600 Änderungen von Redas Entwurfseinreichung genauso soviel mit Redas Entwurf zu tun -> NICHTS! Der wurde komplett ins Gegenteil Ihrer Ambitionen verkehrt. Mit auch nur einen hauch von Rückrat, hätte die reda Ihren Namen zurückgezogen. Tat Sie aber nicht, weil Sie halt doch so Bschon 2014 so bauernschlau war zu wissen, dass die Piraten verschwinden werden, aber ein Name auf einem wichtigen papier bleibt.

  3. Zitat von Heise: Auch andere Elemente des Entwurfs schmecken nicht allen. Für den eco etwa ist die vorgesehene Pflicht für Host-Provider, mit einer Software Inhalte zu durchsuchen und illegal hochgeladene Werke auszusortieren „hochproblematisch“. Dies gelte auch für die Auflagen, Lizenzvereinbarungen mit Rechteinhabern für „nutzergenerierte Inhalte“ abzuschließen. Klar sei dabei nur, dass damit die Haftungsprivilegien aus der E-Commerce-Richtlinie untergraben würden. Insgesamt drohe ein „herber Rückschritt“ für den digitalen Binnenmarkt. EDRi meint, solche „Upload-Filter“ seien nicht einmal in den „schlimmsten Diktaturen“ zu erwarten.

    Die EU ist eine schlimme Diktatur, wer weiß dass noch nicht?

    Zitat Heise: Klaus Müller, Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (vzbv) sprach von einer „großen Enttäuschung“. Es könne nicht sein, „dass bei jedem Posten, Verlinken, Teilen oder Erstellen eines Bildes, Videos oder Textes die Gefahr besteht, abgemahnt zu werden“. Die EU-Kommission nur die Wünsche von Konzernlobbyisten wie der Verleger berücksichtigt.

    Ich möchte gerne die Frage beantwortet haben ob Suchmaschinen wie Google weiter Links zu Warez Webseiten wie Goldesel zeigen dürfen in ihren Suchergebnis?
    Oder auch Links zu verbotenen Webseiten in Deutschland wie Japan Beastiality – Free Animal Porn oder Webseiten mit Hacker Software oder FKK Family Nudists | For All Ages – Nudist Pictures Webseiten die in Deutschland als Kinder Pornos gelten seit den Fall Sebastian Edathy?

    Was ist mit Suchmaschinen im Tor Netzwerk, werden die dann die einzigen sein, die weiter Links zu Warez Content zeigen werden? Werden alle User ins Tor Netzwerk flüchten?

  4. Der Öttinger ist einfach nur noch Peinlich….wann wird endlich mobil gemacht um die alle abzuwählen… 2017 ist nicht mehr fern… nochmal 4 jahre rot schwarz und die aussortierten bei uns nicht mehr wählbaren abschieben nach Brüssel? Schickst de Müll hin kannst auch nur Dreck erwarten … der dabei rauskommt. So offensichtliche LobbyProstitution sollte Strafbar sein, dass hat doch nix mehr mit öffentlichem Interesse zu tun.
    Muss der nicht langsam in Rente oder so? Kann nicht jemand mal die mumelGreise abwählen und ins betreute Altenteil schicken, dort brauchen sie sich auch nicht mehr fr der Zukunft ängstigen….

    Einfach nur noch Ekelhaft…

    1. Seit wann kannst Du das EU Personal (ab)wählen? Dafür müsstest Du schon Wahlergebnisse in D erreichen die reines Wunschdenken sind.

      1. so war es gemeint… in d die abwählen die den letzten unwählbaren Politiker nach Brüssel schicken damit er sich bereichern kann… Öttinger ist ja nur einer von vielen die anderen wie unteranderem von Gutenberg halten halt die Füsse still und kassieren ohne groß durch irgendwelchen mist aufzufallen…
        Ab 60 Sollte einfach niemand mehr wählbar sein für irgendwelche politischen Ämter

  5. @ peter … wann wird das Tor netzwerk Illegal… solltest du fragen den darauf läuft es doch hinaus… solange die masse scandiert „Ich habe nix zu verbergen, bei mir finden die nix“….
    Doch jeder hat etwas zu verbergen seine Privatsphäre allem vorann vor Konzernen und jedem anderen der minutiös deinen Tagesabläuf verfolgen will.

  6. Demokratie … Diktatur … wo ist der Unterschied?
    Ein Zwiegespäch aus der Vergangenheit:
    OSS 117 :Was reden Sie denn da?
    Sie sind zwar recht Hübsch, haben keine Ahnung von Politik!
    Wissen Sie überhaupt was das ist, eine Diktatur?
    In einer Diktatur sind zuerst einmal alle Kommunisten, dann ist es immer Kalt, die Leute haben graue Hüte und Schuhe mit Reißverschluss!
    Ja, das ist eine Diktatur!

    israelische Agentin: Ach so? … und wie nennen Sie ein Land mit einem Militär als Machthaber, mit einer Geheimpolizei und einem einzigen Fernsehsender, der vom Staat kontrolliert wird?

    OSS 117: Das meine Liebe nenne ich Frankreich!
    … und nicht nur irgendeins!
    Das Frankreich von General de Gaule!

    … das ist eine Demokratie (Frankreich, General de Gaule …), die auch unsere Politiker gern hätten und darauf hin arbeiten!
    Warum sollte es EU weit Unstimmigkeiten unter den Politikern geben?

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.