Quellen-TKÜKonferenz der Justizminister fordert Ausweitung von Staatstrojaner-Einsätzen (Update: Koalitionskrach in Thüringen)

Der Einsatz von Staatstrojanern soll auf mehr Behörden und mehr Straftaten ausgeweitet werden. Dazu fordern die Justizminister der Bundesländer einstimmig eine Rechtsgrundlage vom Bundesjustizminister. Der Berliner Justizsenator freut sich über „weniger faktisch rechtsfreie Räume“.

Gruppenbild der Justizminister:innen auf ihrer Frühjahrskonferenz. CC-BY-NC-ND 2.0 Justizministerium Brandenburg

Vor zwei Wochen haben wir berichtet, dass die Landes-Justizminister eine Legalisierung und Ausweitung von Staatstrojanern fordern. Das wurde wie erwartet beschlossen.

Auf der Webseite der Konferenz finden sich 44 Beschlüsse, darunter auch der (von uns veröffentlichte) Beschluss „Schaffung einer rechtlichen Grundlage für die Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ)“:

Die Justizministerinnen und Justizminister haben sich vor dem Hintergrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 20. April 2016 – 1 BvR 966/09 – zur Vereinbarkeit des Bundeskriminalamtsgesetzes (BKAG) mit dem Grundgesetz mit der Thematik der Quellen-TKÜ befasst. Sie sind der Auffassung, dass die Quellen-TKÜ ein unverzichtbares Instrument der Strafverfolgung darstellt.

Die Justizministerinnen und Justizminister bitten den Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz um Prüfung, wie im Lichte der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung eine eigenständige Rechtsgrundlage für den Einsatz der Quellen-TKÜ geschaffen werden kann.

Laut unseren Informationen fiel die Entscheidung einstimmig, alle 16 Bundesländer stimmten dafür: auch das rot-rot-grüne Thüringen und das grün-schwarze Baden-Württemberg.

Der Berliner Justizsenator Thomas Heilmann freut sich in einem Schreiben:

Ich kann Ihnen heute berichten, dass die Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister in der vergangenen Woche auf meine Initiative hin einstimmig beschlossen hat, dass die Quellen-TKÜ ein unverzichtbares Instrument der Strafverfolgung darstellt. Der Bundesjustizminister wurde gebeten, eine eigenständige Rechtsgrundlage für den Einsatz der Quellen-TKÜ vorzuschlagen.

Das ist ein großer Erfolg für eine effektive Strafverfolgung in unserem Land, der, wenn das Gesetzgebungsvorhaben umgesetzt ist, insbesondere auch die Arbeit der Berliner Behörden deutlich vereinfachen und beschleunigen wird. Eine eigenständige Rechtsgrundlage für die Quellen-TKÜ bedeutet mehr Rechtssicherheit und weniger faktisch rechtsfreie Räume.

Wir fragen uns noch, welche „rechtsfreien Räume“ weniger werden: die juristische Grundlage staatlicher Schadsoftware oder unsere Rechner, die damit dann infiziert werden.

Update: Die Linke in Thüringen kritisiert den Beschluss und kommentiert in einer Pressemitteilung: „Keine Zustimmung zur Einführung von sogenannten Staatstrojanern“

Wie netzpolitik.org berichtete, hat die Konferenz der Justizminister beschlossen, die Schaffung einer eigenständigen Rechtsgrundlage für den Einsatz der Quellen-Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) zu prüfen. Auch das grün geführte Thüringer Ministerium für Justiz hat diesem Beschluss zugestimmt.

Katharina König, Sprecherin für Netzpolitik der Fraktion DIE LINKE im Thüringer Landtag, erklärt dazu: „Damit haben die Justizminister de facto die Ausweitung des Einsatzes eines Universaltrojaners, oder besser des Staatstrojaners, gefordert. In Thüringen haben sich die Parteien LINKE, SPD und Grüne im Koalitionsvertrag klar und eindeutig gegen Eingriffe in die informationelle Selbstbestimmung ausgesprochen, explizit wurde dabei auch der Einsatz des Staatstrojaners abgelehnt.“ So heißt es im Koalitionsvertrag: „Wir werden jegliche – auch rechtliche und gerichtliche – Möglichkeiten ausschöpfen, um die Einführung und/oder Nutzung der genannten Eingriffe in Thüringen zu verhindern.“

„Der Koalitionsvertrag gilt, scheinbar hatte das Ministerium diesen bei der Abstimmung in der Bundesjustizministerkonferenz nicht präsent“, so König. „Es gilt, Grundrechte zu schützen und die Privatsphäre zu achten. Die Quellen-TKÜ ist nach wie vor kein adäquates rechtsstaatliches Mittel und stellt eine allgemeine Gefahr für die Integrität von informationstechnischen Systemen dar. Die Koalitionsfraktionen werden sich nun mit diesem Abstimmungsverhalten des Thüringer Justizministeriums befassen“, so die Abgeordnete abschließend.

7 Ergänzungen

  1. Das Problem der Behörden ist ja durchaus real – ich frage mich nur, wie man einen Trojaner, der allein bestimmte Windows-Desktops infizieren kann, ernsthaft als Ende der „rechtsfreien Räume“ in Sachen TK-Überwachung feiern kann … da ist wohl eine Menge Realitätsverweigerung im Spiel.

  2. Niemand hat die Absicht, einen Überwachungsstaat zu errichten, oder etwa doch? Dass unser Thüringer Justizminister den Staatstrojanerplänen keine Absage erteilte, enttäuscht mich. Zum Glück gibt es einen Koalitionsvertrag von Rot-Rot-Grün, auf dessen Einhaltung MdL Katharina König pocht, und der dem Staatstrojaner-Unfug zuwiderläuft. Nun wollen wir doch mal sehen, ob „pacta sunt servanda“ Geltung besitzt.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.