Polizeiliche KriminalstatistikImmer weniger Online-Kriminalität, immer bessere Aufklärung

Computerkriminalität, Daten-Ausspähung, Tatmittel Internet: Deutsche Ermittler erfassen immer weniger Fälle von „Cybercrime“, die immer besser aufgeklärt werden. Das geht aus der Polizeilichen Kriminalstatistik 2015 hervor. Schwere Straftaten fallen gar nicht ins Gewicht.

Bundesinnenminister de Maizière und saarländischer Innenminister Bouillon bei der Vorstellung der Kriminalstatistik. Bild: Henning Schacht.

Gestern wurde wieder die jährliche Polizeiliche Kriminalstatistik vorgestellt. Wir haben die 135 Seiten mal wieder nach netzpolitisch relevanten Punkten durchsucht. Hier der relevante Abschnitt:

Im Jahr 2015 wurden 244.528 Fälle erfasst, die unter Nutzung des Tatmittels Internet begangen wurden (2014: 246.921 Fälle). Dies bedeutete einen Rückgang um 1,0 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Überwiegend handelte es sich hierbei um „Betrugsdelikte“ (Anteil: 74,5 Prozent; 182.278 Fälle), darunter vor allem „Warenbetrug“ (30,4 Prozent, 2014: 29,9 Prozent).

7,3 Prozent aller mit dem Tatmittel Internet begangenen Delikte sind Fälle von „Computerbetrug“ (2014: 6,7 Prozent). Dessen Fallzahl ist von 16.536 (2014) auf 17.857 Fälle (2015) gestiegen. Die „Verbreitung pornografischer Schriften“ über das Internet ist von 6.774 auf 6.983 Fälle gestiegen (+3,1 Prozent); das sind 2,9 Prozent aller mit Tatmittel Internet begangenen Fälle.

Bei „Ausspähen und Abfangen von Daten, einschließlich Vorbereitungshandlungen“ ist die Fallzahl mit einem Anteil von 3,1 Prozent (7.567 Fälle) rückläufig (2014: 4,0 Prozent bei 9.773 Fällen).

Die „Computerkriminalität“ ist im Jahr 2015 um 5,2 Prozent auf 70.068 Fälle (2014: 73.900 Fälle) gesunken. Dies ist überwiegend auf einen Rückgang der Fallzahlen bei „Ausspähen, Abfangen von Daten einschl. Vorbereitungshandlungen“ (-19,0 Prozent auf 9.629 Fälle) und bei „Datenveränderung, Computersabotage“ (-37,5 Prozent auf 3.537 Fälle) zurückzuführen.

Die „IuK-Kriminalität im engeren Sinne“ ist eine Teilmenge der Straftaten im Deliktsbereich der Computerkriminalität. In diesem Bereich wurden 45.793 Fälle und damit gegenüber dem Vorjahr ein Rückgang um 8,3 Prozent registriert (2014: 49.925 Fälle). Die Aufklärungsquote ist insgesamt um 3,5 Prozentpunkte auf 32,8 Prozent und im Teilbereich „Datenveränderung und Computersabotage“ um 9,0 Prozentpunkte auf 26,7 Prozent (2014: 17,7 Prozent) gestiegen.

Also: immer weniger Straftaten, immer bessere Aufklärung. Und das ganz ohne Vorratsdatenspeicherung, denn die ist immer noch nicht in Kraft.

In den letzten Jahren haben wir gerne aufgezeigt, dass Straftaten mit dem „Tatmittel Internet“ häufiger aufgeklärt werden als im Gesamtdurchschnitt. In diesem Jahr gibt es dazu keine Aufklärungsquote mehr. Dafür aber einen Überblick über die Arten dieser Straftaten:

Straftatenanteile mit Tatmittel Internet. 244.528 Fälle. Quelle: Polizeiliche Kriminalstatistik 2015.
Straftatenanteile mit Tatmittel Internet. 244.528 Fälle. Quelle: Polizeiliche Kriminalstatistik 2015.

Betrug, Urheberrecht und Pornos: Nichts davon sind schwere Straftaten, mit denen Überwachungsmaßnahmen wie Vorratsdatenspeicherung und Staatstrojaner immer begründet werden. Aber um Zahlen und Fakten geht es ja selten.

(Hinweis: Die Aussagekraft der Polizeilichen Kriminalstatistik ist begrenzt.)

16 Ergänzungen

  1. Das mag auch daran liegen, dass Cum-Ex-Geschäfte (Dividendenstripping) mit freundlicher Genehmigung des Bundesfinanzhofes („zivilrechtliche Eigentumshülle“) nach wie vor legal sind. Auf diese Weise werden etliche Milliarden an Kapitalertragssteuern mehrfach aus Steuermitteln erstattet. Das ist beste Internet/Computerlegalität.

  2. Ja weil die Polizeiliche Kriminalstatistik nur Straftaten mit deutschen Tätern/IP-Adressen registriert. Alle Fälle mit Auslandsbezug werden in der PKS nicht erfasst. Ist doch logisch, dass die Zahlen sinken.

    1. Wo hast du das denn her? Die Beschreibung ganz am Anfang lautet:

      Die PKS ist eine sogenannte Ausgangsstatistik. Das bedeutet, dass in ihr nur die der Polizei bekannt gewordenen und durch sie endbearbeiteten Straftaten, einschließlich der mit Strafe bedrohten Versuche und der vom Zoll bearbeiteten Rauschgiftdelikte, abgebildet werden und eine statistische Erfassung erst bei Abgabe an die Staatsanwaltschaft erfolgt.

      Das Wort „IP-Adresse“ findet sich gar nicht im PDF, „Ausl[a|ä]nd*“ nur zu Ausländerrecht.

      Ich gehe davon aus, dass alle Straftaten, die deutschen Behörden gemeldet wurden, drin sind.

      1. Zitat aus den Richtlinien!
        Quelle: http://www.bka.de

        „In der Polizeilichen Kriminalstatistik sind Staatsschutz- und Verkehrsdelikte sowie Straftaten, die außerhalb der Bundesrepublik Deutschland begangen wurden, nicht enthalten.“

        1. Dieses Zitat findet sich in älteren Ausgaben, aber nicht in der aktuellen. Ich habe dennoch beim BKA nochmal angefragt, das das bedeutet, wenn beispielsweise eine Person in der BRD Opfer von Online-Betrug wird und Anzeige erstattet, die IP-Adresse des Täters aber ins Ausland zeigt. Die Antwort werde ich hier nachliefern.

          1. tl;dr: So einfach ist es nicht. Es kommt darauf an.

            Wenn die Ermittler tatsächlich nur eine IP-Adresse haben, die ins Ausland zeigt, dann wäre dieser Fall tatsächlich nicht in dieser Statistik. Laut BKA ist das aber äußerst selten, denn in den meisten Fällen gibt es weitere Details, anhand denen die Polizei ermitteln kann, ob die Tat in der BRD oder im Ausland begangen wurde.

            Aber auch diese Taten gehen nicht verloren und werden weiter registriert und bearbeitet. Und nächstes Jahr soll auch die Methodik der PKS überarbeitet werden, vielleicht tauchen dann ja auch die Fälle mit Auslandsbezug auch auf.

            Danke für den Hinweis.

  3. Hi Andre,

    danke für den Artikel. Mich wundert nur etwas deine Feststellung „Betrug, Urheberrecht und Pornos: Nichts davon sind schwere Straftaten…“. Du verlinkst ja selber den §100a StPO. Da steht in Absatz 2 Nr. 1:

    „Schwere Straftaten (…) sind:
    g) Verbreitung, Erwerb und Besitz kinder- und jugendpornographischer Schriften…
    n) Betrug und Computerbetrug…“

    Richtig ist natürlich, dass hier überwiegend strafverschärfende Qualifikationstatbestandsmerkmale erfüllt sein müssen.

    1. „Kinder- und Jugendpornografie“ ist etwas anderes als „Pornografie“.
      Bei „Betrug und Computerbetrug“ hast du Recht: „unter den in § 263 Abs. 3 Satz 2 genannten Voraussetzungen und im Falle des § 263 Abs. 5, jeweils auch in Verbindung mit § 263a Abs. 2“.
      Aber auch das sind nicht Straftaten gegen Leib, Leben oder die sexuelle Selbstbestimmung, mit denen uns die Vorratsdatenspeicherung immer verkauft wurde.

      1. Verkauft wurde: Aus der dort zitierten SPD-Papier, Beispiele für schwere Straftaten:
        „Mit der Zuordnung einer IP-Adresse kann / könnte man Täter, Käufer, Besitzer von *Kinderpornografie* überführen“

      2. Unter Pornografie sind alle 184er zusammenfasst, zumindest bei letzteren geht es damit auch um Straftaten gegen Leib, Leben oder sexuelle Selbstbestimmung.

      3. @andre

        „„Kinder- und Jugendpornografie“ ist etwas anderes als „Pornografie“.“

        Dem kann ich nicht widersprechen. Da es dafür keine eigene Kategorie gibt, bin ich davon ausgegangen, dass die das da mit rein gepackt haben.

        Mich würde ja allgemein echt interessieren, welcher Anteil der Straftaten „mit Tatmittel Internet“ insgesamt überhaupt die Anforderungen von 100a Absatz 2 StPO erfüllt. Ich könnte mir gut vorstellen, dass das deine Argumentation unterstützt und der nicht so groß ist.

        Wenn euch das auch interessieren sollte, dann könntest du ja beim BKA nochmal nachfragen. Ich habe da nicht so einen direkten Draht. :)

  4. Dass die Zahlen von Computerbetrug einschl. „Ausspähen“ und „Sabotage“ gesunken sind, liegt sicher daran, dass neue Gesetze dazugekommen sind, die derartiges legalisieren ;)

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.