Netzpolitischer Wochenrückblick KW 11: Netzgemeinde, NSAUA und Netzsperren

Der Zeuge wies jede Verantwortung von sich (Foto: Laura R/flickr, CC BY-NC 2.0)

Vom Leistungsschutzrecht ist schon seit längerem nichts mehr zu hören gewesen. Wir haben Akten gewälzt und herausgearbeitet, wie die „Netzgemeinde“ beim Gesetzgebungsverfahren ignoriert worden ist. Dieses und mehr Themen in unserem Netzpolitischen Wochenrückblick.

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Die Netzgemeinde & das Leistungsschutzrecht

Das Leistungsschutzrecht stand von Anfang an unter keinem guten Stern: Entstanden unter Druck der Verlegerlobby, wird es bislang kaum genutzt und beschäftigt vor allem die Gerichte. Durch eine IFG-Anfrage haben wir Dokumente zum Entstehungsprozess des Gesetzes erhalten, die zeigen, dass die Bundesregierung sich vor allem um die Beziehungen zu den Verlegern Sorgen machte und wenig um die Bedenken der Zivilgesellschaft und Bürgerrechtsorganisationen.

Auch ein weiteres Gesetzesvorhaben der Bundesregierung hat einen Dämpfer bekommen: Der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof hat sich im Verfahren zur Störerhaftung gegen die Pläne der Bundesregierung ausgesprochen. Es könne Anbietern von offenen WLANs nicht zugemutet werden, diese mit Passwörtern zu versehen und die Kommunikation zu verfolgen.

Steinmeier vorm NSA-Untersuchungsausschuss

Am Donnerstag war Frank-Walter Steinmeier als Zeuge vor dem Geheimdienst-Untersuchungsausschuss geladen. Er rechtfertigte die in seiner Zeit als Kanzleramtsminister vertraglich festgehaltene Zusammenarbeit zwischen BND und NSA mit den Anschlägen des 11. September 2001 und zeigte sich erstaunt vom Ausmaß der Überwachung der US-Amerikaner. Er habe davon nichts gewusst und auch von problematischen Selektoren will er erst später gehört haben. Nachzulesen sind Steinmeiers Aussagen in unserem Liveblog und der Zusammenfassung.

Den Stein ins Rollen gebracht hatten ja 2013 die Leaks von NSA-Dokumenten durch Edward Snowden. Auf ihrer Jagd nach ihm wollte das FBI an sein E-Mail-Postfach bei Lavabit, wie jetzt durch schlecht geschwärzte Gerichtsakten erstmals zweifelsfrei nachgewiesen werden konnte. Lavabit wurde damals als Reaktion auf die Ermittlungen von seinem Gründer eingestellt.

Netzsperren wieder auf dem Tisch?

Wenn es nach der CSU-Politikerin Monika Hohlmeier geht, dann gibt es schon bald Netzsperren in der EU. Sie sollen den Zugang zu „Internetseiten, die öffentlich zur Begehung einer terroristischen Straftat anstiften“ verhindern. Hohlmeier hat den Passus in Form eines Änderungsantrags für den Vorschlag der Kommission zur Terrorismusbekämpfung eingebracht.

Netzpolitik weltweit: Südafrika, Tibet, Nigeria

Über die netzpolitischen Diskussionen in Südafrika hat Constanze geschrieben, die gerade eben dort war. Sie berichtet von einem drohenden Internet-Zensur-Gesetz, der Überwachung von Journalisten und Plänen für eine Vorratsdatenspeicherung. Weiter nördlich, in Nigeria, plant die Regierung die Einschränkung der Meinungsfreiheit im Netz. Dieser geht es auch in Tibet an den Kragen: Zum wiederholten Mal wurden dort Oppositionelle zum Ziel von Hackerangriffen.

Wochenendlektüre

Denjenigen, die in der Woche nicht zum Lesen etwas längerer Artikel kommen, seien zwei interessante Beiträge zur Wochenendlektüre empfohlen: Leonhard Dobusch schreibt über die Expertenschwemme als Antwort auf die Informationsflut im digitalen Zeitalter.

Gegen das zuletzt im Handelsblatt vorgetragene Argument, dass Open Source ein Sicherheitsproblem darstellt, hat Björn Schießle von der Free Software Foundation Europe eine Replik geschrieben: „Die Freiheit der Software – also die Möglichkeit diese für jeden Zweck zu verwenden, zu untersuchen, weiterzugeben und abzuändern – stellt aber eine notwendige Bedingung für Sicherheit dar.“

Last but not least: Es ist anscheinend immer noch kinderleicht, an sensible Patientendaten zu kommen. Die bei mindestens vier Krankenkassen festgestellte Sicherheitslücke besteht weiterhin bei dreien von ihnen.

Wir wünschen trotzdem ein schönes Wochenende!

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7 Ergänzungen

  1. Kanzleramt stoppt BND-Reform
    Der Gesetzentwurf zur Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes wird offenbar zurückgestellt. Es gibt Bedenken, dass die Arbeit des Dienstes behindert werden könnte.

    Diese Bedenken stammen von Finanzminister Wolfgang Schäuble, der sich kritisch gegenüber Merkel geäußert haben soll. Doch öffentlich schweigt Schäuble dazu.

    Den einen gehen die geplanen Reformen nicht weit genug, während „Sicherheitskreise“ die Arbeit des BND durch die Reform künftig massiv eingeschränkt sehen.

    Doch warum meldet sich jetzt gerade Schäuble zu Wort? Als damaliger Bundesinnenminister sagte Schäuble 2010 auf einer Tagung der Politischen Akademie Tutzing:

    „Parlamentarische Transparenz ist manchmal der falsche Weg“. Wenn andere Geheimdienste nicht mehr mit den Deutschen zusammenarbeiten wollten, erweise man „der Freiheit einen Bärendienst“. In einer globalisierten Welt könne ein Staat nicht mehr zwischen innerer und äußerer Sicherheit unterscheiden.

    Hans-Jürgen Papier, der Präsident des Bundesverfassungsgerichtes, erwiderte damals, dass „nicht alles, was technisch möglich sei“ dem Staat auch zur Verfügung stehen müsse. Den Herausforderungen des Terrorismus und der organisierten Kriminalität müsse „mit rechtsstaatlichen Mitteln“ begegnet werden.

    Und dies bezeichnet den Knackpunkt der Angelegenheit. Unsere Nachrichtendienste sind zur Rechtsstaatlichkeit verpflichtet. Dies wird auch bei jeder sich bietenden Gelegenheit in der Öffentlichkeit betont und beteuert. Dies ist offenbar nötig, weil in der Außendarstellung die Differenz zwischen Soll und Ist immer wieder zurecht gebogen werden muss. Mantra-artige Beteuerungen indes können kaum mehr darüber hinwegtäuschen, dass deutsche Nachrichtendienste in der Praxis teilweise nicht rechtskonform handeln und nicht parlamentarisch kontrolliert werden können. Diesen Mangel gilt es endlich abzustellen, und ein Konsens darüber schien in Regierungskeisen bis jetzt Konsens zu sein.

    Doch die Intervention des BIMs a.D. Schäuble mit Hinweis auf eine drohende Arbeitsunfähigkeit der Dienste macht deutlich, dass die Geheimdienste offenbar in der Praxis darauf angewiesen sind, sich auch außerhalb der Grenzen des Rechtsstaats operieren zu können. Ein präzises Regelwerk und auch noch Kontrolle kann man da nicht gebrauchen, wenn man so eine Haltung hat.

    Doch Rechtsstaatlichkeit ist weder teilbar noch minderbar. Entweder die Bundesrepublik ist ein Rechtsstaat oder sie, bzw. Herr Schäuble samt dazugehöriger Regierung, müssen bekennen, dass Deutschland dies künftig nicht mehr sein will. Darum geht es, um nicht mehr, aber gewiss auch nicht weniger.

    http://www.zeit.de/politik/deutschland/2016-03/spionage-bnd-reform-gesetzentwurf-geheimdienst-kontrolle-wolfgang-schaeuble

    1. +++++ Eilmeldung +++++

      Kanzlerin unter Kuratel gestellt. Schäuble übernimmt Richtlinienkompetenz.

      NNNN
      ZZZZ

  2. Eine Woche CeBIT 2016, und niemand spricht darüber.
    Noch eine Woche, die man sich sparen kann?
    Abbauen! Abbauen!

      1. Na ja, das angekündigte Motto war:

        Big Data, Cloud, Internet of Things, Mobile und mehr

        und Drohnen sind auch geflogen, und Frauen in der IT …

      2. … und wie man die das Internet der Dinge kontrollieren und auswerten kann!
        … naja NoBIT 2016, die Frauen, die sich in der IT bis in die Führungspositionen durchgebissen haben, die „Fliegen“ nicht so oft!

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.