Netzpolitischer Wochenrückblick KW 41: Wahlkampfversprechen „Lernen statt nur zu daddeln“

Die Woche im Überblick: Immer mehr Menschen nutzen das Internet, digitale Bildung wird Wahlkampfversprechen, Drohnen brauchen bald Führerscheine und Geheimdienstkontrolleure scheitern mit ihrer Arbeit formal vor dem Bundesverfassungsgericht.

CC-BY-ND Jay Kaye

Unser Wochenrückblick wird auch als wöchentlicher Newsletter verschickt. Hier anmelden.

Unter dem Motto „Lernen statt nur zu daddeln“ kündigte Forschungsministerin Johanna Wanka (CDU) vergangene Woche einen „Digitalpakt #D“ an, der das notwendige Upgrade für digitale Bildung bringen solle. Dass beim Thema Digitale Bildung dringend etwas getan werden muss, ist fast allen klar. Etwas irritiert waren wir nur, als bei der Konkretisierung klar wurde, dass das ein Wahlkampfmanöver ist und viele wichtige Fragen bisher unbeantwortet bleiben.

83,8 Prozent der Bevölkerung sind Internetnutzer in Deutschland, das fand die diesjährige ARD-ZDF-Onlinestudie heraus. Keine Überraschung ist, dass sich die Trends der letzten Jahre fortsetzen: mehr Internet, mehr mobil, mehr Video. Mindestens jeder fünfte deutsche iOS-Nutzer will sich nicht im Internet tracken lassen und unternimmt etwas dagegen. Wir finden, die Zahl könnte ruhig höher liegen, und zeigen die wichtigsten Einstellungen für das Mobilsystem von Apple. Das Verkehrsministerium plant neue Regeln für Drohnen. Dazu gehören eine Kennzeichnungspflicht und Führerschein, wie der von uns veröffentlichte Entwurf einer Drohnenverordnung zeigt.

Nächsten Freitag: Große Koaltion beschließt massive Ausweitung der Netzüberwachung

Kommende Woche Freitag soll im Deutschen Bundestag in zweiter und dritter Lesung die BND-Reform beschlossen werden. Kernstück der Reform ist die Legalisierung aller bisherigen illegalen Praktiken, dazu gibt es eine massive Ausweitung der Netzüberwachung durch unseren Auslandsgeheimdienst. Außer der Bundesregierung, der Großen Koalition, dem Bundesrat und unseren Sicherheitsbehörden ist niemand für diese Reform, die die Snowden-Enthüllungen zur Machbarkeitsanalyse werden lässt.

Vollkommen überraschend für sächsische Sicherheitsbehörden hat ein verhinderter Selbstmord-Attentäter im Gefängnis Selbstmord verübt. Was wie das Script aus einem schlechten Film klingt, ist im Failed State Sachsen leider nur einer von vielen Fehlern und Versäumnissen. Logische Folgerung: Sicherheitsbehörden sollen noch viel mehr Befugnisse bekommen! Dabei werden auch Forderungen erhoben, die längst in der Umsetzung sind.

Die G-10-Kommission ist leider mit ihrer Beschwerde auf Herausgabe der NSA-Selektorenlisten vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert. Das liegt aber nicht am Gegenstand der Beschwerde, sondern an einer Formalie: Das Bundesverfassungsgericht kommt zu dem Ergebnis, dass die G-10-Kommission in diesem Fall nicht klageberechtigt ist.

np_popcorn_banner

In den USA wurden neue Praktiken einer ausufernden Netzüberwachung sichtbar: Die Firma Geofeedia bekam privilegierten Entwicklerzugang zu den Schnittstellen großer Plattformen und baute daraus praktische Services für Sicherheitsbehörden, um Proteste in Echtzeit überwachen zu können. Facebook, Instagram und Twitter haben den Zugang für Geofeedia nach öffentlichem Druck gesperrt. Auch bei Yahoo kam mehr ans Licht: Das Unternehmen hat nicht nur die Mails seiner Kunden für US-Dienste überwacht, sondern praktischerweise gleich sein ganzes Netzwerk. Warum nur ein Teil, wenn auch alles geht?

In den USA und der EU werden jetzt die Regeln zur Netzneutralität getestet

Nach Rückschlägen in Ägypten und Indien geht Facebook in die Offensive und plant angeblich, sein beschnittenes Internetangebot „Free Basics“ in den USA einzuführen. Das niederländische Parlament hat zusätzlich zur EU-Verordnung Preisdiskriminierung und Zero Rating verboten. Doch das hält T-Mobile NL nicht davon ab, zeitgleich ein entsprechendes Angebot zu starten. Nun untersuchen Regulierer und Gerichte, wie es mit der Netzneutralität in den Niederlanden weitergeht.

Die Deutsche Bahn bietet jetzt mehr WLAN in ihren Zügen. Das brauchte aber erstmal ein Sicherheitsupdate. Wir empfehlen grundsätzlich: Nutzt einen VPN-Dienst, wenn Ihr in öffentlichen Netzen unterwegs seid. Damit könnt Ihr es erschweren, dass andere Eure Internetnutzung mitlauschen können.

In der ARTE-Mediathek findet sich noch ein Dokumentarfilm über die Aktivistengruppe „The Yes Men“. Deutschlandradio Kultur berichtete in der Sendung Zeitfragen über „Aktivismus im Netz: Vom Hashtag zur Bürgerbewegung“. Nicht ganz unser Thema, aber in heutigen Zeiten trotzdem wichtig: Die ARD-Mediathek zeigt den biografischen Film „Hannah Arendt“.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

2 Ergänzungen

  1. Kaum gibt es irgendwo eine Möglichkeit Wissen und Meinungen ungefiltert zu erhalten, wird eingeschränkt, verdreht und gesperrt bzw. in Zukunft bestraft. Aber wer will eigentlich die Daten überwachen? Wenn beispielweise 15 Mio. Personen pro Stunde Twittern???? Wer will das prüfen, wer will sich da durcharbeiten?

    1. Die Frage ist nicht, wer will. Die Frage ist, wer will nicht mehr mitmachen. Doch für Künstliche Intelligenz spielen solche Fragen keine Rolle.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.